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 Wngvellir,  nämlich,  wie  erwähnt,  durch  unzählige  Spalten  
 und Einsenkungen zerrissen;  auch  ausserhalb, des Sees  sind  
 die  Erdklüfte  grösstentheils  mit  Wasser  angefüllt.  Dieses  
 Wasser  ist  ausnehmend  klar,  kalt  und  völlig  geschmacklos  
 und  erquickte  in  der  guten  alten Zeit  die  beim Aljnng  versammelten  
 Staatsmänner  und  Richter,  wie  heute  noch  der  
 ermüdete  Wandersmann  sich  daran  labt. 
 Zwei Inseln  liegen  im  südlichen Theile des Sees:  Sandey  
 (Sandinsel)  und  Nesey  (in  der  Nähe  einer  Halbinsel,  nes,  
 gelegen),  die  mit  den  umgebenden  eisigen Bergen  und  dem  
 malerischen  Wirrwarr  der  Lava  dem  Pingvallavatn  jenen  
 Reiz verleihen,  der uns  fast zwängt,  immer wieder aufs neue  
 ihn  anzusehen  und  den  schönen  glatten  Wasserspiegel  mit  
 seiner  wildromantischen  Umgebung  zu  bewundern.  Er  hat  
 etw7as  von  dem Zauber,  der  sonst nur den Seen der Schweiz  
 eigen,  und  gerade der Mangel an Pflanzen,  die  völlige Leblosigkeit, 
   gewissermassen  die  Melancholie  des  Bildes  ist  es,  
 welche  alle,  die  diesen  merkwürdigen See  gesehen,  zur Bewunderung  
 hinriss.  In  Italien  macht  der  Lago  di  Bolsena  
 einen  ähnlichen Eindruck,  aber  in  viel  kleinerm Massstabe,  
 dagegen  gibt es in Griechenland, nach Gemälden wenigstens,  
 die  wir  von  dort  gesehen,  ganz  dieselben Landschaften  wie  
 man  sie  so  häufig  in  Island  findet:  vegetationsleere,  leblose, 
   wäld  zerrissene  Gebirgsgegenden,  durch  die  ein tosender  
 Strom  mit  Gewalt  sich  Bahn  bricht  oder —  die  einen  
 ruhigen  See  umschliessen. 
 Wenn  schon kingvellir  und seine Umgebung; dem Künstler  
 wie  dem  Geologen  überreichen  Stoff  zum  Nachdenken  
 gibt,  so  ist  es dem Historiker zum wenigsten ebenso interessant. 
   Gegen  das  Jahr  927  wurde  der  erste  Alling  abgehalten. 
   In  diesem  Jahre  nämlich  wählte  das  Volk  den  ersten  
 Lögsögumaöur  Namens  Ulfljötur  zur  Schlichtung  der  
 vielen  Zwistigkeiten  und  stets  sich  mehrenden  Grenzstreitigkeiten  
 der Colonisten,  die  von  da  an  zum hohen Aerger-  
 niss  der  Könige  von  Norwegen  eine  eigene  Republik  bildeten. 
   Aber erst im Jahre 1118,  als  das berühmte Gesetzbuch  
 Grägäs  (eigentlich  Gans,  weil  das  Buch  in  Gänsehaut  eingebunden  
 war)  allgemeine  Geltung  erhielt,  war  diese  Republik  
 vollständig  constituirt.  Die Handhabung  der Gesetze  
 hatte nun,  gemäss  dem  Grägäs,  und seit  1271  auch  gemäss  
 dem  sogenannten  Jönsbök,  der  Lögsögumaöur  (eigentlich  
 der  Recht  sprechende  Mann,  seit  1271  blos  LögmaÖur,  
 Gesetzesmann)  zu überwachen.  Auch wurden ihm am 8. Juli  
 jedes  Jahres  die  schwierigen  und  verwickelten  Rechtsfälle  
 auf  dem  Alling  vorgetragen,  damit  er  eine  Entscheidung  
 treffe, während alle Bagatellprocesse untergeordneten Rechtsbeamten  
 überlassen  blieben.  Doch  es  liegt  dem  Zwecke  
 dieser  Schrift  zu  fern,  die  Geschichte  des  Alling  und  untrennbar  
 von  dieser  die  Islands  zu  erzählen,  besuchen  wir  
 die  Stätte,  wo  neun Jahrhunderte  lang  ununterbrochen  das  
 berühmte  Gericht  sich  versammelte. 
 Ein  kleiner  Hügel  erhebt  sich  im  nordwestlichen  Theile  
 des  t*ingvallasveit,  der  wie  durch  ein  Spiel  der  Natur,  obwohl  
 fast  ganz umringt von schrecklichen Abgründen,  selbst  
 doch frei  blieb  von  der Zerstörung.  Der Abgrund  im Osten  
 dieses Hügels heisst Flosagjä,  d. i.  die Kluft  des Flosi,  welcher  
 ein  Verbrecher  war  und  hier  im  Jahre  1012  verur-  
 theilt  werden  sollte.  Aber  durch  einen  Ungeheuern Sprung  
 über  die  Erdspalte  rettete  er  sein Leben.  Die Stelle  heisst  
 daher  Flosahlaup,  d. i.  Flosisprung  (ähnlich  in der Schweiz  
 Pfaffensprung,  im  Harz  Mägdesprung).  Auf  der  Westseite  
 des  Hügels  liegt  die  Nikuläsargjä,  d.  i.  Nikolaskluft,  weil  
 der  Sysselmann  Nikuläs  Magnüsson  sich  aus  Furcht  vor  
 dem  unglücklichen Ausgange  eines Processes,  in den er verwickelt  
 war,  in  dieselbe  hineinstürzte. x) 
 x)  Nach  Maurer,  a.  a.  0.,  S.  220,  227.