de Art theoretisch bestimmen könnte. Bequemer, leichter und
minder kostbar ist immer das Rechnen , als wirkliche Messungen
; auch ist das durch Rechnung erhaltene Resultat, wenn
nur die Gründe , worauf die Rechnung beruht, richtig sind ,
zuverlässiger und genauer, als dasjenige , welches durch so manchen
Zufälligkeiten unterworfenen Messungen erhalten wird.
Die Rechnung kann immer wieder nachgesehen werden; das
bey den Messungen begangene Versehen bleibt verborgen, oder
wenn es entdeckt wird , so kann ihm nicht leicht abgeholfen
werden. Hat man eine völlig genugthuende Theorie, so kann
der Erfolg einer jeden vorzunehmenden Veränderung auf das
genaueste von einem jeden zum Voraus bestimmt werden ; da
sonsten dazu eine Menge Erfahrungen und ein sehr richtiges Judicium
bey dem Hydrotecten erfordert werden. — Gründe genug
, die eine solche Theorie äufserst wünschenswerth machen,
und die, lange genug anerkannt, mehrere Gelehrten veranlafst
haben, auf sie hinaus zu denken.
In wiefern die meisten dieser Theorien auf allgemein anerkannte
Principien beruhen, und "also annehmbar oder verwerflich
sind , hat schon der General-Inspector Brünings mit vielem
Scharfsinne geprüft (a ), und wir könnten also darauf verweisen,
wenn wir nicht noch einige neuere Theorien hinzufügen müfs-
ten. Diese Darstellung wird hoffentlich überdem unsern Lesern
nicht anders als angenehm seyn , da wenigstens einem grofsen
Theile derselben die Geschichte der Meinungen und verschiedenen
Vorstellungsarten mehrerer Gelehrten in dieser Rücksicht,
gleich wichtig und lehrreich seyn w ird , wie sie für uns wenigstens
ein sehr lehrreiches und angenehmes Studium war. Zugleich
werden wir es versuchen, diese verschiedenen Theorien
sowohl durch Gründe ä priori, als auch durch die Vergleichung
ihrer Resultate mit der Erfahrung zu prüfen.
( a ) Abhandlung über die Geschwindigkeit des tliefsenden Wassers. Ue-
bersetzt von Kröncke. v
G a l i l e i s Theor i e .
Dieser wahrhaft grofse Mann , auf den Italien eben so sehr,
als Deutschland auf Kepler und Leibnitz, England auf Newton
und Frankreich auf Cartesius , stolz zu seyn Ursache hat, dachte
schon auf die Ursache und auf eine Bestimmung der Bewegung
des Wassers in Flüssen nach ; indem er die zuerst von ihm richtig
erkannten allgemeinen Gesetze der Schwere auch auf das in
Flüssen fortströmende Wasser anwandte ( ) .
Nach diesen ganz ohne Einschränkung angenommenen Gesetzen
hinge die Geschwindigkeit blofs von der Höhe a b , von
welcher das Wasser, von seiner Quelle an , hinunter geflossen
ist. Man brauchte demnach nur diese Höhe = s zu kennen,
um die Geschwindigkeit = c nach der bekannten Formel c =
2 {/ gs bestimmen zu können, wenn nähmlich g eine beständige
Gröfse ist, und den Raum = i 5,625 Rheinländische Fufs bedeutet
, den ein freyfallender Körper in der ersten Secunde durchfällt.
Aus vorstehender Formel erhält man 4 g s = c2 , nach
der sich also die Geschwindigkeiten bey den verschiedenen Fallhöhen
von S , wie die Ordinaten einer Parabel verhalten, deren
Abscissen diese Werthe von s, und deren Parameter = 4g = 62,5
Rheinländische Fufs ist. Die Geschwindigkeiten nähmen demnach
nicht blofs von der Oberfläche des Flusses bis auf den Boden
nach einer solchen parabolischen Scale zu ; sonder« müfsten
auch weiter Stromabwärts gleichfalls nach dieser Scale beschleunigend
seyn. Der Rhein , der von seiner Quelle bis zu seinem
Ausflusse in die Nord-See etwa ein Gefall von 6700 bis 6800
Fufs haben mag (c ) , müfste in Holland mit einer Geschwindigkeit
von mehr als 65o Fufs in der Secunde strömen. Er hat
(ä ) Leiters di Galileo Galilei sopra il fiume Bisenzio a Raffaello Staccoli.
i 63o. Im ersten Bande der i7a3 in 3 Bänden zu Florenz erschienenen
Raccolta.
(c) Lamberts Zusätze zu Picards Abhandlung vom Nivelliren.