Leben führend, um welches sie mit den Elementen kämpfen
müssen, unter deren Druck sie beinahe erliegen, suchen
die Isländer sich durch geistige Anstrengung das zu ersetzen,
was die Natur ihnen auf ewig versagt hat, und nicht die
Hoffnung auf literarischen Ruhm, sondern nur reine Liebe
zur Poesie und zu ihrer vaterländischen Geschichte konnte
sie bewegen, jene in Gedanken und Form vollendeten Werke
zu schaffen, von denen vielleicht die Mehrzahl bestimmt ist,
für immer in dem verborgenen Dunkel eines einsamen Pfarr-
hofs zu vermodern, welcher sie hervorbrachte.
Bsegisä verlassend, zeigten uns unsere Führer am Ende
des Thals den Seespiegel des Eyjafjöröur (dänisch 0fjord),
welcher sehr tief, in seiner ganzen Erstreckung über neun
Meilen, in das Land einschneidet. Kurz vor der Einmündung
des Flusses in den Meerbusen liegt auf seinem linken Ufer
die ehemalige Abtei MöÖruvellir oder Friöriksgräfu, jetzt eine
Hauptkirche, neben welcher sich das grosse in dänischer
Bauart aufgeführte Haus des Herrn P. J. Havsteen, des
Amtmanns vom Nord- und Ostamte (amtmaöur yfir Noröur
& ÄMstuTamtinu) erhebt. Obschon wir sehr wünschten die
Bekanntschaft dieses Herrn zu machen, an welchen uns Od-
dur Gislason in Reykjavik empfohlen hatte, so war doch der
Fluss zu tief und breit, als dass wir das andere Ufer hätten
erreichen können, und überdies die Tageszeit schon so vorgerückt,
dass wir eilten, nach Akureyri zu gelangen.
Folgendes ist der Brief, welchen Oddur Gislason uns
mitgab:
Reykjavik, 20. jüni 1860.
Hserstvirti herra Amtmaöur!
Eptir ]>eirri vinättu og velvilja, er |>er se hafiÖ synt mer,
|>egar fundum okkar hefur beriö saman, leyfi eg mer nü i
trausti til j)ess, aÖ introduzera hjä yöur 3 J>yzka feröamenn:
Dr. Zoologie Benguerel (lägur maöur meö svarta barta),
zoolog W. Preyer- (ljöshseröur) og geolog F. Zirkel. Lessa
menn vil eg biöja yöur fyrir aö fceir sjäi hiÖ merkileg astu,
sem er j>ar i kring, einkum er Zirkel annt um aö sja steina
og mineralia. Nü orölengi eg ekki J>etta meira, en biÖ
yöur fyrirgefu mer dyrfsku mma. VeriÖ siöan ksert kvaddir
af yÖar jmnustuskylldugs:
Oddr V. Gislason.
Ins Deutsche übersetzt:
Reykjavik, 20. Jupni 1860.
Höchstzuverehrender Herr Amtmann!
Gemäss der Freundschaft und dem Wohlwollen, die Ihr
immer habt gezeigt mir, da unsere Verhältnisse vereint geblieben
sind, so erlaube ich mir im Vertrauen darauf bei
Euch einzuführen drei deutsche Wandersmänner: Dr. der Zoologie
Benguerel (grösser Mann mit schwarzem Barte), Zoolog
W. Preyer (weisshaarig) und Geolog F. Zirkel. Diese Männer
will ich Euch bitten, dass sie sehen das Merkwürdigste,
welches ist dort im Kreise, besonders ist Zirkel erpicht
darauf Steine und Mineralien zu sehen. Nun verlängere
ich nicht dieses mehr, aber bitte Euch mir meine Keckheit
zu verzeihen. Seid schliesslich freundschaftlich gegrüsst von
Euerm verbundenen
Otto V. Gislason
(Gisli’s Sohn).
Bald erreichten wir den Eyjafjöröur (Inselbucht), an dessen
Ende Akureyri liegt; die Aussicht auf den schmalen,
tiefeinschneidenden Fjord war reizend. Wir ritten am Strande
entlang, kreuzten einen . angeschwollenen und reissenden
Fluss, die Hörgä, gerade an der Stelle, wo er sich in den
Fjord ergiesst und gelangten nach einem neunstündigen
Ritte um 5 Uhr nach Akureyri.