sen kleine Schrift darüber sich durch klare Darstellung
und geläuterte physikalische Ansichten vor allen anderen
gleichzeitigen auszeichnet. Er berichtet im Wesentlichen
folgendes. Am 14* October 1755 verbreitete
sich zu Locarno in der Alpenkette Morgens acht Uhr
ein warmer wie aus einem Ofen kommender Dampf,
und verwandelte sich hinnen zwey Stunden in einen
rothen Nebel, aus dem gegen Abend ein blutrother
Regen entstand, welcher aufgefangen einen röthlichen
leimigen Bodensatz fallen liefs. Dieser Purpurregen
wurde ungefähr auf einem Raume von zwanzig teut-
schen Meilen ins Gevierte, ja selbst bis in Schwaben
wahrgenommen. Auf diese Lufterscheinung folgten
unnatürliche Regengüsse, die in drey Tagen auf 23 Zoll
Wasser gaben. Mit abwechselnder Heftigkeit hielt der
Regen über vierzehen Tage lang an. Die Flüsse in der
Lombardey die in den Alpen entspringen, und der
Rhone schwollen an und traten aus, und von dieser
Zeit an herrschten fürchterliche Orcane. Noch einmal
in der Mitte des November fiel in Ulm ein Purpurregen,
und die Unordnung im Luftkreise, die Wirbelwinde
in I t a l i en, so wie die überaus nasse Witterung
dauerten fort. Der erste Erdstofs geschah zu
Li s s a b o n den 1. November 9 Uhr 50 Minuten Morgens
(in Madrid 10 Uhr, 17 bis 18 Minuten, was
zufolge des Längenunterschiedes zwischen beyden Städten
dieselbe Zeit ist). In demselben Zeitpuncte erfolgte
ein Wasserbeben im Ocean, an allen Küsten empfunden
von dem We s t in d i s ch en Archi pelag us an bis
wach Abo in Finn l a n d ; zu Gl ück s t ad t an der
Königsberg 1756. 40 S. 4. ■— S. auch Philosoph. Transact.
Vol. 49. p. 403. 410. 544s 668. u. Vol. 52. p, 424.
Elbe wurde dasselbe ungefähr 11 Uhr 30 Min. beobachtet,
was, nach dem durch die Länge sich ergebenden
Zeitunterschiede, funfzehen Minuten Zeitdauer für die
Fortpflanzung der Bewegung von Lissabon bis dorthin
giebt. Zugleich wurden viele Lands e en iri Europa
bewegt: die meisten Seen in der S chwe i z , der kleine
See bey S a l zungen am Th ü r in g e rwa ld e (nicht
bey Meinungen, wie Kant sagt), der bey Temp l i n
in der Mark, einige Seen in No rwe g en und S c hw e den.
Dafs der See von Neu f ch a t e l sogar sein Wasser
verloren haben soll , wie Einige behauptet haben,
ist zuverlässig unrichtig ( i). Die Quellen zu Töp l i z
blieben aus und kamen rothgefärbt zurück. In Fez
in Africa spaltete ein Berg und rothes Wasser entquoll
dem entstandenen Schlunde. Dafs zugleich eine
Felsenbank, die den Haven von S wearah oder Mo-
gador an der Westküste von Marocco ehemals
sperrte, versunken seyn soll, - haben wir in unserm
I. Buche angeführt (2). Bey An g o u l eme hörte man
unterirdisches Getöse, und es entstand eine Erdkluft;
zu Gemenox in der Pro venc e wurde eine Quelle
plötzlich roth gefärbt, Ma i land litt eine heftige Erschütterung.
Der Ve suv , der nach 8 Uhr ausgeworfen
hatte (s. oben), wurde ruhig gerade in dem Zeitpuncte
des Erdstofses zu Li s sabon. Eine bis Eine
und eine halbe Stunde nach dem Stofse erfolgte ein
ungeheueres Aufthürmen des Wassers im Ocean und
ein Aufschwellen des Tejo, das sechs Fufs höher als
die höchste Fluth stieg, und bald darauf um eben so
1) E l. Be r t r a n d Mémoires histor. et physiques sur les
tremblemens de terre, à la Haye 1757. p. 107.
2) Th. 1. S. 93.
Verând. d. Erdfl, Bd. II. S