Bei der Versammlung deiner Kinder
Gnade lass mich finden. *)
IS ach 9 XJlir erst waren alle Anstalten getroffen , das in
kurzer Zeit uns lieb gewordene Melstaöir zu verlassen. Sera
Guömundur Vigfüsson und sein kleiner Sohn, wacker auf
einem muntern, ganz jungen Pferdchen beständig an der
Spitze unserer Karavane einhertrabend, begleiteten» uns.
Ersterer führte uns mit vielem Geschielt über die Miöfjar-
öarä durch Sümpfe in bewohnte Gegenden, letzterer brachte
uns bis nach Hnausar. Wir ritten nicht auf dem gewöhnlichen
Wege nach Viöidalstünga, sondern in gerader Linie
nach Lsekjamöt, wodurch ein nicht unbedeutendes Stück
Wegs abgeschnitten wird. Es überraschten uns auf diesem
Ritte die üppigen Wiesen, das stattliche Vieh, das in grösser
Anzahl auf ihnen weidete, und der freundlichere Anblick
der Gehöfte (beer). Landschaftliche Schönheiten boten sich
unserm Auge allerdings nicht dar, aber nach einem etwa
einstündigen Ritte erblickten wir zu unserer Linken einen
einzelnstehenden Berg, den Pörevjargnüpur, dessen südliche
Seite eine senkrechte nackte Felswand bildet; am Fusse
liegt Basaltgeröll und grosse Basaltblöcke aufgethürmt, so-
dass man ungefähr bis zur Mitte des Bergs emporklimmen
kann. Schon wollten wir der vorgerückten Tageszeit wegen
•*) Diese Inschrift, welche verschiedenen Runenkennern, denen
wir sie vorlegten, viel Kopfzerbrechens verursachte, wurde durch gütige
Vermittelung des Herrn Werner Hesse in Bonn von einem gelehrten
Isländer, Jon Sigurösson in Kopenhagen, entziffert. Derselbe berichtet
darüber, dass sie den «Passionspsalmen» des Hällgrimur Pjetursson entnommen
sei, welcher in Saurbce am Hvalfjaröarstrand Priester und
einer der ausgezeichnetsten Psalmen dichter Islands war (gest. 1674).
Die Verse stehen in seinen «Passionspsalmen», XVH, Vers 27 (Schluss-
vers). Die beiden mittelsten Wörter der letzten Zeile sind nicht ganz
richtig abgeschrieben, das Zeichen X (zweimal in der untersten Zeile)
ist Trennungszeichen zwischen zwei Wörtern. Die erste Ausgabe der
«Passionspsalmen» ist vom Jahre 1666.
vorüberreiten, da traf ein sonderbares Geschrei unser Ohr,
welches von dem Felsen herkam. Bald entdeckten wir in
dem Felsen einen weissen Flecken, und Ölafur versicherte
uns, dort sei ein Falkennest und das Geschrei rühre von jungen
Falken her. Seine Aussage bestätigte sich; denn als
einer der Schützen mit unsäglicher Mühe auf dem immer
dem Fusstritt nachgebenden Geröll endlich einen kleinen
Felsenvorsprung erklommen , auf dem man kaum Platz genug
hatte das Gewehr zu laden und der noch etwa 40 Schritte
von der weissen Stelle entfernt war, glotzten zwei junge im
Reste aufrechtstehende Edelfalken-mit ihren grossen Augen
verwundert den kühnen Eindringling an, der es wagte,
ihrem unerreichbaren Wohnsitze so nahe zu kommen. Einer
ward gleich getödtet und fiel aus dem Neste den einige
hundert Fuss tiefen Abgrund hinunter, dahin, wo die Pferde
standen; der Schuss hallte zwanzigfach in den umliegenden
Bergen wider; da kam, herangelockt durch das seltsame
Geräusch, die Falkenmutter hergeflogen, in einer Ungeheuern
Höhe in immer kleinern und niedrigem Kreisen das todte
Junge umschwebend; dann plötzlich nahte sie sich dem
Neste, um, wie es schien, die Gefahr von dem noch übrigen
einzigen Sprössling abzuwenden oder sich zu überzeugen,
dass er noch lebe. In demselben Augenblick jedoch ver-
liess sie es wieder, wahrscheinlich um den Gatten zu holen.
Ein Schuss ereilte sie aber auf ihrem von Angst beschleunigten
Fluge; auch das andere Junge ward gleich darauf
erlegt. So glückte es uns, innerhalb fünf Minuten drei
Edelfalken zu erbeuten, die mehrere der frühem Besucher
Islands nicht einmal gesehen hatten. Das alte Thier ist ein
wahres Prachtexemplar von nahe an 4 Fuss Flugweite, die
beiden Jungen konnten nicht wohl ausgestopft werden, weil sie
noch zu flaumig waren. Der weisse Fleck in dem Felsen, der
uns von weitem schon das Falkennest verrieth, rührte daher,
dass die dasselbe umgehende Felspartie mit den kalkreichen