Stillstände des Wassers (dafs ist während dem Zeitraum zwischen
Fluth und Ebbe) niedergefallene Material wieder fortzuführen?
Ich glaube diese Materie zum befsten damit beschliefsen zu können,
dafs ich aus dem Werke des Königl. Preufsischen Kriegscommissair
Herrn Freese Ostfries uncWarrlingerlancl S. 849 folgende
Stelle entlehne. «Der aus lauter Vegetabiliën entstandene Morast
ist durch die Vermischung mit dem Seewasser einer grofsen
Veränderung fähig und selbst die Vermischung des mit Torferde-
theilchen angefüllten Moorwassers mit Seewasser läfst einen dem
Klay ähnlichen Schlick oder Sediment zurück. Um hierüber zur
nähern Ueberzeugung zu gelangen, habe ich selbst den Versuch
angestellet, den ein jeder leichtmachen kann, und die Bestä-
tigung dieser Meynung erhalten. Durch einen Schiffer erhielt ich
hoch aus der Nordsee eine Bouteille voll Seewasser. Mit diesem
und aus den Morästen gesammelten Moorwasser nahm ich zur
Hälfte die Vermischung in einem Glase vor, liefs solches, wohl
zugebunden , etliche Tage stehen , gofs hierauf das Wasser rein
ab , und behielt einen marschartigen weissen fetten Bodensatz,
der völlig den Geruch der Klayerde, besonders derjenigen, welche
aus den Schlöten , Wasserleitungen oder Gräben geworfen
w ird , an sich hatte, und in W'asser zerrieben , demselben eine
trübe weisse Farbe mittheilte.
Wenn die Anwächse ihr Daseyn und Entstehen blos aus der
See hätten , so müfsten sie auch zunächst bey den an der See belegenen
Inseln anfangen und nicht an das weit entlegenere feste
Land sich anschliefsen. Die Inseln, und die darum befindlichen
Gegenden aber bleiben, was sie von jeher gewesen,- schroffe
höchst dürre Sandhügel und Sandplatten, die gar nicht in fruchtbare
Felder umgeschaffen werden , deren Conservation vielmehr,
wie ich vorhin bey den Inseln gezeiget habe, jährlich mit
vieler Mühe und Kosten verknüpft ist. Es mufs also etwas anders
da seyn, welches zwischen dem festen Lande und der See
den Schlamm bearbeitet, und diesen gleichsam zwingt, sich landwärts
anzusetzen und den Marschboden zu bilden.
Der, in den Inbusen einer Insel, sich hie oder da obwohl
nur kärglich ansetzende Anwachs, bestätiget jene Hypothese. Beide
Gewässer finden daselbst Ruhe und Stillstand, und der Schlick
kann sich da so, wie auf den Watten am festen Lande, senken,
folglich einen Marschboden hervorbringen, wozu oft das innere
Terrain nicht wenig beyträgt. So trift man z. B. auf der Insel
Borkum eine röthlich feine fette Erde an, die man füglich mit
der Umbererde vergleichen kann, welche daselbst dem Anwachs
nicht wenig zu statten kömmt. Von der feinen Beschaffenheit,
als die Anwächse am festen Lande, ist er aber nicht, sondern cs
scheint, dafs die Natur daselbstnur die Ueberreste der Marsch thei-
le niederläfst, welche durch die Ebbe und Fluth vom festen Lande
zurückkehren. Dies läfst sich auch daraus abnehmen, dafs,
wenn bey hohen Fluthen die grünen Lande auf den Inseln überströmet
werden , die übergetretene See nicht den geringsten
Schlamm auf denselben zurückläfst, wie solches am festen Lande
jedesmahl geschiehet, weil zwischen diesem und der See sich die
Theile, welche den Marschboden hervorbringen , hauptsächlich
befinden. Daher ist denn auch der in den Inbusen einer Insel
sich angesetzte Anwachs nur sehr schwach mit Marscherde , und
höchstens zu \ bis 1 Fufs bedeckt.
Man hat zwar vorhin wohl behaupten wollen, dafs die See
Marsche und Moräste schaffe, und es fehlt auch noch jetzt nicht
an Leuten, die solches blindlings annehmen. Allein solcher Meynung
heyzutreten , kann nur von einem Starkgläubigen geschehen.
Die ewige Weisheit wies der Natur ihre Gesetze an , nach
welchen sie sich in ihren Wirkungen jetzt, so wie seit Jahrtausenden
gleich bleibt. Aufmerksame Beobachter auf den Gang der
Natur sind durch die traurigen Wasserfluthen belehret, welche
Wirkung die See hervorgebracht, sobald sie mit den Morästen
zusammen getreten. Man hat zurZeit der Wasserfluth im Jahre
17 17 gefunden , dafs, so weit die Moräste durch Seewasser erreicht
worden, die Heide ausgestorben, und einige Jahrelang,