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 verhallten  nutzlos  in  den  umliegenden Bergen  und  nur  das  
 höhnische  Echo  erwiderte  unser  verzweifeltes  Rufen.  Drei  
 Stunden  harrten  wir  in dieser  peinlichen Lage;  unsere Pulverhörner  
 waren  leer,  unsere  Kehlen  heiser,  unsere  Pferde  
 ungeduldig  und  wie  wir  hungrig.  Schon bereiteten  wir uns  
 darauf  vor,  in  dieser  schauerlichen  Einsamkeit  die  Nacht  
 ohne  Nahrung,  Zelt  und  Decken  zuzubringen,  denn  in  irgendeiner  
 Richtung  fortzureiten,  war  fruchtlos,  wie  häufig  
 wiederholte Streifereien in die Umgegend bewiesen.  Ueberäll  
 trat uns  die nämliche Oede entgegen und kein nahegelegener  
 Punkt  hot  eine  so  weite  Aussicht  wie  die  Höhe,  auf  der  
 wir  uns  befanden  und  auf  der  zu  bleiben  wir  für  das  
 Rathsamste  hielten.  Ein  grosses  Glück  war  es,  dass  die  
 Nacht  taghell  blieb  und  uns  den  Blick  in  die  Ferne  nicht  
 raubte.  Der  Gedanke  an Schlaf,  der sich unwillkürlich unserer  
 bemächtigte,  verschwand  sehr  bald  wieder,  und  wir  
 beschlossen,  noch  einen  Versuch  zu  machen,  aus  diesem  
 Grabe  zu  entkommen.  Jeder  ritt  in  einer  ändern Richtung  
 fort,  mit  dem Versprechen,  in  einer  halben Stunde  zurückzukehren. 
   Kompasse  und Uhren  wurden  verglichen,  ausser  
 den  Gewehren  und  Kleidern  fast  das  einzige,  das  wir  bei  
 uns  führten,  und jeder  sprengte  von  dannen.  Aber  wenige  
 Minuten  erst  waren  wir  geritten,  als  ein  gewaltiger  Freudenschrei  
 des  Mr.  Hay  uns  alle  vier  wieder  zusammenrief.  
 Sein  Adlerauge  hat  in  einer  unglaublichen  Entfernung  auf  
 der  Höhe  im  Schnee  einen schwarzen Punkt  entdeckt,  welcher  
 sich  bewegt.  Bald  sehen  wir einen  zweiten  noch kleinern  
 Punkt  von  dem  ersten  sich  lösen,  der  offenbar  sich  
 uns  nähert.  Es  ist  ein  Mensch,  es  ist  Ölafur,  der  vom  
 Pferde  springt,  um  dieses,  wie  er uns  später erzählte,  über  
 eine dünne Schneedecke zu führen.  Er hatte  unser Schiessen  
 gehört.  Wir waren gerettet.  Unbeschreiblich war die Freude,  
 als  wir  mit  ihm  uns  wieder  vereint  und nach einigen Stunden  
 auch  die  mit  unserm  Hab  und  Gut  belasteten  Packpferde  
 eingeholt  hatten.  Es  ist  für  Fremde  in  Island  sehr  
 gefährlich,  sich  in  wegelosen,  unbewohnten  Gegenden  von  
 den  Führern  zu  trennen,  und  wohl  nicht  immer  sind  letztere  
 so  treu  und  dienstbeflissen  wie  unser  wackerer Ölafur,  
 ein  Biedermann;  ohne  ihn  wären  wir  wahrscheinlich  elend  
 umgekommen,  denn  die Wüstenei,  die  abschreckende Wild-  
 niss,  in  die  wir  uns  verirrten,  wird  fast  nie  von  Menschen  
 besucht.  Selbst  der Einsamkeit liebende Adler horstet nicht  
 hier  und  sogar  der  scheue  Eisfuchs  flieht  diese  todten  Regionen, 
   von  denen  nur  der  einen  Begriff  hat,  der  sie  
 gesehen. 
 Kaldidalur  (kaltes  Thal)  ist  der  Name  des  gletscher-  
 umsäumten  steinigen  Thals,  durch  das  wir  nun  ritten.  
 Links  erhebt  sich  ein hoher kegelförmiger Berg  mit der ihn  
 umgebenden  Terrasse  Ok  (eigentlich  das  Joch)  genannt,  
 rechts  ein  schöner  Krater  und  weiterhin  zwei  wundervoll  
 gewölbte  schneeumhüllte Hügel  einander  überraschend ähnlich: 
   der  sanft  schwellende  Busen  einer  jugendlichen  Riesin, 
   welche  die  isländische  Sage  so  schön,  als  das  Riesengeschlecht  
 ausstarb auf unserer Erde,  zu  Stein  werden  liess  
 und  in  einen  Berg  verwandelte. 
 Still  wie  das  Grab  und  unheimlich  schaurig  ist  diese  
 Gegend.  Kein  Thier,  keine  Pflanze  erfreut  den  ängstlich  
 umherschweifenden  Blick.  Pferdegerippe  liegen  hier  und  
 da  am  Wege,  ein  düsteres  Memento,  und  nur  einzelne  
 Steinpyramiden,  von  freundlichen  Wanderern  zur  Bezeichnung  
 des  Wegs  errichtet,  zeugen  von Menschen,  die  einst 
 diese  Stätte  besucht. 
 Immer  näher  kommen  wir  dem  Geitlandsjökull,  durchreiten  
 die seichte milchweisse Geitä (Ziegenfluss) und suchen  
 möglichst  rasch  die  ureinsame Gegend  zu  verlassen.  Durch  
 Erzählen  früher  im  Norden  und  Süden  Europas  erlebter  
 Reiseabenteuer  verscheuchten  wir  den Geist der Langeweile,