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 dem  Meere  ragend,  hat  an  ihrem  südlichen  Ende  einen  
 natürlichen Tunnel,  sodass  man durch diese Insel hindurchsehen  
 kann,5  zur  Flutzeit  jedoch  verdeckt  das  Wasser  den  
 Tunnel,  der  gleichsam  das  Oehr  der  riesenhaften  Nadel  
 bildet,  mit  der  man  diese  Insel  (Nalsoe,  Nadelinsel)  treffend  
 verglich. 
 Dienstag,  den  12. Juni.  Vom  schönsten Wetter begleitet  
 verstrich  der  heutige  Tag  recht  angenehm.  Wind  günstig,  
 blauer Himmel, warmer Sonnenschein;  acht bis neun Knoten  
 die Stunde;  aber  nichts zu  sehen  als  das Meer,  in dem man  
 in  der  Ferne  einige  Delphine  und  Braunfische  sich  tummeln  
 sieht,  welche  an dem durch  die Spritzlöcher hoch ausgeworfenen  
 Wasser  zu  erkennen  sind. 
 Am  13.  Juni,  als  wir  alle  beim  Frühstück  sassen,  ertönte  
 auf  einmal  die  tiefe  Bassstimme  des  Midshipman  in  
 die  Kajüte:  «Island  in  Sicht!»  Alles  eilte  aufs  Verdeck.  
 Wir  sahen  jedoch  nur  fern  im  Westen  den  schneeweissen  
 Gipfel  des  Öraefajökullx)  aus  dem  Meere  auftauchen  und  
 später  in  undeutlichen  Umrissen  auch  das  Eishaupt  des  
 Myrdalsjökull  über  den  Wolken  am  Saume  des  Horizonts.  
 Erst nachmittags,  als wir in die Nähe  der Westmännerinseln  
 (Vestmannaeyjar) kamen,  konnten die schöngeformten Berge  
 überschaut  werden.  Die  Luft  war erstaunlich klar und  von  
 Nebel  keine Spur,  sodass  auch die entferntesten Bergspitzen  
 scharf gegen  den  blauen  Himmel  abgegrenzt  wurden.  Wie  
 ein  Panorama  entfaltete  sich  da  die  Südküste  Islands  un-  
 serm  Auge.  Je  weiter  wir nach Westen fuhren,  desto mehr  
 Berge  erschienen,  einer  nach  dem  ändern  hervorkommend.  
 Der  östlichste,  den  wir  zuerst  sahen,  ist  der  höchste  Berg  
 Islands,  der Örsefajökull,  6241 Fuss  hoch,  ganz  mit Schnee  
 bedeckt;  dann  trat  der  Myrdalsjökull  hervor,  ebenfalls  im 
 (]  Örcefi  heisst  Einöde, jökull  Gletscherberg. 
 winterlichen  Kleide;  hinter  ihm  stach  der  dreihörnige  Pri-  
 hyrningur  (Dreihorn),  2387  Fuss  hoch,  der  ganz  schwarz  
 war,  gewaltig  ab,  während  westlich  vom  Myrdalur  der  
 schreckliche  Vulkan  Eyjafjallajökull  (Inselberg,  wegen  der  
 nahen Westmännerinseln so genannt) seinen doppelten Gipfel  
 erhebt.  Er  entzieht  dem  Blicke  zum  Theil  den  weissen  
 Hekla  oder  Heklufjall  (Mantelberg),  welcher  heute  ausnahmsweise  
 ganz  klar  war.  Gewöhnlich  ist  sein  Gipfel  in  
 dichte  Wolken  gehüllt,  die  ihm  auch  zweifelsohne  seinen  
 Namen  gaben,  denn  hekla  bedeutet  ein  kurzes  Obergewand, 
   einen  Mantel,  dem  y\6.]xx)Q  der  Griechen  entsprechend, 
   oder  auch  eine  Haube  oder  Kappe. 
 Im Hintergründe war der mit Schnee bedeckte Tindfjalla-  
 jökull (Zahnberg, wegen des zahnförmigen Gipfels) zu sehen;  
 einen Augenblick auch ragte der spitze Torfajökull in der Ferne  
 empor, so genannt von einem Manne Torfa, welcher seine entführte  
 Geliebte in den Armen auf der Flucht vor ihrem Bruder  
 über  eine  tiefe  und breite Kluft  am Fusse  des Eisbergs  hinübersprang. 
  J)  All diese Berge gewährten einen ausnehmend  
 schönen  Anblick.  Auffallend  war  es  nur,  dass  der Schnee,  
 namentlich  auf  dem Myrdalsjökull,  nicht  überall  gleich  tief  
 lag,  und  gerade  in  den  höhern  Strichen  waren  mehrere  
 Stellen  ganz  schneefrei.  Ohne Zweifel  rührte dies  von  dem  
 Aschenregen  des  vom  8.  bis  28.  Mai  1860  thätigen  Katla  
 her.  (Eine ausführliche Beschreibung dieser letzten Eruption  
 des  schrecklichsten  aller  isländischen  Vulkane,  wenn  man  
 dem  Skaptärjökull  nicht  den Vorrang  einräumt,  sowie  eine  
 vollständige  Aufzählung  seiner  Ausbrüche  seit  dem  Jahre  
 894  n.  Chr.  findet man  im  Anhang.) 
 Einige  Stunden  nachdem  wir  das  südlichste  Vorgebirge  1  
 Islands Dyrhölaey oder Portland-Point passirt,  erreichten wir  
 die  Vestmannaeyjar,  so  genannt,  weil  sie  zuerst  (875)  von 
 *)  Ölafsson  og  Pälsson,  JReise  igjennem  Island,  §.  773.