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Ebenso wenig gibt es in Island einen Scharfrichter. Niemand
hat sich auf der ganzen Insel dazu hergeben wollen,
und sollte wirklich einmal der unerhörte Fall ein-
treten, dass einer zum Tode verurtheilt würde, so muss
der Schuldige auf Staatskosten nach Kopenhagen reisen,
wo es Menschen gibt, die ändern für Geld die Köpfe ab-
schlagen.
Doch kommen wir auf das Gebäude zurück. Es ist von
Ziegelsteinen aufgeführt, die von Dänemark dorthin gebracht
worden sind, und hat einen sehr langen Ausbau.
Der Usurpator Jörgensen hat es weissen lassen, sodass es
vor den ändern, meist schwarz betheerten Häusern leicht
kenntlich ist.
Das Innere des Hauptgebäudes besteht aus vier Zimmern,
einem Empfangzimmer, Wohnzimmer, dem Comptoir
und der Küche; die Schlafstuben sind im Ausbau, der sich
nach hinten erstreckt und das einzige ist, was noch an
das Gefängniss erinnert. Vor dem Hause liegt ein kleiner
Garten , aus zwei Grasflächen und einigen Gemüsebeeten bestehend.
Ein Yogelbeerbaum ( Sorbus aucuparia, isländisch
reynir) von 3—4 Zoll Durchmesser am Fusse und 12 14
Fuss Höhe ist das einzige baumartige Gewächs im westlichen
Island. Die Engelwurz (Archangelica ofßcinulisj,
von Amerika hierher verpflanzt, gedeiht sehr wohl, und es
unterliegt keinem Zweifel, dass weit mehr Gemüsearten und
Küchengewächse, als hier angebaut werden, in Island fort-
kommen würden. Aber bei allen Versuchen, welche in Island
gemacht worden sind, Getreide *) anzubauen, hat der
Ertrag niemals die Kosten gedeckt. Dieser Umstand einerseits,
andererseits der dem isländischen Volke innewohnende
J) Sämmtliche Versuche, namentlich auf ViÖey, Äkurey und an
ändern Orten, findet man genau beschrieben in Eggert Ölafsson und
Bjarni Pälsson, firne igjennem Island, §. 720, 813, 876—883.
Hass gegen alles Neue ist es hauptsächlich, was den Ackerbau
auf Island, der vor mehreren Jahrhunderten geblüht
hat, vorläufig wenigstens unmöglich macht.
Allerdings — und damit gehen wir zu den Bewohnern
Reykjaviks über — ist die Abneigung der Isländer gegen
Neues nicht ganz unbegründet; man hat z. B. in Island die
Schafe durch Einf ührung spanischer Merinos veredeln wollen;
es brach infolge dessen eine schreckliche Viehseuche
aus, welche fast die Hälfte aller Schafe in Island hinraffte;
map hat Renthiere in Island eingeführt, sie nützen den
Einwohnern nicht im mindesten, im Gegentheil, sie fressen
die schönen Moose weg; ferner hat man an einigen Küstenplätzen
den Fischfang durch geeignetere Apparate zu verbessern
gesucht, aber darauf blieben die Fische aus; es
wurden, um noch ein Beispiel anzuführen, dänische Bauern
mit allerlei Geräthen hergeschickt, um in Island den Acker
zu bestellen; sie säeten, aber ernteten nicht und zogen unverrichteter
Dinge wieder heim. Daraus erklärt sich einiger-
massen der Widerwille, den die meisten Isländer gegen
Einführung von Neuerungen empfinden. So gibt es in Island
keine Dampfmaschine, keinen Telegraphen (siehe Abschnitt
XVIII), keine Kanone, kein Theater, keine Gasbeleuchtung
und sehr vieles andere nicht, was man bei Völkern
findet, die bei weitem auf keiner so hohen Stufe geistiger
Entwickelung stehen.
Alle Kinder über acht Jahre in Island können lesen und
schreiben, und unter den Bauern findet man nicht selten
solche, die eine sehr schöne Handschrift besitzen. Auch
geographische und historische Kenntnisse sind sehr allgemein
verbreitet, namentlich die Geschichte, die Literatur
und die Sagen des eigenen Landes kennt fast jeder überraschend
genau. Der Dichtkunst befleissigen sich auffallend
viele, und philologische Studien scheinen die Isländer mit
besonderer Vorliebe zu treiben. Weniger cultivirt werden