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 Steuer  sassen,  versicherte  sich  an  diesem  nordischen  Sommermorgen  
 ein  Jahr  zurückversetzt  zu  fühlen,  in  welchem  
 er  an  demselben  Tage  bei  gleich spiegelkarer See und  nicht  
 wärmerm  Sonnenschein  auf  den 'Fluten  des  Mittelmeeres  
 hindampfte,  aus  dem  die  malerische Küste  von  Candia  emporstieg. 
 Der  schönste Abend  beschloss  den Tag,  als wir zwischen  
 den  Shetlands-  und  Orkneyinseln  hindurchfuhren.  Links  
 stürzte  mit  jähem  Abfall  das  Vorgebirge  Fitful-Head  in  
 die  See,  der  südlichste Punkt Shetlands, des buchtenreichen  
 Mainland,  jedem  bekannt,  der  den  «Piraten»  von  Walter  
 Scott  gelesen.  Die  steilen,  scharfen Felsengrate  und  zackigen  
 Gipfel  wurden  von  der  scheidenden  Sonne  mit  den  
 buntverschiedensten  Farben  übergossen.  Dann  sank  sie  in  
 das  Meer  hinab  und  die  Dunkelheit  begann  sich  über  dem  
 stillen  Gewässer  auszubreiten.  Unser  Curs  ging  zwischen  
 Faira-Isle  und  der  nördlichsten  Orkneyinsel,  North  Ro-  
 naldshay,  hindurch.  Als  die  Finsterniss  zunahm,  erglänzte  
 in  abwechselnden  Zwischenräumen  das  Licht  des  Leuchtthurms  
 von  Denisness;  eine  rotirende  Scheibe  liess  bald  
 einen  grossen  strahlenden  Stern  erscheinen,  bald  hüllte  
 sich  das  hohe  Gebäude  wieder  in  düstere Nacht  ein. 
 Am  sechsten  Tage,  nachdem  wir  Island  verlassen,  befanden  
 wir  uns  der  schottischen Küste  gegenüber.  Als  wir  
 nach  dem  Frühstück  auf das  Verdeck eilten,  erblickten wir  
 Kinnairds-Head  und  späterhin  die  rauchenden  Kamine  der  
 Stadt Peterhead; wir fuhren in ziemlicher Entfernung an dem  
 flachen  und  interesselosen  Gestade  entlang;  auch  der  heutige  
 Tag  brachte  angenehmes  Wetter  und  günstigen  Nordwind, 
   sodass  wir  zehn  Knoten  in  der  Stunde  zurücklegten. 
 Gegen  Abend  erreichten  wir  die Höhe vor  der Mündung  
 des  Frith  of Tay und  den berühmten Leuchtthurm Bellrock.  
 Das  ganze  Meer  war  förmlich  übersäet  mit  Fischerbooten 
 von  Perth,  Dundee  und  St.-Andrews,  welche  auf  den  Heringsfang  
 auszogen;  jedes  Fahrzeug  hatte  eine  Laterne  am  
 Bugspriet ausgehängt  und  die Fischer schliefen meist  darin;  
 die  Hunderte  von  Lämpchen  in  der  finstern Nacht  auf  den  
 Fluten  auf-  und  abschaukelnd,  die  sie  mit  ungewissem  
 Schein  beleuchteten,  brachten  eine  fast  magische  Wirkung  
 hervor;  es  kostete  unserm  grossen  Dampfer  keine  geringe  
 Anstrengung,  zwischen diesen unzähligen kleinen steuerlosen  
 Booten  sich  hindurchzuwinden,  ohne  das  eine  oder  andere  
 in  den Grund  zu  bohren,  und  der Kapitän verliess das Verdeck  
 nicht  eher,  als  bis  wir  am  Mittwoch Morgen  in  der  
 Frühe  im  Hafen  von  Grangemouth  vor  Anker  lagen. 
 Die  Verwunderung  der  Isländerinnen  war  gross,  als  sie  
 die  hohen,  aus  Quadersteinen  aufgeführten Häuser  der Hafenstadt  
 sahen;'sie  wuchs,  als  die  ganze  Reisegesellschaft  
 mit Wagen  nach  der Eisenbahnstation. Falkirk fuhr  und  der  
 Weg einen Eichenwald durchschnitt, und als der von Glasgow  
 kommende  Expresszug  heranbrauste  und  uns  mit Windeseile  
 nach  dem  prächtigen  Edinburgh  brachte,  kannte  ihr  
 Erstaunen über all die Wunder der Civilisation keine Grenzen. 
 In  Edinburgh  trennten  sich  unsere  Wege. 
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