einigen Jahren die Anzahl der Schulen sich vermehrt hat. Es bestehen jetzt in der Stadt Ibiza
6 öffentliche Knaben-, 6 Mädchenschulen und 7 Privatschulen. Die Distrikte von Sn Antonio,
Sn Juan Bautista, Sn José und Sta Eulalia haben je eine öffentliche Schule für die Knaben und eine
für die Mädchen.
Mit Hülfe der Deputacion provincial hat man 1866 in der Stadt Ibiza ein Collegium für den
Sekundärunterricht gegründet, w e lch es vom Instituto Balear in Palma abhängig ist. Gegenwärtig
wirken an demselben fünf Professoren und ein Direktor. Die Zahl der Zöglinge beträgt 39, der
Inscribirten 60.
Für die Ausbildung der Geistlichen besteht ein Seminar, von dem wir später sprechen
werden.
Die Ibizaner wissen die Bildung hoch zu schätzen und legen ihr einen grossen Werth bei.
Ich habe häufig Bauern ihre Unwissenheit beklagen hören. Ein Mann, der sa far letras, das heisst
welcher schreiben kann, steht bei ihnen in ganz besonderem Ansehen und wird von Seinesgleichen
mit derselben Hochachtung betrachtet und behandelt, w ie w ir es mit einem grossen Gelehrten zu
thun pflegen. Die Zahl solcher Glücklichen war früher aber eine sehr geringe, denn man traf nach
statistischem Ausweise im Jahre 1860 auf ganz Ibiza sammt Formentera nur 916 Männer und 394 Frauen,
die sowoh l lesen als auch schreiben konnten; 8 Männer und 126 Frauen konnten allein lesen; dagegen
waren 10154 Männer und 14819 Frauen weder zu lesen, noch zu schreiben im Stande.
Die Sprache der Ibizaner ist das Mallorquinische. Das Castillanische ist nur wenig im G e brauch;
man rechnet auf der ganzen Insel etwa 2— 3000 Menschen, welche dieser Sprache mächtig
sind. Die Letzteren gehören meistens zu den Bewohnern der Stadt; man darf aber durchaus nicht
glauben, dass alle Städter mit dem Castillanischen vertraut seien, es giebt sehr viele, die es
gar nicht kennen. Diejenigen aber, die es sprechen, sollen es in einem viel vollkommneren Grade
vermögen, als die anderen Bewohner der Balearen. Unter sich reden jedoch die Ibizaner das
Castillanische nie; sie bedienen sich desselben blos im Verkehr mit jenen Regierungsbeamten, welche
in der dortigen Mundart noch nicht bewandert sind. A u f dem Lande trifft man eigentlich Niemanden,
ausgenommen Schullehrer und Pfarrer, die das Castillanische sprechen.
Die Ibizaner sind alle katholisch. W ie überhaupt in Spanien steht auch bei ihnen die
religiöse Bildung auf keiner hohen Stufe. An äusseren Formen lassen sie es freilich nicht fehlen;
dabei bleiben sie aber meistens auch stehen, ohne tiefer in das Wesen der Sache einzudringen.
Ein Bauer würde nahezu in Verzweiflung sein, wenn er am Sonntag keine Messe hörte, und er
w ird gewiss nie unterlassen, sobald sich ihm die Möglichkeit dazu bietet, in die Kirche zu gehen,
um von den verschiedenen Santos Vergebung zu erflehen. Andererseits w ird er sich abèr kein G e wissen
daraus machen, seinen Nebenmenschen zu betrügen. Nicht zu leugnen ist aber, dass ein entschieden
religiöser Zug durch das V o lk hindurchgeht, der bei verschiedenen Gelegenheiten mehr
oder weniger zu Tage tritt, wenn ihn auch hin und wieder Unwissenheit und Aberglauben entstellen.
So fügen sie sich in die Unglücksfälle, die sie betreffen, mit der grössten Ruhe, indem sie
sagen, dass Gott es so bestimmt habe. Man wird auch aus dem Munde der Ibizaner, w ie überhaupt
aller Spanier, nie eine Gotteslästerung, noch einen Missbrauch des Namens Gottes vernehmen.
An Stelle der in ändern Ländern gebräuchlichen Flüche pflegen die Ibizaner bei Zornausbrüchen,
und auch mitunter, wenn es gilt, eine Wendung der Rede besonders zu bekräftigen, gemeine Bezeichnungen
nicht wiederzugebender Art anzuwenden. Die sechs Namen, die man dabei gebraucht,
bleiben immer die nämlichen; nur wird der Ton beim Aussprechen derselben der Bedeutung, die sie
in dem betreffenden Falle haben sollen, entsprechend abgeändert.
Unter den Ibizanern herrscht noch viel Aberglauben. Manche Thiere und Tage halten sie
für glückbringend, andere dagegen für unheilvoll. So sehen sie die Schwalben als von Gott g e segnete
V ö g e l an und. hüten sich ängstlich, dieselben zu tödten oder ihre Nester zu zerstören. Ein
ähnlicher Aberglaube beschützt auch die Katzen; man glaubt nämlich, dass Demjenigen, der eine
Katze tödtet, ein Unglück zustossen werde. Für eine schlechte Vorbedeutung wird es angesehen,
wenn ein Kauz oder eine Eule in der Nähe eines Hauses ihren Ruf erschallen lässt; man schliesst
daraus, dass der dort wohnenden Familie ein Unglück begegnen werde; dasselbe nimmt man an,
wenn eine Henne nach Art eines Hahnes kräht. Auch manche Wochentage betrachten die Ibizaner
Bauern als unheilvoll, und an denselben mögen sie nichts unternehmen; das ist namentlich 4 ßr
Dienstag. Wenn eine Leiche an einem Freitag bestattet w ird, so glaubt man, dass im Laufe des
Jahres noch Jemand aus der Nachbarschaft sterben werde; selbst in der Stadt nimmt das unwissende
Volk an, dass dies einer Person aus derselben Gasse begegnen werde. Umgekehrt glauben die
Landleüte, dass, wenn sie die Ernte nicht an einem Freitag beginnen, die Insekten die Frucht befallen
und zerstören werden. Wenn das Oberhaupt der Bauernfamilie stirbt, so rechnet diese auf
eine gute Ernte. Auch die Mondphasen werden sorgfältig berücksichtigt; nur bei der einen oder
ändern werden die Felder besäet, das Holz geschlagen, die Weinstöcke beschnitten und alle Fruchtbäume
gereinigt.
Sehr seltsam ist das abergläubische Verfahren, welches man ver fo lg t, um ein krankes
Maulthier gesund zu machen. Es reichen sich nämlich zwei Bauern, die sich jederseits neben dem
Maulthier aufstellen, wechselweise eine weisse Henne zu. Hierbei vertauschen sie aber ihre
Namen, das heisst, Peter übergiebt die Henne dem Johann mit den Worten: „Da nimm, Peter!“
worauf Johann sie an Peter zurückgiebt und sagt: „Nimm, Johann!“ Damit, glauben sie, könne es
gar nicht fehlen, dass das Maulthier wieder gesund werde. Eigenthümlich ist auch der Glaube,
mit welchem die niederen Ibizaner Frauen sich auf das Robbenfell setzen, welchem sie die Eigenschaft,
vo r Missgeburten zu schützen, zuschreiben.
Auch in meinem Verkehr mit den Ibizaner Bauern gab sich ihr abergläubiges Wesen v ielfach
kund. W ie häufig musste ich auf meinen Wanderungen die Leute beruhigen, w e il sie glaubten,
dass ich mit meinem Zeichnen und Niederschreiben von Notizen w e r weiss w as für finstere A b sichten
und Zaubereien gegen sie und ihre Insel im Schilde führe. Sie sagten: „W ir sind schon so
unglücklich und so arm, w ir haben bereite seit zwei Jahren kein Oel, w ir müssen so hohe Steuern
zahlen, und jetzt soll auch das noch über uns kommen! W e r weiss, was mit diesen puntacioni
unsrer armen Insel geschieht. Ja w ir sind zu schlecht gew e sen, es ist G o tt, der uns für unsere
Sünden straft.“ A ls sie aber erst durch die Vorstellungen eines ändern Bauern, der mich auf meinen
Ausflügen begleitete und der, jetzt in Ibiza wohnhaft, über solche abergläubische Ansichten hinaus
w a r , beruhigt worden waren, wurden sie nach und nach zutraulicher. Sie hörten dann nie
auf, ihre Neugierde an den einzelnen Kleidungsstücken und dem ihre höchste Bewunderung erregenden
Mechanismus meiner Taschenuhr zu befriedigen.
Hat man nach und nach ihr Vertrauen gewonnen, so überzeugt man sich, dass sie im Grunde
die besten Leute der W e lt sind. Selbst in ihrer Unwissenheit liegt etwas Anziehendes, ein naiver
Zug von Kindlichkeit. Es ist mir auch nie begegnet, dass w ir nicht im besten Einvernehmen von
einander geschieden wären, und nicht selten haben mich später Pfarrer aus Ibiza aufgesucht, um
mich wiedei zu sich einzuladen, oder mir ein Körbchen mit Obst aus ihrem Garten anzubieten.
Die Trachten der Ibizaner.
Nachdem w ir die Eigenschaften und die Bildungsstufe- der Ibizaner kennen gelernt haben,
wollen w ir ihre Trachten besprechen; diese sind im Grunde nicht sehr schön, ja man muss sie
namentlich beim männlichen Geschlechte viel eher als hässlich bezeichnen. Sie besitzen keineswegs
die Zierlichkeit, die sonst den Kleidungsstücken südlicher V ö lk e r eigen ist.
Die Männer tragen eine rothe, auf einer Seite herabhängende Mütze mit schwarzem, in
seltenen Fällen auch w o h l weissem Aufschläge; oder es ist umgekehrt die Mütze schwarz und der
Aufschlag roth, was jedoch immer zu den Ausnahmen gehört. An Feiertagen stecken Manche an
der Vorderseite der Mütze einige künstliche Blumen als Schmuck ein. Ausserdem tragen die Bauern
im Sommer aus Palmenblättern verfertigte Strohhüte, sow ie auch w e iche, graue, mit schwarzem
Band eingefasste Filzhüte, deren Krämpe vorn aufgeschlagen ist. Die Haare halten sie kurz, und
das Gesicht w ird nach allgemein auf Ibiza üblicher Sitte rasiert. Sie haben w e iter ein Hemd mit
hohem, steif gestärktem Kragen, eine schwarze Weste mit grossen, hängenden, kugelförmigen Silber