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Wir haben uns früher mit dem mittlem Gange der
Teinperatur-Vertheilung über die Oberfläche der Erde beschäftigt
mid haben erfahren, dafs die Vegetation mit diesem
fast gleichen Schritt hält. Die Erfindung, wenn icli
mich so ausdrücken darf, der Isothermen, der lsotheren und
der Isochimenen, giebt uns die Mittel an die Hand, um
jene meteorologischen Resultate auf die Vertheilung der
Pflanzen mit Leichtigkeit anzuwenden.
Wäre die Wärmeabnahme unter gleiclien Breiten mit
steigender Höhe ganz gleich, so müfsten verschiedene Orte
einer Breite, welche in einer Höhe liegen, zu einer und derselben
Isotherme gehören, welche sich, je weiter nach
Norden hinauf, immer mehr und mehr nach der Ebene
senkt, so dafs sie zuletzt mit eben derselben Isotherme
der Ebene zusammenfällt. Wenden wir dieses auf die
Vertheilung der Vegetation an, so werden wir finden, dafs
eine Pflanze, welche hoch auf dem Gebirge, unter einer
bestimmten Isotherme wächst, in der Ebene nur dann gut
gedeihen kann, wenn sie daselbst eine Temperatur eben
derselben, oder wenigstens einer nahe liegenden Isotherme
antrifft. Alpenpflanzen hoher Regionen wollen in unseren
Gärten, wenigstens ohne besondere Vorrichtungen nicht
wohl wachsen, und wenn sie fortgehen, so erhalten sie
ganz andere Formen, als ihnen auf dem Gebirge zukommen.
Umgekehrt werden wir aber schon im voraus, ungefähr
wenigstens, wissen können, ob eine Pflanze der Ebene auch
auf hohen Gebirgen gedeihen wird, und bis zu welcher
Höhe die Cultur solcher Pflanzen versucht werden kann,
wenn wir die Temperatur-Verhältnisse dieser Gegenden
kennen. Schon bei der Untersuchung der Wärme-Vertheilung
auf der Oberfläche der Erde, haben wir gesehen,
dafs es weniger die Isothermen sind, wonach die Verbreitung
der Vegetation zu bestimmen ist, als vielmehr die
Isotheren, ganz besonders in Bezug auf alle einjährigen
Pflanzen und hauptsächlich auf unsere Getreidearten, welche
als einjährig gezogen werden. Die perennirenden Gewächse
richten sich mehr nach den Isothermen und nach
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den Extremen der Kälte, welche an einem Orte zur Winterzeit
herrschen. Der Getreidebau geht in den europäischen
Nordländern unbegreiflich weit hinauf, bei 69*^, ja
selbst bei 70^ N. Breite, wie bei Lyngen, Alten und in
den Grenzgegenden von Norwegen, Schweden und Rufsland,
sogar in Gegenden, deren mittlere Temperatur weit
unter dem Gefrierpunkte steht, findet sich Getreidebau. Betrachten
wir dagegen die üppige und reizende Natur, welche
an den Ufern des grofsen See's von Titicaca zu finden ist, in
einer Höhe von 12700 Fufs, und sehen wir dabei, dafs nur
Gerste und Hafer daselbst gedeihen, obgleich mir keine Kunde
zugekommen ist, dafs der grofse See zur Winterzeit gefriert,
so werden wir die Ursache solcher auffallenden Verschiedenheit
weiter nachsuchen müssen;- ich glaube dieselbe
darin gefunden zu haben, dafs die Isothere dieser Gegenden
weit unter derjenigen steht, welche in jenen Gegenden
des GÖsten und TOsten Grades N. Breite liegt. Zu Enontekis
ist die mittlere ATärme — 2,86^, aber der Ort liegt
m der Isothere von 12,80^ Geis., wärend die Isochimene
sich daselbst bis — 17^ hinabsenkt. Die mittlere Temperatur
am Ufer des See's von Titicaca ist dagegen sicherlich
über dem Gefrierpunkte, wärend die Sommerwärme
geringer ist, als zu Enontekis, denn ich habe, gerade wärend
der Sommerzeit auf jener Hochebene, welche gerade
dem Winter in der Ebene des Meeres entspricht, nicht
mehr als 15^ R, zur Mittagszeit beobachtet, meistens aber
nur 9 und 10 Grade R.
Einige Beispiele werden auch liier am deutlichsten
sprechen; leider fehlen noch eine zu grofse Menge
von Thermometer-Beobachtungen, welcho die Temperatur-
Abnahme für verschiedene Höhen verschiedener Breiten
angeben.
Die Beobachtungen der Temperatur auf dem St. Bernhard
zeigen sehr deutlich, dafs mit zunehmender Höhe die
grofsen Differenzen zwiji^hen den Temperaturen der hei-
S Meyen's Beise, I. pag.