III. Mallorca.
man verwendet sie nicht selten auch in den grösseren Ortschaften, ja selbst in Palma. Gew öh nlich
sind sie während der Zeit, w o sie Unterricht ertheilen, zugleich mit Handarbeiten beschäftigt,
und man sieht sie nicht selten emsig stricken oder mit dem Spinnrocken unter dem Arme Flachs
oder Hanf spinnen.
In hohem Grade tragen zur Förderung und Verbreitung der religiösen Bildung die zahlreichen
Predigten bei, welche in der Fastenzeit und bei den religiösen Festen gehalten werden.
In den Kirchen der Ortschaften wird stets mallorquinisch gepredigt, in Palma meistens in
castillanischer Sprache. Trotz dieser Einrichtungen ist der Religionsunterricht auf Mallorca nicht
so entwickelt, w ie es zu wünschen wäre.
Die meisten Mallorquiner eignen sich die Kenntniss des Katechismus und der Heiligen Schrift
nur mechanisch an, und erst in späteren Jahren dringen sie theilweise, in Folge wiederholter Erklärungen
der Prediger, in das Verständniss der religiösen Dinge ein. Hieran trägt nur der mangelhafte
religiöse Unterricht die Schuld, denn die ganze Bevölkerung besitzt einen natürlichen angeborenen
frommen Sinn und dass ihre religiöse Richtung tief im Innern wurzelt, geht namentlich aus
der Seltenheit der Selbstmorde und Duelle hervor.
Im Zeitraum von drei Jahren kamen nur sieben Selbstmordfälle vor. Bezüglich der
Duelle, dieser barbarischen tief eingewurzelten Unsitte unserer Heimath, genüge die Bemerkung,
dass seit io Jahren kein einziger Fall vorgekommen ist, obschon die Mallorquiner tapfere Leute
sind. Die katholischen Fasten werden strenge gehalten. Das Fasten besteht auf Mallorca darin,
dass man von Mitternacht bis Mittag sich jeder Nahrung enthält. Viele beachten diese Regel sehr
streng. Die Mehrzahl aber nimmt zur Frühstückstunde die sogenannte Parva zu sich. Dieselbe
besteht aus einem Stückchen Brod oder Ensaimada, einer Art Backwerk, das man in etwas Chokolade
eintaucht. Das Abendmahl ist auch sehr frugaler Natur, da es nur aus Brod und Vegetabilien
bestehen darf; weder Fleisch noch Fische sind gestattet. Man nennt dieses karge Abendessen in
Spanien Colacion.
Mit gleicher und vielleicht noch grösserer Gewissenhaftigkeit w ird die Enthaltung vom
Fleischgenusse an allen jenen Tagen, für welche sie anbefohlen ist, befolgt. Diese Art des
Fastens wird jedoch allen spanischen Gläubigen sehr erleichtert durch eine besondere päpstliche
Begünstigung, welche nur an wenigen Tagen den Fleischgenuss gänzlich untersagt. Um jedoch
dieser Begünstigung theilhaftig zu werden, muss man ausser der Bula de la Cruzada (Bulle des
Kreuzzuges) noch den Indulto apostolico para el Uso de Carnes (apostolische Erlaubnis zum
Fleischgenusse) von der dem Range und den Einkünften der betreffenden Person entsprechenden
Klasse besitzen. Die gewöhnliche Taxe der Bulas de la Cruzada für Lebende beträgt 3 Reales
und für hervorragende Persönlichkeiten (Personas Ilustres) 18 Reales. Es giebt aber auch Bullen
für die Verstorbenen (Bulas de Difuntos), welche 3 Reales, • Bulas de Composicion, welche
4,5 Reales kosten und Bulas de Lacticinios. Letztere sind für die Geistlichen bestimmt; sie kosten
für die zweite Klasse 9, für die dritte 4,5 und für die vierte 2 Reales. Die Taxe für die Bullen
zur Erlaubniss des Fleischgenusses, welche Sumarios del Indulto genannt werden, sind für die erste
Klasse auf 36, für die zweite auf 12 und für die dritte, welche die allgemeine ist, auf 2 Reales
festgesetzt. Fast alle in dem fastenpflichtigen Alter stehende Personen nehmen solche Bullen, die
ganz armen Leute und die Militärs, die an und für sich von dergleichen Pflichten dispensirt sind,
abgerechnet. Die Zahl der jährlich von Mallorquinern gelösten Bullen ist sehr beträchtlich, sie
betrug im Jahre 1868 für die.:Bulas der ersten Klasse 43,231 und für die Sumarios del Indulto
30,506 Stück. W e r aber die Erlaubniss zum Fleischgenuss besitzt, ist darum von der genauen Beobachtung
des Fastens noch keineswegs befreit, denn derselbe darf nur ein Mahl halten, bei
welchem w o h l das Fleisch, aber keine.: Mischung mit Fisch gestattet ist, und dies gilt für alle Tage
der Woche in der Fastenzeit, mit Ausnahme der Sonntage und Freitage und für die Tempora-
und Vigilias-Tage. Strenge Fasttage mit völliger Enthaltung von jedem Fleischgenusse sind alle
Freitage der Fastenzeit, der Mittwoch bis Samstag in der Charwoche, der Aschermittwoch und die
Vorabende des Pfingst-, St. Peter und Paul-, Maria Himmelfahrt- und Weihnachtsfestes, welche
Religiö se Bildung. 159
Vigilias con Abstinencia de Carnes genannt werden, Für die G eistlichen sind alle Tage der Charwoche,
ausser dem Palmsonntage, strenge Fasttage, für die Enthaltung vom Fleichgenusse vorgeschrieben ist.
Diejenigen Gläubigen, die entweder kein Privilegium haben oder keinen Gebrauch davon machen
2 i jähriger 17 jähriger Bauernjunge. Bauernjunge.
A lte Bauern.
wollen, sind verpflichtet, alle Tage der Fastenzeit de Tempora und de Vigilia streng zu fasten und
sich des Fleischgenusses an allen Freitagen des Jahres, den Sonntagen der Fastenzeit und den Tagen
der Vigilia con Abstinencia de Carnes zu enthalten.
W ie sehr die häusliche Andacht gepflegt w ird, das lehrt die allgemein verbreitete Sitte
des täglichen Rosenkranzbetens, das sie Resar el Rosari nennen; sie wird nicht blos auf dem Lande