Nordrande dieses Sees entlang über eine nahe bei der Kirche
über den Bach angebrachte Brücke — eine grosse Seltenheit in
Island. Erheisst deshalb auch Kirkjabrü, d. i. Kirchbrücken-
weg. Auch die aridem «Strassen» Reykjaviks führen Namen,
z.B. aöalstraeti (Hauptstrasse), wiewohl sie den Namen einer
Strasse nicht verdienen. Die Kirkjabrü z. B. besteht nur
aus einem einzigen Hause, der Apotheke; die am Strande
entlang laufende Strasse hat nur an einer Seite Wohngebäude,
an der ändern zwei bis drei Lagerhäuser. Die
Ecken des Quadrats sind im Nordosten das Haus des Stifts-
amtmanns, im Nordwesten die Agentur des «Arcturus», im
Südosten die Kirche, im Südwesten das ehemalige Wirths-
haus. Uebrigens liegt ein grösser Theil der zu Reykjavik
gehörenden Häuser ausserhalb dieses Quadrats auf den beiden
Hügeln, die vorwiegend von Fischern bewohnt sind. In
der Südwestecke ist ein grösser mit Gras bewachsener
Platz, wo an bestimmten Tagen der Markt abgehalten wird. j§
Nachdem wir so einen allgemeinen Ueberblick über die
Lage, das Klima, die Bauart von Reykjavik zu geben versucht,
wollen wir noch einige der interessantesten Gebäude
kurz schildern, um dann zu den Bewohnern überzugehen.
Die Kirche ist das grösste Gebäude der Stadt und trotz
der etwas plumpen Architektur auch das schönste Islands.
In ihr finden 3 400 Personen Platz. Das Innere ist durchaus
einfach, dem einfachen Norden angemessen. Wenn
schon in allen Ländern, wo strenger Protestantismus Volks-
) Nach einer Bekanntmachung des Stiftsamtmanns Rosenörn
vom 20. Februar 1849 sollen in Reykjavik jährlich zwei Märkte gehalten
werden, einer im Frühjahre, einer im Herbste. Ersterer beginnt
am zweiten Dienstage im Mai und dauert drei Tage, letzterer
fängt am letzten Montage im September an und dauert ununterbrochen
sechs Tage. Die Verkaufsgegenstände sind Pferde, Schafe,
Hornvieh und allerlei Woll- und Handarbeit, namentlich wollene
Strümpfe und Handschuhe.
bekenntniss ist, die Kirchen mehr oder weniger durch ihre
nüchterne Einfachheit ausgezeichnet sind, so erreicht diese
doch in Island ihren Gipfelpunkt, wo der Gottesdienst im
Aeussern auf das Allernothwendigste beschränkt ist, ja dessen
mitunter sogar entbehrt. In dem «Dom» zu Reykjavik befindet
sich nichts, was auch nur im entferntesten zum
Schmuck der Kirche beizutragen vermöchte, wenn man
allenfalls ein über dem Altäre hängendes Gemälde ausnimmt.
Einige Schritte von der Kirche entfernt liegt das Schulgebäude,
die Gelehrtenschule (leer8a sleöla)., welcher ein
Rector, augenblicklich der sprachkundige Bjarni Johnsen, vorsteht
und an der zehn Lehrer wöchentlich 169 Stunden geben.
Die Unterrichtsfächer sind: griechisch, lateinisch, französisch,
deutsch, Mathematik, Physik, Botanik, Religion, Geschichte,
Geographie, Gesang, Gymnastik, also im allgemeinen dieselben
wie an preussischen Gymnasien, nur dass dänisch
und isländisch hinzukommt und. englisch auf Verlangen der
Schüler. Die Zahl dieser letztem betrug in dem Schuljahre
1858—59 39, was im Verhältniss zur Bevölkerung Q des
ganzen Landes ungemein wenig ist, indem von 10000 Einwohnern
nur 5— 6 die Schule besuchen. Die Zahl ist deshalb
so gering, weil die meisten Isländer nicht bemittelt genug
sind, um ihre Söhne «studiren» zu lassen, ausserdem aber
auch viele es scheuen, ihre hoffnungsvollen Sprösslinge nach
Reykjavik zu schicken, wo der Fremdenverkehr, wenn er
auch nicht gross ist, sich nicht dazu eignet, einen wohl-
thätigen Einfluss auf die reinen Gemüther junger Isländer
auszuüben. Sie ziehen es vor, diese entweder selbst zu erziehen
und zu unterrichten oder mit Hülfe des nächsten
J) Die Einwohnerzahl Reykjaviks beläuft sich auf 1400—1600, die
Islands betrug im Jahre 1858: 67847, 1857: 66929; macht einen
jährlichen Ueberschuss von 918, d. i. 1,3 Procent.