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 Thurm  auf dem Calton-Hill dient den edinburgher Bürgern  
 und  den Seefahrern in Leith,  Granton,  Portobello  und  
 ändern Orten  zur Regulirung  ihrer Uhren  und Chronometer,  
 indem  eine  auf seiner  höchsten Spitze angebrachte,  weithin  
 sichtbare Kugel,  die sogenannte  time-ball,  durch  ihr Herabfallen  
 genau  um  1  Uhr  jeden  Tag  die  richtige  Zeit  angibt.  
 Sie  steht  nämlich  mit  dem  Observatorium  zu  Greenwich  in  
 directer  telegraphischer  Verbindung.  Das  edinburgher Observatorium, 
   wenige  Schritte  vom Monumente  Nelson’s  entfernt, 
   ist  ein  kleines  unscheinbares  Gebäude. 
 Desto  imposanter  nehmen  sich  zwei  Säulenreihen  auf  
 dem  Calton-Hill  selbst  aus,  ein  unvollendeter  griechischer  
 Tempel,  der  aus Mangel  an Mitteln  nicht  ausgebaut wurde. 
 Als  wir  gegen Abend  langsam durch die hellerleuchteten  
 Strassen  schlendernd  unsern Gasthof aufsuchten,  hatten wir  
 Gelegenheit,  etwas ganz Absonderliches mit anzuhören.  Ein  
 ziemlich  bejahrter Mann mit schneeweissen Haaren  und  von  
 ehrwürdigem Aussehen hielt barhaupt mitten auf der Strasse  
 eine  Rede  über  das Christenthum  und  christliche Liebe und  
 zwar  mit  einer  Begeisterung,  wie  man  sie  bei  Engländern  
 nur  äusserst  selten  findet.  Der  Mann  besass  eine  hinreissende  
 Beredsamkeit  und  rührte  viele  zu  Thränen.  Eben  
 sprach  er  von  dem  Ueberhandnehmen  des  Atheismus  in  
 England  und Schottland,  da  kam  ein Polizeidiener und verwies  
 ihm  das  Reden,  denn  in dem  freien Schottland  ist das  
 Predigen  auf  offener  Strasse  verboten. 
 So  schön  die  Neustadt  Edinburgh  ist,  so  widerwärtig  
 hässlich ist die Altstadt.  Schwarze, zwölf- bis vierzehnstöckige  
 alte  Häuser  mit  kleinen  unregelmässigen  Fenstern  bilden 
 Edinburgh  (vielleicht  von Odin  abzuleiten)  wird  in Schottland  
 und  England  Edinbro  ausgesprochen  und  im  geschäftlichen  Verkehr  
 auch  meist  so  oder  noch  kürzer  Edin*  geschrieben. 
 enge  schmuzige  Strassen,  in  denen  das Laster  und  die Gemeinheit  
 wuchert.  Wenden  wir  uns daher lieber wieder der  
 prachtvollen Prince’s-Street  zu,  der  schönsten Strasse Edinburghs, 
   in  der  alle Häuser palastgleich  aus grossen Quadersteinen  
 erbaut  sind-  Es  ist  Abend.  t  Eben  entströmt  das  
 Volk dem Theater,  wo Charles Mathews dasselbe durch seine  
 unerschöpfliche Komik ergötzte.  Die Strassen  sind  sehr  belebt  
 ;  am  meisten  fallen  die sogenannten Riflemen  auf,  freiwillige  
 Soldaten,  jeder  einzelne  der  personificirte  Nationalstolz, 
   jeder  einzelne  beseelt  von  der  glühendsten  Vaterlandshebe  
 und,  wenigstens damals,  zu  jeder Heldenthat  bereit. 
   Man  sieht  sie  in  grösser  Anzahl  zu  jeder  Tageszeit  
 in verschiedenen Uniformen einherstolziren.  Auch der  schottischen  
 Grenadiere  in  ihrer  eigenthümlichen  malerischen  
 Hochländertracht  mit  unbekleideten  Knien  und  schweren  
 Bärenmützen  sieht  man  viele.  Auf  der  grossen  Ebene  am  
 Holyrood-Palast  stellen  sie  täglich  Schiessübungen  an. 
 Ein  interessantes militärisches Schauspiel  hatten  wir auf  
 der  Rückreise  zu  sehen Gelegenheit,  wie  nämlich Lady Havelock  
 die  indische  Medaille  an  das  92.  Regiment  vertheilte, 
   welches  dreimal  in, Indien  gewesen  ist  und  bei  der  
 Erstürmung  von  Lucknow  sich  besonders  hervorthat.  Es  
 war  ein  erhebender  Anblick,  wie  die  bärtigen,  stattlichen  
 Krieger  das  Ehrenzeichen  aus  zarter Frauenhand  erhielten. 
 Die  vier  bis  fünf  Tage,  die  wir  in  Edinburgh  zubrachten, 
   bleiben  eine  angenehme  Erinnerung.  Die  Schönheit  
 der  Stadt  selbst,  die  auffallende  Schönheit  ihrer  Bewohnerinnen, 
   vor  allem  das  freundliche  Entgegenkommen  der  
 Herren  Schmitz,  Rector  der  Hochschule  (high-school),  Robert  
 Mackay  Smith,  Präsident  der  Handelskammer,  Robert  
 Chambers,  Alexander  Rose  u. a.,  an  die  wir  empfohlen waren, 
   und  die  uns  wiederum  Empfehlungsbriefe  nach  Island  
 gaben,  haben die angenehmsten Eindrücke hinterlassen,  und  
 fast  bedauerten  wir  dieses  Paradies  des  Nordens  zu  ver