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 die  unebene  Lava,  auf  die  glühend  heiss  die  Sonne  vom  
 wolkenlosen  Himmel  brannte,  erblickten  wir  vor  uns  die  
 herrliche  Wasserfläche  des  Uingvallavatn,  dessen  Anblick  
 uns  neue  Kräfte  gab  und  uns  die  Pferde  aufs  neue  antreiben  
 hiess.  Plötzlich  aber  sahen  wir  uns  im  eiligen  Laufe  
 gehemmt,  und  zwar gehemmt  durch  ein,  wie es schien,  unüberwindliches  
 Hinderniss.  Vor  uns  that  sich  auf  die  gewaltige  
 Almannagjä,  eine  der  wunderbarsten  Naturerscheinungen  
 der Welt. 
 Wenn  wir  es  versuchen,  ein  Bild  von  der  grausigen  
 Kluft  zu  entwerfen,  so  geschieht  das  im  sichern Vorgefühl,  
 auch  hier  wie  so  oft  nur  mangelhaft  mit  Worten  malen  
 zu  können,  denn  die  Almannagjä  gehört  zu  den  Dingen,  
 welche  man  sehen  muss,  um  daran  zu  glauben.  Sie  ist  
 so  ungeheuer,  so  kolossal,  dass  man  sie  nur  in  kleinerm  
 Massstabe sich vorzustellen vermag,  und sie jedesmal,  wenn  
 wir  sie  Wiedersehen,  uns  grösser  und  imposanter  erscheint  
 als  das  Bild,  das  sie  in  unserm  Geiste  zurückliess. 
 Es ist in der That nicht übertrieben,  wenn Lord Dufferin  
 behauptet,  es  sei  der  Mühe  werth,  um  die  Erde  zu  reisen,  
 nur  um  die  Almannagjä  zu  sehen. x) 
 Die  Ebene  von  bingvalla,  Uingvallasveit  genannt,  ist  
 eine  Einsenkung  voller  Risse  und  Spalten,  die  einander  
 sämmtlich  parallel  laufen  und  wie  die meisten vulkanischen  
 Spaltensysteme  und  Krater  in  Island  nach  Nordnordosten 
 ’)  Pie  Ableitung  des  Wortes  Almannagjä  ist  unzweifelhaft  folgende: 
   manna,  Genitiv  plur.  von  madur,  Mann;  al  bezeichnet  die  
 \  ielheit,  Allheit  (wie  in  alping,  alverkja) ,  und  gjä  »ine  Erdspalte,  
 Kluft,  also  Almannagjä =   aller Männer  Kluft,  Allerweltskluft,  weil  
 ehedem  zur  Zeit  der  isländischen  Republik  und  später  (im  ganzen  
 von  927—1800)  daselbst  der  alping,  das  Allgericht jährlich  abgehalten  
 und  von  Isländern  aus  allen Theilen  der Insel  sehr  stark  besucht  
 wurde.  Aehnlich  AlmannaskarÖ  im  Ostlande. 
 streichen.  Von  diesen  Erdrissen  sind  zwei  ganz  besonders  
 hervorzuheben,  der  westlichste,  der  Almannagjä,  und  der  
 östlichste,  die  Hrafnagjä  (Rabenkluft),  beide  ausgezeichnet  
 durch  ihre  ungeheuere  Ausdehnung. 
 Die  Almannagjä  erstreckt  sich  eine  geographische Meile 
 lang  vom  Nordwestufer  des  f’ingvallavatn  in  einer  ge- * raden  ununterbrochenen  Linie  bis  zu  dem  Armannsfell. x)  
 Auf beiden  Seiten  wird  sie  eingeschlossen  von  senkrechten  
 riesigen Lavafelswänden,  die  etwa 50—70 Fuss  voneinander  
 entfernt, in ihrem ganzen Verlauf sich ziemlich parallel bleiben.  
 Ihre Höhe wechselt.  Die westliche Wand ist mitunter mehr als  
 doppelt  so  hoch als die östliche, indem sie an einigen Stellen  
 weit  über  100,  an  ändern  nur  30—t40  Fuss  sich  erhebt. 
 Seltsame Lavagebilde, Zacken, überhängende Vorsprünge,  
 Zinnen,  Pyramiden,  Fenster,  wie  künstliches  Werk  von  
 Menschenhänden überraschen das von unten hinaufschauende  
 Auge,  während  oben  nichts  in  dem  grossen  Lavafelde  die  
 Nähe  des  grässlichen  Abgrundes  verräth,  bis  man  sich  
 plötzlich  am Rande  desselben  befindet.  Die  östliche Wand,  
 an  ihrer  Innenseite  (der  westlichen)  nur  stellenweise  loth-  
 recht,  dacht  sich  ziemlich  steil  auf ihrer  Aussenseite  (der  
 östlichen)  in  die  Ebene  von  ringvellir  ab  und  bildet  
 zum  Theil  das  rechte  Ufer  des  Flusses  Öxarä  (Beilfluss).  
 Dieser  erhöht  um  ein  Bedeutendes  den  imposanten  Eindruck, 
   den  die Almannagjä  ohnehin  auf den Beschauer ausübt. 
   Mit  ungeheuerm,  donnerähnlichem  Brausen  stürzt  er  
 sich  über  die  westliche  Wand  in  einem  prachtvollen,  weithin  
 sichtbaren Wasserfall  in  sie  hinein,  strömt eine Strecke  
 weit, zwischen  den  Lavawänden  hin,  bricht  dann  plötzlich  
 durch  die  östliche  Wand  und  wälzt  eine  zweite,  weniger 
 *)  Ärmann  war  ein Halbriese,  den  die  Sage  in  diesen  Berg  hineingehen  
 lässt.  Ygl.  Maurer,  «Isländische  Yolkssagen  der  Gegenwart 
 »  (Leipzig  1860),  S.  43  und  53. 
 Island.  6