VIH.
Von Dalsmynni nach. Melstaöir
über pofoddsstaöir und durch die Wildniss Holtavöröuheiöi.
Die Noröra, an deren rechtem Ufer wir nunmehr eine
ganze Tagereise lang hinaufritten, sie bis zu ihrer Quelle,
dem hochgelegenen Holtavöröuvatn verfolgend, ist, wie die
meisten Flüsse Islands, ein reissender Gebirgsstrom mit
theils milchweissem, theils ockergelbem Wasser. Eine Cascade,
die dieser Fluss nicht weit von seinem Ursprünge
bildet, ist durch den auf thonigem Böden geschmolzenen
Schnee vollständig braun gefärbt, wobei man lebhaft an
Kaffee erinnert wird. Die meist abschüssigen, bisweilen
sehr steilen Ufer der Noröra sind zum grössten Theil mit
Eis oder mit gefrorenem Schnee bedeckt. Eine solche Eisdecke
überbrückt oft den ganzen, allerdings nicht breiten
Strom, und will man hinüber, so ist man sich ihr anzuvertrauen
genöthigt, wobei unter den Füssen fortwährend das
donnerähnliche Brausen einen fast unheimlichen Eindruck
macht. Ueberhaupt ist die ganze von der Noröra in ihrem
obem Laufe durchströmte Gegend eine leblose schauerliche
Wildniss. Kahle Berge, zahllose grössere und kleinere Bergflüsse,
die rasches Reisen durch solche unwirthliche Länderstrecken
unmöglich machen, einzelne grössere Schneefelder,
die oft das Gewicht eines Menschen oder Pferdes nicht zu
tragen vermögen, daher durchbrochen und so den ermüdeten
Wanderer nöthigen, sie zu umgehen, endlich der fast
gänzliche Mangel an animalischem und vegetabilischem Leben
und eine Temperatur von 6—8° G.: das alles ist nie t
geeignet, die Reise angenehm zu machen. Der erste Theil
derselben war indess nicht so öde und wüste, da sahen wir
noch Menschen und grüne Wiesen, wie in dem schön gelegenen
Dalsmynni, welches wir um 7 Uhr morgens verliessen. Es
herrschte ein dichter Nebel, der die ganze Baula unsern
Blicken entzog und erst verschwand, als wir gegen Norden
ms wendend das kleine Gehöft Dyrastaöir erreichten, von
wo der Weg durch einen Sumpf nach dem nahegelegenen
Priesterhofe Hvammur1) führt. Hier bot man uns vortrefflichen
Kaffee an, aber das Loshämmern der vielen ausgezeichnet
schönen Stilbite und Mesotype aus den umgebenden
Mandelsteinfelsen liess uns keine Zeit ihn zu würdigen.
Wir bedauerten, in Hvammur den Pfarrer Sera Benedikt
Kristjansson, an den uns Herr Dr. Hjaltalin in Reykjavik
empfohlen hatte, nicht anzutreffen. Er war nach dem Nordlande
gereist. Das hielt uns indess nicht ah, seine Wohnung
zu besichtigen, welche zu den besten gehört, die wir
bisjetzt im Lande selbst betreten haben. Auch die Kirche
ist die schönste und grösste, die wir noch gesehen. Es ist
eine aöalMrltja (Hauptkirehe). Die sechseckige Kanzel ist
an der Seite angebracht und mit roher Malerei verziert,
üeber dem Altar hängt ein sehr schlechtes Bild, das Abendmahl
darstellend, und in einem kleinen Schranke entdeckten
wir eine Flasche Rothwein, einen zinnernen Teller und Kelch
nebst zwei Leuchtern; das war der Inhalt des Kirchleins,
dem selbst ein Taufbecken fehlte. Der Kirchhof ist höchst
dürftig. Grabsteine fanden wir auf allen isländischen Kirchhöfen,
die wir besuchten, nur ausnahmsweise. Hier dienten
Hvammur bedeutet ein kleines Thal.