
 
        
         
		mit  dem  Tode  büsst.  Er  wird  zwar  eifrig  verfolgt  und  besonders  
 von  den  Brüteplätzen  der  Enten  und  Eidergänse  
 fern  gehalten;  aber  seine Zahl  nimmt  eher  zu  als  ab.  Von  
 allen  Vögeln  Islands  brütet  der  Rabe  am  frühesten.  Er  
 legt  seine  fünf bis  sechs grünen braungefleckten Eier  schon  
 im  März  in  unzugängliche Felsenspalten.  Ende  Juni  sahen  
 wir viele vollständig ausgewachsene Junge,  welche  den Alten  
 an  Schlauheit  und  Vorsicht  wenig  nachgaben.  Dass  der  
 Rabe  in  Island  grösser  sei  als  in  ändern  Ländern  haben  
 wir  nicht  gefunden,  dagegen  sahen  wir  zweimal eine  weissgefleckte  
 Abart  (siehe  Anhang). 
 Im  Oxnadalur  hielten  wir  hei  einem  kleinen,  armseligen  
 Bauernhause  Fagranes  eine  kurze  Rast;  gegenüber  
 lag  ein  hoher  malerischer  Berg,  oben  wie  ein  Kamm  
 mit  einer  Reihe  steiler  spitzer  Felsenzacken  besetzt,  unter  
 denen  eine  wie  eine  riesige  Nadel  gestaltet,  alle  ändern  
 weit  überragend,  ihren  Gipfel  in  die  Wolken  emporstreckte. 
   Wir  kreuzten  nunmehr  einen  10  Fuss  tiefen  Ne*  
 benfluss  der  Oxnadalsä,  über  welchen  eine  schwanke1 Holzbrücke  
 führte,  die  so  schmal  und  baufällig  war,  dass  den  
 Pferden  das  Gepäck  abgenommen  und  sie  bei  der  Hand  
 hinübergeführt  werden mussten.  Abends  erreichten wir das  
 stattliche  ausgedehnte  Gehöft  Steinstaöir,  auf  der  rechten  
 Seite  der Oxnadalsä,  von  weiten  und  wohlbewirthschafteten  
 Wiesengründen  umgeben.  Auf  dem  ändern  Ufer  lag  die  
 Hauptkirche  Bakki.  Darüber  erhoben  sich  groteske  Felsgestalten, 
   welche,  so  oft  wir  % unsere  Stellung  wechselten,  ihr  Aussehen veränderten;  sie  erinnerten  an mächtige Kuppeln  
 von  Domen,  an  zerfallene  Thürme  und  Zinnen  von  
 Burgruinen.  Der alpingismaÖur,  ein sehr begüterter,  ziemlich  
 gebildeter Mann  nahm  uns  überaus  gastfreundlich  auf;  
 die  in  seinem  wohnlichen  zweistöckigen  Hause  herrschende  
 Reinlichkeit  überraschte  uns angenehm.  Mr. Hay erhielt ein  
 eigenes  Zimmer  mit  einem  bequemen  Bett,  wir  ändern 
 bezogen  eine  Kammer  und  freuten  uns  sehr,  die  Nacht  
 wieder  unter  Dach  und  Fach  zuhringen  zu  können. 
 Endlich  brach  der  Tag  an,  an  welchem  wir  Akureyri  
 erreichen  sollten:  Sonntag,  der  8.  Juli. L Unser Wirth  ritt  
 heute  zur  Kirche  nach  Bsegisä  und  wir  legten  diesen  Weg  
 in  seiner  Gesellschaft  zurück.  Die  Oxnadalsä  weiter  abwärts  
 verfolgend,  kamen  wir  an  mehreren  Meierhöfen  vorüber  
 nach  Bsegisä,  welches  ungefähr  dem  Vereinigungspunkte  
 des Hörgärdalurs und des Öxnadalurs gegenüberliegt.  
 Der  Pfarrhof ist  in  ganz  Island  berühmt  als  der  Wohnort  
 des  Dichters Jön Porläksson,  welcher gänzlich abgeschlossen  
 von  der Welt  in seiner einsamen  ärmlichen Erdhütte  in  den  
 langen  isländischen Winternächten,  dem  Drange  nach  geistiger  
 Beschäftigung  folgend,  um  das  Jahr  1814  den «Messias 
 »  von  Klopstock,  «Das  verlorene  Paradies»  von Milton,  
 den  «Versuch  über den Menschen»  von Pope  und  viele  andere  
 deutsche  und  englische  Gedichte  in  seine  Muttersprache  
 mit  solchem  Geschmack  und  so  grösser  Eleganz  
 übertrug,  dass,  obschon nur  die Anfänge  dieser Werke  veröffentlicht  
 wurden,  dieses ihm die einstimmige Bewunderung  
 aller  seiner  Zeitgenossen  verschaffte.  Die  Anfänge  der  Gesänge, 
   zu  deren  Uebersetzung  er  sich  des  erhabenen  und  
 künstlichen Versmasses der  <s.Völuspäy> und der  « Scemundar  
 Edda»  bediente, wurden inTheil  13,  14 und 15  der Schriften  
 der  Isländischen  literarischen  Gesellschaft  abgedruckt,  
 da  der  Verfasser  von  dem  geringen  Ertrage  seiner  Pfarr-  
 stelle,  der  sich  auf  15  Thaler  jährlich  belief,  und  seinen  
 Feldarbeiten  sich  kümmerlich  ernährend,  zu  arm  war,  die  
 Veröffentlichung  selbst  zu  besorgen.  Das  Zimmer,  in  dem  
 der  siebzigjährige  Dichter  seine  Werke  schuf,  ist  8  Fuss  
 lang  und  6  Fuss  breit;  die  Thür  kaum  4  Fuss  hoch,  das  
 Fenster  misst  nicht  mehr  als  2  Quadratfuss.  Bo  dürftig,  
 so  klein  ist  die  Wohnung  dieses  grossen  Mannes.  Steten  
 Entbehrungen  und  zahlreichen  Gefahren  ausgesetzt,  ein 
 Island.  11