
Was zunächst eine übersichtliche Zusammenstellung der Gliedertliiere
Ostafrika’s betrifft, so liegt dieselbe, wenigstens wenn sie ihren Zweck
erfüllen soll, für jeden des Gegenstandes Kundigen zur Zeit überhaupt
ausser den Grenzen der Möglichkeit. Abgesehen davon, dass die hier
in Betracht kommenden Arten nach Tausenden zählen, dass mithin ihre
Zusammentragung einen unverliältnissmässigen Aufwand von Zeit und
Mühe bedingen, dadurch aber wieder eine gewiss nicht wünschenswerthe
weitere Verzögerung in der Publikation des Werkes mit sich bringen
würde, so hätte der gegenwärtige Zustand unserer Kenntnisse doch
immer nur die Herstellung eines Verzeichnisses nomineller, nicht aber
wirklicher Arten zugelassen. Für eine kritische Sichtung und Feststellung
der Synonymie würde es der umfangreichsten Vorarbeiten, ja
der vereinten Kräfte einer grösseren Anzahl specieller Kenner und
Bearbeiter nicht der einzelnen Ordnungen, sondern der Familien — da
diese unter den Insekten bekanntlich oft ungleich artenreicher als unter
den Wirbelthieren die Klassen sind — bedurft haben. Ueberdies hätte
aber bei der eigenthümlichen Verbreitung der Insekten in Afrika, welcher
ein besonderer Abschnitt in diesem Theile gewidmet ist, eine Zusammenstellung
der Ostafrikanischen Arten weder ein wissenschaftliches Intei’esse
darbieten, noch selbst einem praktischen Bedürfniss in nur einigermaassen
genügender Weise abhelfen können. Da das Sansibar-Gebiet schon nach
den jetzt vorliegenden Erfahrungen eine bei weitem grössere Anzahl
identischer Arten mit einzelnen Theilen Süd-Afrika’s (Caffernland) als
mit den ihm zunächst benachbarten Länderstrecken, eine mehr denn
doppelt so grosse mit Westafrika (Senegambien) als z. B. mit Abyssinien
besitzt, so würde eine ausschliessliche Zusammenfassung Ostafrikanischer
Arten ebenso vieles für Sansibar Fremdes enthalten, als dessen, was
ihm durch fernere Nachforschungen aller Wahrscheinlichkeit nach Z u wachsen
wird, entbehren, in ihrer Brauchbarkeit also von vornherein
illusorisch erscheinen müssen.
Aber auch von einer vollständigen Aufzählung der gesammelten
Arten, wie sie in der ersten Abtheilung dieses Bandes durchgeführt
worden ist, hat der Unterzeichnete Verfasser im Bereich der Glieder-
thiere nach reiflicher Erwägung absehen zu müssen geglaubt, und zwar
sind die folgenden Umstände und Gesichtspunkte dabei für ihn entscheidend
gewesen. Die von Herrn Dr. 0 . K e r s t e n im Jahre 1863
während eines vorübergehenden Aufenthaltes auf den Comoren, Seychellen,
Maskarenen, sowie aufNossibó gesammelten Arten sind einerseits gering
an Zahl, andererseits mit ganz vereinzelten und unwesentlichen Ausnahmen
an sich sowohl wie nach ihrem Vorkommen zur Genüge bekannt.
Eine Mitaufhakme derselben in die hier gegebene systematische
Zusammenstellung Sansibarischer Arten hätte die naturwissenschaftlichen
Ergebnisse der v. d. D e c k e n ’schen Expeditionen um Nichts in ihrer
Bedeutsamkeit erhöht, während ihr Ausschluss der vorliegenden Arbeit
unzweifelhaft zum Vortheil gereichen musste, indem er ihr den Charakter
einer streng faunistischen verlieh. Gerade der Umstand, dass die Fauna
jener Inselgruppen schon nach den bisherigen Erfahrungen vielfache
Eigenthümlichkeiten und trotz unverkennbarer Uebereinstnnmungen doch
auch wesentliche Unterschiede von derjenigen des gegenüberliegenden
Festlandes erkennen lässt, macht es im Interesse der zoologischen
Geographie wünschenswerth, die von beiden Lokalitäten stammenden
Arten streng auseinander zu halten; nur dadurch wird es möglich, die
faunistischen Beziehungen der einen zu der anderen schärfer, als es
bisher geschehen ist, zu präcisiren. Li dem vorhegenden Fall erschien
aber eine Trennung um so mehr geboten, als der verschwindend geringen
Anzahl jener Insular-Formen eine verhältnissmässig sehr ansehnliche
, aus dem Sansibar - Gebiet stammende gegenüberstand, welche,
schon hiernach offenbar als der Glanzpunkt der zoologischen Ausbeute
zu betrachten, auch für sich allein den v. d. D e c k e n ’schen
Expeditionen für alle Zukunft eine hervorragende Bedeutung zu sichern
angethan war.
Eme nicht unbeträchtliche Bereicherung ist der den vorhegenden
Theil ausmachenden „Gliederthierfauna des Sansibar - Gebietes“ wenigstens
im Bereich der Insekten - Ordnung Coleóptera dadurch erwachsen,
dass eine im Jahre 1864 für das Museum of comparativo Zoology zu
Cambridge von C. C o o k e auf der Insel Sansibar veranstaltete Sammlung
mir durch meinen Freund, Dr. Herrn. H a g en , im Einverständniss
mit Prof. L. A g a s s i z , zur Mitbearbeitung anvertraut worden ist. Dass
dabei zugleich eine Ueberlassung derjenigen Arten, welche in der
v. d. D e c k e n ’schen Ausbeute nicht vertreten waren, an die hiesige
Königliche Entomologische Sammlung gestattet worden ist, verdient eine
besonders dankbare Erwähnung.