daselbst vielleicht kaum den zweyhundertsten Theil dieser Geschwindigkeit.
Ein Flufs , der an einem Hügel in der Höhe
von ungefähr 100 Fufs entsprünge, müfste am Ausflusse'eine
Geschwindigkeit von ungefähr 80 Fufs in der Secunde haben.
Solche reifsende Flüsse gibts nicht, und vielleicht gibts eben so
wenig Flüsse mit einem solchen geringen Gefälle. Eine eben
so richtige Bemerkung, die dem practischen Hydrotecten leicht
einfallen dürfte, würde die seyn, dafs alsdann alle Krümmungen
und Biegungen der Flüsse die Geschwindigkeit nicht im
mindesten verändern könnten, u. m. a.
Einem jeden, der nur ein wenig hierüber nachdenkt, werden
wohl Gründe genug einfallen , warum diese so richtigen
Folgerungen den Erscheinungen in der Natur so wenig entsprechen;
da hier von allen Eigenschaften der Körper, als C'ohä-
sion, Adhäsion u. s. w. , nur nicht von der Schwere abstra-
hirt ist. Aber sollte der grofse Mann an alle diese Umstände
nicht gedacht , oder wenigstens geglaubt haben, davon ,
ohne einen merklichen Fehler .zu begehen , absträhiren zu
dürfen? Sollte er, der die Gesetze, die Geschwindigkeit aus
der Fallhöhe zubestimmen, zuerst lehrte, und der die Italiäni-
schen Flüsse, den Po zum Beyspiele, auf den hohen Alpen Seinen
Ursprung nehmen sah, gar nicht einmahl zurück gedacht
haben, welche Blitz schnelle Geschwindigkeit diese Flüsse, nach
einer solchen Theorie haben müfsten? — Diefs läfst sich wohl
nicht erwarten , und wirklich sagt er auch in dem schon oben
angeführten Briefe , dafs die Geschwindigkeit nicht blöfs von
dem Gefälle, sondern noch von unendlich vielen andern Umständen
abhängt ; so dafs bey demselben Gefälle unendliche
[Verschiedenheiten Statt haben können ( d). Aber dann läfst
(d) — dico > che le diverse velöcitf non seguitano la proporzione delle
diverse pendenze, come pare , che il detto Bartolotti stimi, ma si
diversificano in infiniti modi, anco sopro le medifime pendenze.
pag. g5.
sich fragen; wie Galilei zu dem ganzen Vortrage über die
Geschwindigkeit in seinem i 5 Quart - Seiten langen Briefe
kommt.
Er nebst zwey andere Ingenieuren, Nahmens Bartolotti und
Fantoni, Wurden wegen der Ueberschwemmung des Flusses
Bisenzio um Rath gefragt. Bartolotti schlug vor, die Krümmen
dieses Flusses durchgraben zu lassen, um dadurch die Geschwindigkeit
desselben zu vergröfsern, und folglich den schnellem
Abflufs des Wassers: zu befördern. So grofses Recht Bartolotti
auch im Allgemeinen haben mochte; ja wenn die Local-Beschaffenheiten
(welche zu prüfen hier nicht der Ort ist) auch so
beschaffen waren, dafs durch die Ausführung seines Vorschlages,
allen Ueberschwemmungen vorgebeugt worden wäre: so scheint
er doch seine Sache schlecht vertheidigt zu haben, indem es
überall aus Galileirs Briefe hervorleuchtet, dafs Bartolotti zu beweisen
sucht, die Geschwindigkeiten des längs einer geneigten
Ebene fallenden Körpers verhalten sich, von allen Hindernissen
der Bewegung abstrahirt, bey gleichen Fallhöhen umgekehrt,
wie die Längen der Ebenen. Gegen diese Behauptung bewies
Galilei, dafs die Geschwindigkeiten sich wie die Fallhöhen verhalten,
welcher Beweis in einer jeden Naturlehre nachzusehen ist.
Es ist wahr, Galilei stimmte für andere Mittel, und war gegen
das Durchgraben der Krümmen ; weil er solchen Durchstichen
entweder nicht Wirkung genug zutraute, oder auch den Zweck
schon durch minder kostbare Mittel zu erhalten meinte; auch mag
es gar wohl seyn, dafs er sich in die Schätzung der Gröfse , der
durch die Flufskrümmen erzeugten Hindernisse irrte , da die
Schätzung überhaupt sehr mislich ist. Indefs hatte Bartolotti
nicht deswegen Recht, weil er besser raisonirt hatte; sondern weil
sein Fehler durch andere ausgelassene wieder verbessert wurde.
C a s t e l l i s Theorie.
Castelli, ein Schüler Galilei’s, war zu seiner Zeit wegen seihen
Einsichten in der Hydrotechnik vorzüglich berühmt. Die