hingegen die Naturwissenschaften; freilich nimmt es auch
da den Fremden wunder, mit welcher Sicherheit der Isländer
ihm jedes Thier, jede Pflanze und jeden Stein mit
seinem richtigen isländischen Namen benennt. Fragt man
nun z. B. einen isländischen Knaben, der uns von fremden
Ländern erzählt, der uns jedes Pflänzchen, das wir pflücken,
jeden Vogel, der raschen Fluges vorübereilt, nennt: «Wer
lehrte dich dieses alles?» so antwortet er: «Modir min!'»
(meine Mutter).
Diese zwei Worte bezeichnen die ganze Bildungsgeschichte
des isländischen Volks. Was es weiss, ist ein ererbtes
Gut seiner Ahnen. Die ersten Einwanderer Islands waren,
wie erwähnt, hochgebildete Adelsfamilien aus Norwegen.
Von ihnen datirt sich die Bildungsfähigkeit der Isländer,
welche allen ändern hochnordischen Völkern entgegen, neben
oder trotz ihrer so einfachen, so unglaublich primitiven
äussern Lebensweise, doch ein sehr reiches geistiges Leben
aufzuweisen haben.
Die Neuzeit hat es versucht, diesem letztem bestimmtem
Ausdruck zu geben, und so finden wir denn auch in
Island die Anfänge jener Volksbildungsanstalten, welche in
allen Ländern, wo sie existiren, so schöne Früchte trägen;
wir meinen die Schule, die Bibliothek, die isländische literarische
Gesellschaft, die Zeitungen. Von ersterer war bereits
oben die Rede. Die Bibliothek zu Reykjavik, angeblich
aus 7—8000 Bänden bestehend, wurde im Jahre 1821
gegründet. Einzelne Werke daraus werden in alle Theile
der Insel mitunter auf die Dauer eines ganzen Jahres verliehen
und die fleissige Benutzung derselben ist ein schöner
Beweis der Lernbegierde des Volks. Zwar besteht diese
Bibliothek — wohl die nördlichste der Erde — vorwiegend
aus Schriften theologischen und philologischen Inhalts, doch
zählt sie auch manche naturwissenschaftliche, medicinische
und geschichtliche Werke; das juristische und belletristische
Element ist hingegen sehr schwach vertreten. Jedes Jahr erhält
diese Büchersammlung einen bedeutenden Zuwachs durch
Geschenke des Ministeriums, des nordischen Alterthumsvereins
und von Privatleuten, hauptsächlich aber durch Anschaffung
neuer Bücher mittels der von der Regierung dazu
bestimmten Summe. So wurden 1857/58 93 neue Bücher
angekauft und 33 geschenkt.
Die literarische Gesellschaft (Islenzlmr boTcmenntafelagi),
im Jahre 1816 gestiftet, hat zugleich in Kopenhagen und
Reykjavik ihren Sitz und bestand im verflossenen Jahre
(1860) aus 991 Mitgliedern. Den Vorstand bilden 16 Herren,
von denen 8 in Island, 8 in der Hauptstadt Dänemarks
residiren. Präsident ist Herr Dr. theol. Pjetur Pje-
tursson, Professor an der Theologenschule zu Reykjavik.
Als Prinz Napoleon vor fünf Jahren Island besuchte, wurde
er zum Ehrenpräsidenten (heiöurforseti) ernannt, welche
Auszeichnung er mit dem Bischöfe Arni Helgason theilt.
Ausserdem zählt die Gesellschaft 46 Ehrenmitglieder, unter
denen Graf Trampe, Lord Dufferin und die Herren Professoren
Jakob Grimm, Dr. K. Maurer, Dr. K. Simrock und
Dr. J. G. Forchhammer. Die ordentlichen Mitglieder sind
vorwiegend Isländer und Dänen, jedoch befinden sich auch
manche Deutsche, Engländer und Franzosen darunter. Der
Zweck dieser Gesellschaft, die in ändern Ländern nachgeahmt
zu werden verdient, ist der, die Sprache des Landes in ihrer
Reinheit und Eigenthümlichkeit zu erhalten, was in Reykjavik
um so nothwendiger ist, als hier wie in ändern Hafenorten
die dänische Sprache sich immer mehr einbürgert.
Deshalb ist die Förderung und Verbreitung tüchtiger literarischer
Arbeiten ihre Hauptaufgabe. Jährlich wird eine gewisse
Anzahl (im Jahre 1860 z. B. sechs) in isländischer
Sprache geschriebener Bücher auf ihre Kosten gedruckt, die
über die verschiedenartigsten Gegenstände handeln, meist
aber isländische Verhältnisse betreffen. Die Mitglieder er