“Wenn irgend ein Staat für den philosophischen Naturforscher
wichtig ist ; so ist es der gröfste Thail der Niederlande.
Ja , die Provinzen Holland, Utrecht, Seeland und Friesland haben
ihre physische Existenz dem Wasserbaue zu verdanken. Da
liegt der gröfste Theil von Nord-Holland 12 und mehrere Schuh
tiefer , als die Oberfläche des Meeres. Hier drohen die hohen
Flüsse den flachen Gegenden am Leck und an der Waal Verderben
ünd Zerstörung. An der Küste ist die Nordsee der Feind,
der die Seedeiche zu durchbrechen strebt, und der unaufhörlich Abnahme
an den Dünen bewirkt. Welche Veränderungen in
dem Laufe der Flüsse finden wir in diesem Lande! W e r vermag
es, die Breite der versandeten Rheinmündung bey Katwyk
zu bestimmen? Wer erstaunt nicht,, wenn man ihm sagt, dafs
Friesland mit Nord-Holland noch im XI. Jahrhunderte zusammen
hing; dafs die Maasmündung immer mehr versandet! Bey
diesen grofsen und totalen Veränderungen ist es wirklich schwierig
zu entscheiden , welches anfänglich Canäle oder natürliche
Flüsse waren.
Von den Batavern , die es frühe wagten durch Dämme dem
Meere Grenzen zu setzen , haben alle andern Nationen in neuern
Zeiten den Deich- Flufs- und Seebäu gelernt. Die Noth-
wendigkeit, und die Römer haben sie gelehrt , sich gegen die
Angriffe der Natur zu schützen. Fürwahr also eine lehrreiche
Schule in die wir unsere Leser führen.- Bis jetzt ist nichts
Vollständiges über die Geschichte des dortigen Wasserbaues bekannt
, so schätzenswerth auch Velsens Rivierkundige Verhandeling
( * ) ist. Das Ganze liegt in einer Menge Memoires , Gutachten
, Staats - Resolutionen , und in einzelnen kleinen Schriften
u. s. w. begraben.
Diese Geschichte wird am füglichsten in drey Epochen abge-
theilt werden können. Die erste fängt von den ältesten Zeiten
(* ) Die ersten 106 Seiten enthalten Hydrostatik nnd Hydraulik , Und in
dieser Hinsicht leistet dieses Buch nichts vorzügliches.
an , und geht bis 14 2 1 , wo die tobende See den Biesbosch
(T. 3o.) verschlang; eine Begebenheit, die in den Holländischen
Flüssen totale Veränderung hervorbrachte. Die zweyte
Epoche erstreckt sich, von 14 2 1 bis zu Ende des vorigen Jahrhunderts
, und die dritte bis auf die gegenwärtige Zeit. Diese
letzte wird eine eigene Haupt-Rubrik ausmachen , und erst
nach der Nachricht von den Ueberschwemmungen abgehandelt
werden. Sie wird vorzüglich eine raisonnierende Darstellung
des Wasserbaues in Holland liefern. Zuweilen werden wir aber
auch bey ihr genöthiget werden, zu dem ältern Zustande der
Flüsse, Deiche, Schleusen etc. zurück zu kehren. Die zwey ersten
Epochen, und die Nachricht von den Ueberschwemmungen
sehe man also als kurze Uebersicht , als eine Einleitung
zur raisonnirenden Darstellung des Holländischen Wasserbaues
an.
ERSTE EPOCHE, VON DEN FRÜHESTEN NACHRICHTEN
BIS ZUM JAHRE 1421.
Zustand der Flüsse vor Ankunft der Römer.
Cluverius (a ) hält dafür, und Velsen ( b) stimmt ihm bey,
dafs anfänglich nur zwey Flüsse in Holland, nähmlich der
Rhein und die Maas das Wasser abführten; und dafs die W^aal
entweder ein geringer Flufs gewesen , oder durch die Kunst
gegraben sey. Wrorauf sich aber diese Meinung sonst noch
gründen könnte, als dafs die Waal nicht bis zum Ausflusse
in die See ihren Nahmen beybehält, davon läfst sich nichts
beybringen.
So ist ebenfalls keine historische Gewifsheit zu erlangen, ob
die Insel der Bataver (Insula Batavorum ( c ) ) , die von dem
( a ) Germ, Antiqua L, I. cap. 4.
( 4) Rivierk. Verband.
(c) Tac. Hist. L. V. C. 19 und 23. —. Tac. Ann. II. c. 6. — Plin. H. N.
IV. c. r5. I j — Caesar de Bello gall, IV.