wurde bald etwas ruhiger; der Sturm liess allmählich nach
und die Maschine setzte sich wieder in Bewegung. Aber die
Matrosen mit ihrem Aberglauben hatten recht gehabt. Sie
wiesen auf den übriggebliebenen Maststumpf, der einen gar
traurigen Anblick darbot, als wir am folgenden Morgen
(am 3. Juni) hinaufeilten, das nächtliche Werk zu beschauen.
« An allem ist der Pfaffe schuld!» murmelten einige.
Gefrülistückt wurde an dem Tage nicht, wohl aber um
2 Uhr unter Scherz und Witz ein sehr reichliches Mittagsmahl
eingenommen, bei dem fast ausgelassene Heiterkeit
herrschte. Jeder aber gestand; dass er in der vorigen Nacht
lebhaft an den Tod gedacht und sich auf sein letztes Ständlein
vorbereitet habe. Wirkliche Gefahr war indess nur so
lange vorhanden, wie der Mast noch am Schiffe hing und
dieses umzuschlagen drohte.
Die ermüdende Einförmigkeit der Seereise wurde heute
durch nichts unterbrochen. Nur ein Wrack gewahrten wir
in der Ferne, wahrscheinlich ein Opfer des nächtlichen
Sturms.
Gegen Abend kamen eine Holztaube und zwei, Fensterschwalben
an das Schiff geflogen; sie setzten sich aufs Afterdeck
und schienen sehr ermüdet, bald jedoch verschwanden
sie wieder; es waren vermuthlieh verirrte Spätlinge grösserer
Scharen. Das war die einzige Abwechselung, die wir an
dem Tage erlebten. Man sah nichts als Meer und Wolken
und mit Ausnahme einer kurzen regenlosen Viertelstunde,
in der uns sogar Sonnenschein beglückte, war die ganze
Fahrt von unausgesetztem Regen begleitet.
Am frühen Morgen des 4. Jüni hatten wir gehofft im
Hafen von Leith zu erwachen; aber zu unserer Enttäuschung
erfuhren wir,, die Ankunft könnte sich bis zum Spätnachmittage
verzögern. Es war nämlich während der Nacht ein
so dichter Nebel eingetreten (von den Schotten bezeichnend
thichiess genannt), dass wir oft keine halbe Schiffslänge
vor uns sehen konnten und unter fortwährendem Läuten
und Sondiren fahren mussten. So kam es, dass wir von
der schönen schottischen Küste nichts sahen als einige
dunkle Felsen, und der berühmte Bass-Rock, welcher von
den zu Hunderttausenden auf ihm nistenden Solangänsen
(Sula bassana), die daher ihren Speciesnamen tragen, ganz
weiss aussehen soll, erschien uns nur einen Augenblick durch
den fast undurchdringlichen Nebel wie ein aus dem Meere
auftauchendes Gespenst.
Einen schneidenden Oontrast zu dem gestrigen Sturme
bildete die heutige absolute Meeresstille. Kein Lüftchen,
kein Weilchen regte sich. Das Wasser war so ruhig und so
glatt wie Eis, als ob es erschöpft sei von der gestrigen Anstrengung.
Es war nur zu bedauern, dass wir des Nebels
wegen nicht die ganze Meeresfläche überschauen konnten,
denn Meeresstille — gleichsam das Schlafen des Meeres —
gewährt immer einen erhebenden Anblick.
Gegen 2 Uhr endlich erreichten wir wohlbehalten den
Molo von Leith. Ausser dem «Ivanhoe» lagen noch manche
andere Schiffe mit gekappten Masten, zerfetzten Segeln
und zerrissenem Takelwerk im Hafen vor Anker; 300 Schiffe
sind in jenen Tagen an der Ostküste Englands gescheitert.
Die Passagiere gratulirten sich gegenseitig zur glücklichen
Ankunft; allerdings hatten wir auf einer nur sieben-
undfunfzigstündigen Seereise die drei Dinge aus eigener Anschauung
kennen gelernt, welche dem Seemann am verhasstesten
sind, Sturm, Meeresstille, Nebel. Nicht leicht
erlebt man sie so rasch aufeinander folgend und in solehem
Masse, wie wir sie auf der kurzen Fahrt von Rotterdam
nach Leith erleben mussten. Bei der Ankunft in letzterer
Stadt, dem Haupthafenplatze Edinburghs, machte uns die
Mauth viel zu schaffen. Alles Gepäck wurde auf das genaueste
untersucht. Der Tabackj mit dem wir reichlich
versehen waren und auf dem ein Eingangszoll von drei Tha