Rhede von Thorshavn Anker. Das armselige Fischernest,
welches, in uralten Tagen gegründet, seinen Namen trägt
von dem mächtigen hammerbewehrten Donnergott der nordischen
Mythologie, liegt ziemlich geschützt vor den ewigen
Stürmen, die diese kahlen Felsklippen umbrausen. Mit
einem Boote des Dampfers fuhren wir an das Land, um
nach zwei langweiligen Tagen auf hoher See wieder einige
Zeit auf festem Boden zuzubringen; die als Strassen dienenden
abschüssigen Pfade, oft mit holperigen Basaltplatten
gepflastert, waren durch Regen so schlüpfrig geworden, dass
wir kaum einen Streifzug durch den Ort machen konnten.
Einige Freunde, die wir bei unserm ersten Aufenthalte
kennen gelernt hatten, suchten wir auf und in ihren wohnlichen
Räumen verplauderten wir ein paar Stünden in angenehmem
Beisammensein. In einem abgelegenen Gässchen
entdeckte der Scharfblick Kapitän Wilberham’s einen kleinen
Laden mit ausgestellten Conditorwaaren; die ganze
Reisegesellschaft des «Arcturus» trat ein und der arme Besitzer
hatte kaum Yorrath genug, die Wünsche der zahlreichen
Besucher zu befriedigen, denen das färöische Backwerk
doppelt anziehend erschien; im Nebenzimmer befand
sich ein 6 Fuss langes und 4 Fuss breites Billard, mit welchem
sich die dänischen Kaufleute und Beamten an den
langen Winterabenden die Zeit vertreiben.
Im Hafen lag die schöne Yacht «Gipsy queen» vor Anker.
Sie gehört zur Expedition des Kapitäns MacClintock,
welcher mit der Sondirung des Nordatlantischen Oceans beauftragt
ist, um die praktische Ausführbarkeit einer neuen
telegraphischen Verbindung zwischen England und Nordamerika
zu ermitteln. Das Kabel soll von der Nordküste
Schottlands nach Thorshavn (ungefähr 225 englische Meilen),
von da nach IngolshöfÖi oder Portland Point (an der
Südküste Islands, etwa 300 englische Meilen), sodann zu
Lande nach Reykjavik und über Grönland (etwa 600 englische
Meilen) nach Labrador (etwa 600 englische Meilen)
gelegt werden.
Nachmittags verfressen wir diese einsam im Ocean gelegene
armselige Inselgruppe. Als der Dampfer sich wieder
in Bewegung setzte, führte uns ein günstiger Wind rasch
nach Süden; die See ging hohl und die weissgekräuselten
Wellen, «wie dunkelgrüne Rosse mit silbernen Mähnen»,
sprangen hoch auf. Regenschauer verhüllten einige der
riesigen Felskolosse, welche sich mit steilen Wanden aus
der brandenden See zum Himmel emporrecken; rechts
erschien Sandöe und einige Augenblicke war auch, frei von
Nebelgewölk, der spitzkegelförmige Timonberg und das langgestreckte
Süderöe, die südlichste der Färöer, zu sehen;
dann waren sie alle dem Gesichtskreis entschwunden und
man erblickte nichts als die endlose Meeresfläche und bleigrauen
Himmel, an dem ein stürmischer Wind dichte Wolkenmassen
vorübertrieb.
Ungewöhnlich früh brach die Dämmerung ein ; der grosse
Kajütentisch vereinigte die ganze Reisegesellschaft, welche
in einzelne Gruppen vertheilt, sich mit Lesen, Schach- oder
Kartenspielen während des Abends erlustigte.
Die ganze Nacht hielt die günstige Brise an und früher
als wir vermutheten, schon am folgenden Vormittage gewahrten
wir am Saume des Horizonts den Felsen von
Fowl-Isle aus dem Meere auftauchen. Wie anders war das
Gewand, in welchem uns Himmel und See heute erschienen;
die sturmbewegten «spanischen» Wellen, welche uns gestern
Abend von einer Seite der engen Koje auf die andere geschleudert,
bis wir, müde des langen Schaukelspiels, in
Schlaf gesunken, hatten sich zu einer ruhigen, fast gläsernen
Fläche geebnet, auf welche die Sonne glänzend niederstrahlte;
die Luft war lau und linde; vor uns erhob sich,
immer grösser anschwellend, in scharfen Umrissen das bläulichgraue
, domförmige Bergeiland. Der weitgereiste Kapitän
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