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 sind  wie  ein  Uhrwerk  —  in  Bewegung  erhaltend,  
 denn  Sporen  gibt  es  in  Island  nicht;  da  auch  die  Absätze  
 an  den  meist  aus  Seehunds-,  Schafs-  oder  Kuhleder  verfertigten  
 pantoffelartigen Schuhen fehlen,  so genügt  ein  einfacher  
 Stoss  mit  dem  Fusse  kaum,  das  dickhäutige  Pferd  
 anzutreiben,  das  ganze  Bein  wird  deshalb  vom  Pferde  ab  
 und  dann  wieder  mit  Gewalt  auf  dasselbe  zurückgeworfen.  
 So  leicht  es  anfangs  scheint,  den  Isländern  diese  Pendelschwingungen  
 des  Beins  nachzumachen,  so  schwierig  ist  
 es,  wie  sie  stundenlang  unausgesetzt  auf  diese  Weise  zu  
 reiten,  besonders  wenn  man  nicht  auf  einem  isländischen  
 Sattel,  einem  einfachen  Schaffell,  sitzt,  sondern  sich  englischen  
 Reitzeugs  bedient. 
 Die  erste  Tagereise  war  nur  kurz;  um  1  Uhr  konnte  
 erst  von  Reykjavik  aufgebrochen  werden,  und  schon  nach  
 sechs  Stunden  schlugen  wir  in^ Seljadalur  unsere Zelte  auf.  
 Die  Gegend  zwischen  Reykjavik  und  diesem  Thale  ist  arm 
 jeglichem,  was den Naturfreund erfreut.  Meist mit Lava-  
 blöcken  bedecktes  unebenes Wiesenland  oder  auch Sumpfige  
 Thäler,  die  durch  die Austrocknung  früherer  Seen  entstanden, 
   bietet  sie  auch  dem  Jagdfreunde  nur  wenig.  Unzählige  
 Regenpfeifer  und Brachvögel bevölkern freilich  die  einsame  
 Landschaft,  aber  sie  sind  so  zahm  und  flössen  uns  
 durch  ihre  traurige  Stimme  solches  Mitleid  ein,  dass  wir  
 sie  nicht  schiessen,  es  sei  denn  hier  und  da einen ganz besonders  
 schönen  Goldregenpfeifer  (heylö,  Charadrius  plu-  
 vialis) ,  welcher  mit  gelben  Punkten,  die  ihm  seinen  Namen  
 gaben, übersprenkelt und mit glänzend schwarzer Brust  
 jetzt  unsere  Sammlung  ziert.  Im Sommerkleide  wird  dieser  
 Vogel  in  Deutschland  und  England  nur  äusserst selten  gesehen, 
   in  Island  ist  er  Sommers  der  gemeinste  Landvogel.  
 An  einem  kleinen  See,  dem  Hafravatn  (Ziegensee),  wurde  
 ein  einsamer  Steissfuss  geschossen. 
 Seljadalur  (von  sei ja ,  die  Sahlweide,  Salix  caprea)  ist  
 ein  schönes  breites  Thal  mit üppigem Graswuchs.  Es  wird  
 gebildet  durch  eine  sanft  sich  abdachende,  mit Weiden  bewachsene  
 Hügelreihe  im Norden,  und  im Süden durch steile  
 Felsen,  die  wegen  des  Palagonittuffs  interessant  sind. x)  
 Im  Westen  verengt  sich  das  Seljathal  zu  einer  schmalen  
 dunkeln  Schlucht,  in  deren Tiefe dumpf brausend  ein Sturzbach  
 sich hinwälzt.  In ihrer Nähe ist ein schönes Echo,  welches  
 ein einsilbiges Wort deutlich siebenmal nachhallen lässt. 
 Um  Wiederholungen,  die  bei  jeder  Reisebeschreibung  
 fast  unvermeidlich  sind,  wenigstens  in  einem  Punkte  vorzubeugen, 
   wollen  wir  gleich  hier  unser  Zeltleben,  wie  es  
 fast  allabendlich  auf unserer Reise  wiederkehrte,  in  kurzen  
 Zügen  schildern. 
 Uebernachtet  wurde  stets  in  der  Nähe  von  fiiessendem  
 Wasser  und  an  grasreichen  Plätzen,  nur  zweimal,  in  
 Holtavöröuheiöi  und  Eyvindarkofaver,  musste  der  allzu  
 grossen Entfernungen  wegen  mitten im Sumpfe campirt werden, 
   sodass  die  armen  Pferde  kein  Futter  oder  nur  kaum  
 geniessbare  Kräuter, fanden. 
 Nachdem  sämmtliche Pferde  von  ihrer Last,  Packkisten,  
 Zelten,  Sätteln .und Zaumzeug befreit worden,  werden ihnen  
 die  Vorderbeine  dicht  über  den  Hufen  durch  ein  starkes  
 Seil  zusammengebunden  und allen gestattet,  ihrer Wege  zu  
 gehen;  weit  können  sie  in  dem  gefesselten  Zustande  sich  
 nicht  entfernen,  trotzdem  aber  entlief uns gleich in  der ersten  
 Nacht  eins  unserer  besten  Packpferde,  welches  richtig  
 seinen Weg  nach  Reykjavik  zurückfand.  Es  wurde  daher  
 angeordnet,  dass  die Führer  abwechselnd  nachts die Pferde  
 bewachen  sollten,  was  freilich  etwas  anstrengend,  aber  unumgänglich  
 nöthig  war.  Wahrend  so  einige  für  die  hestar  
 sorgen,  suchen  andere  einen  für  das  Aufschlagen  der Zelte 
 l)  Siehe  Anhang  A,  §.  10.