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 es  uns,  ihn  wieder  sein  Pferd  besteigen  zu  sehen.  
 Seine  eiserne Gesundheit  besiegte  das Uebel:  einen  äusserst  
 heftigen  Fieberanfall  typhöser Natur.  Wir  nahmen für den  
 Anfang  des Wegs einen  besondern Führer  mit,  um  uns eine  
 Furt  durch  einen  reissenden  Nebenfluss  der  Noröurä  zu  
 zeigen.  Um  8  Uhr  brachen  wir  nach  Steinstaöir  auf,  wohin  
 wir  von Dr. Hjaltalin  durch einen Brief an den Althing-  
 mann  (aljnngismaöur)  Stephan  Jönsson  empfohlen  waren.  
 Der  Weg  führte  zuerst  an  der  Noröurä  aufwärts  bis  nahe  
 an  ihre  Quelle,  dann  über  ein  hochgelegenes  Bergplateau,  
 Öxnadalsheiöi, die Wasserscheide der Noröurä und Öxnadalsä,  
 in  deren  Thale  wir  im  Laufe  des Nachmittags  abwärts  ritten, 
   eine  an  Abwechselung  und  landschaftlicher  Schönheit  
 reiche  Tour.  An  den  Thalgehängen  sah  man,  soweit  das  
 Auge reichte, die Basaltlager horizontal fortlaufen,  bisweilen  
 durch  eine  tiefeingeschnittene Spalte unterbrochen,  in deren  
 Grunde  ein  wildes  Bergwasser  dem  Hauptthale  zueilte;  oft  
 erschienen  in  der  Ferne  viele  weisse  senkrechte Striche  auf  
 den  kahlen  dunkelschwarzen  Felsenwänden,  welche  sich  in  
 der  Nähe  als  schäumende  Wasserfälle  erwiesen;  sie  sind  
 überhaupt  im  Nordlande  sehr  zahlreich  und  mitunter  von  
 wunderbarer  Schönheit.  Ueberall  weidete  Vieh  in  grösser  
 Menge  auf den Wiesen  am Ufer  des Flusses;  aber  erst nach  
 vier  Stunden  bekamen  wir  eine  menschliche Wohnung  zu  
 sehen.  Nur  wenige  Vögel  erblickten  wir,-  Schneeammern  
 und  Raben,  welch  letztere  oft  in  Gruppen  von  sechs  bis  
 zehn  beisammen  sassen.  Auf  dem  Festlande  von  Europa  
 ist  dieser Vogel keineswegs häufig  und dabei einsiedlerischer  
 Natur, in Island aber muss man ihn zu den gemeinsten Landvögeln  
 zählen,  indem auf der Reise kaum ein Tag vergangen  
 ist,  an  dem  wir  nicht  mehrere gesehen hätten,  ja  bisweilen  
 bemerkten  wir  ganze Scharen  davon,  auf  den  fetten Wiesen  
 nach Würmern (Lumbricus terrestris, isländisch anamadkur) 
 suchend.  Der  Rabe  hält  sich  überall  auf,  scheint  jedoch  
 lieber  in  der  Nähe  menschlicher Wohnungen,  als  in  ganz  
 unbewohnten Wildnissen seiner nichts verschmähenden Fressbegierde  
 Genüge  zu  thun.  Er  ist  in  der  That  ein  Allesfresser. 
   Was  nur  irgendwie  in  seinen  Schnabel  geht,  wird  
 auch  in  den  alles  verdauenden  Magen  gewürgt:  Beeren  
 (namentlich  Empetrum  nigrum,  isländisch  hrdkaber,  Krähenbeere), 
  Insekten, Würmer, Fische, Vogeleier, junge Vögel,  
 Aas,  sogar Mist;  er hat  vieles  von  der Raubvogelnatur und  
 soll auf Schneehühner, Regenpfeifer und andere kleinere Vögel  
 ganz  wie  der  Falke  stossen.  Den Isländern  ist  er  sehr verhasst, 
   weil  er,  wie  sie  sagen,  auch  junge Lämmer angreift;  
 ja  man  erzählte  uns,  er  lauere  den Moment  des  Gebärens  
 bei  den  Schafen  ab  und  falle  gleich  über  das  junge  Thier  
 her,  um  es fortzuschleppen oder in Gemeinschaft mit  seinesgleichen  
 an  Ort  und  Stelle  zu  verzehren.  Oft  sahen  wir  
 in Wiesen Stangen  aufgepflanzt,  an  denen  einige  todte Rahen  
 hingen,  um als abschreckendes Memento mori die lebenden  
 fern zu halten.  Die Freude  eines  Bauern,  als es einem  
 von  uns  glückte  an  der  Djorsä  aus  dem  Hinterhalt  zwei  
 grosse  Raben  auf  einen  Schuss  zu  tödten,  war  unmässig;  
 er  wollte  uns  gleich,  isländischer  Sitte  gemäss,  umarmen  
 und  küssen.  Es  ist  eben  nicht  ganz  leicht,  selbst  da,  wo  
 er  häufig  ist,  einen  Raben  zu  schiessen,  denn  seine  Augen  
 stehen  denen  des  Adlers  und  Falken  an  Schärfe  nicht  
 nach,  und  er ist  vielleicht  der  mistrauischste,  vorsichtigste  
 Vogel,  den  es  gibt.  Um  so  auffallender  ist  seine  grosse  
 Dreistigkeit  und  Kühnheit,  wenn  er  sich  ganz  in  die  Nähe  
 bewohnter  Häuser  wagt,  um  von  dem  Abfall  der  Küche,  
 der  freilich  in  Island  nicht  besonders  gross  ist,  möglichst  
 viel  zu  erhaschen;  aber Hunger  zwingt ihn,  namentlich  zur  
 Winterzeit,  dazu, oft mit Hintansetzung aller Vorsichtsmass-  
 regeln  sein Leben  um eines Fisches,  eines Aases  willen  aufs  
 Spiel  zu  setzen,  wobei  er  nicht  selten  seine  Verwegenheit