
 
        
         
		Doch  wir  sind  jetzt  auf  einem  englischen  Schiffe,  das  
 von  den  Pfingststürmen  hart  mitgenommen,  noch  bis  zum  
 letzten  Augenblicke  vor  der Abfahrt  mit einer wahrhaft britischen  
 Emsigkeit  und Rührigkeit ausgebessert und gereinigt  
 wird,  die  einen  scharfen Gegensatz  bilden  zu  der  eben  gerügten  
 holländischen  Langsamkeit. 
 Am  2. Juni  um 4 TJhr morgens setzte sich der «Ivanhoe»  
 in Bewegung  und  brachte  uns langsam durch die Docks und  
 zahllosen  Segelboote  hindurch,  die  Maas  hinunter  auf das  
 hohe  Meer. 
 Es  ist  ein  altes  Schraubenschiff,  kaum  grösser  als  ein  
 Rheindampfer;  die  Kajüte  sogar  kleiner,  der  sogenannte  
 Salon  misst  z.  B.  nur  11  Fuss  in  der  Länge  und  8  in der  
 Breite  und  die  an  der Seite  befindlichen  zwölf Betten  sind  
 nur  5V2  Fuss  lang  und  l x/2  Fuss  breit. 
 Wir  priesen  uns  glücklich  bei  so  knappen Räumlichkeiten  
 nicht  in  grösser  Gesellschaft  reisen  zu  müssen,  waren  
 aber  für  den  beispiellos1 billigen  Fahrpreis  (von  2  Guineen  
 ä  Person)  kaum  mehr  zu  fordern  berechtigt. 
 Von  den  fünf Passagieren  erwähnen wir  nur einen  französischen  
 Geistlichen,  auf den  die  Matrosen  nicht  wohl  zu  
 sprechen waren,  in ihrem Aberglauben behauptend:  «Ist ein  
 Pfaffe  an  Bord,  so  gibt’s  böse  Fahrt!»  Diesmal  ging  ihre  
 Ahnung  leider  in  Erfüllung. 
 Ausser der dienstthuenden Mannschaft  waren  noch  neun  
 Mann' von  dem  vor  kurzem  an der holländischen Küste zerschellten  
 Schiffe  «Therese»  an  Bord,  wrelche  der  Kapitän  
 kostenfrei  in  ihre Heimat  brachte;  im ganzen befanden  sich  
 36  Menschen  auf  dem  kleinen  Schiff,  welches  obendrein  
 mit  Heu,  Gemüse  und  Butter  überladen  war,  sodass  für  
 die  Passagiere  nur  sehr  wenig  Raum  übrig  blieb.  Hierzu  
 kam  noch  fast  ununterbrochener  Regen  und  eine  sehr  
 starke Brise  aus Westsüdwest.  Trotzdem  aber  war  der  Kapitän  
 bei  sehr guter Laune und die Reisegesellschaft sass bis 
 tief in  die  Nacht  gemüthlich  in  der  Kajüte  beim  Punsch,  
 in  der  heitersten  Stimmung  rauchend  / und  plaudernd.  So merkten  wir  kaum,  wie  die  fresh  breeze  sich  allmählich  
 in  einen  heavy  gale  verwandelte,  welcher  schliesslich  
 in  einen  vollständigen  Sturm  ausartete.  Als  aber  das  
 Schwanken  des  Schiffs  immer unangenehmer wurde  und das  
 Wasser  von  oben  in  die Cabine  drang,  ja ein Theil der Ladung  
 von  den  gierigen  Wellen  über  Bord  gespült  wurde,  
 da  verfinsterte  sich  das  freundliche  Gesicht  des  Kapitäns.  
 Eben  klagte  er  uns  den Verlust,  als  auf einmal  ein  furchtbarer  
 Stoss,  begleitet  von  einem  Krachen,  das  uns  durch  
 Mark  und  Bein  fuhr,  das Schiff auf eine Seite warf,  sodass  
 das Verdeck  einen Augenblick  fast senkrecht  auf dem Meere  
 zu  stehen  schien.  Athemlos  stürzen  wir  hinauf.  Der Sturm  
 raste  schrecklich.  Wetteifernd  arbeiteten  die  beiden  ent-  
 i  fesselten  Elemente  an  der  Zerstörung  des  schwachen Fahrzeugs. 
   Wie  eine  gefällte Pinie  lag mitten entzwei gebrochen  
 der  Hauptmast  auf  der  einen  Seite  des  Schiffs  und  drohte  
 jeden  Augenblick  dasselbe  von  unterst  zu oberst  zu. kehren.  
 Ihn  zu  lösen  war  unser  erster  Gedanke.  « Cut the ropes!»  
 übertönte  die  Donnerstimme  des  Kapitäns  das Sturmgeheul  
 und  Wogengetöse.  Während  viele dem Befehle nachzukommen  
 damit  beschäftigt  waren,  das  Tauwerk,  durch  welches  -  
 ;  der  Mast  noch  festhing,  in  grösster  Eile  abzuschneiden,  
 warfen andere von der, Ladung soviel  wie möglich  über Bord, 
 :  um  das  Schiff zu  erleichtern.  Es  war  eine  sauere  Arbeit. 
 «  Stets  musste  man  fürchten  selbst  mit  über  Bord  geschleu-  
 |  dert  zu  werden,  so  warfen  uns  Wind  und  Wogen  hin  und  
 her  in  dunkler  Nacht.  Das  Schiff krachte  in  allen  Fugen, 
 I  es ächzte und stöhnte, wie wenn es mit dem Tode ränge, bald  
 I  aber  führten  die  Wellen  den  Mast  mit  allem,  was  an  ihm  
 Takelwerk,  Segel,  Mastkorb,  Raaen,  mit sich hinweg,  
 q  ^w ürdig,  als  ob  die Heubündel,  die  wir  dem zürnenden  
 eptun  geopfert,  seine  stürmenden  Rosse  besänftigten:'es