Die Gesangsweise der Mallorquiner ist sanft und einschmeichelnd, es liegt in dem, wenn
auch meistens einförmigen Rhythmus etwas Bezauberndes, etwas unaussprechlich Süsses, namentlich
wenn die silberhellen Mädchenstimmen in der tiefen Stille der einsamen Thäler wiederhallen.
Man hört zu allen Jahreszeiten, namentlich aber zur Erntezeit, Lieder erklingen. Zuweilen singt nur
Einer allein, w o aber viele Frauen zur Feldarbeit versammelt sind oder wenn die vom Most
gerötheten und mit Trauben gekrönten Winzerinnen,. welche an die antiken Bacchantinnen mahnen
nach Hause zurückkehren, singen zumeist alle Mädchen im Chor. In der Regel singen nur Frauen’
bisweilen fallen aber auch junge Bauern mit voller Stimme ein, noch seltener stimmen' diese ganz
allein ein Lied an. In den Ortschaften singen die Mädchen auch in den Häusern beim Nähen,
Stricken und ähnlichen Beschäftigungen, sow ie in den öffentlichen Lavaderos, in den Fabriken, w o
gew eb t wird. Dasselbe gilt auch von den Handwerkern, jungen Männern, welche eine sitzende
Lebensweise führen, namentlich von Schustern und Schneidern. Selbst in Palma hört man, wenn
man bei einem Schuster, Schneider und Modisten oder an einer Sparteria, Seilerei, Weberei und
ähnlichen Werkstätten vorübergeht, Lieder ertönen. Gewöhnlich werden mallorquinische, bisweilen
aber auch castillanische Lieder gesungen, letztere namentlich von Matrosen und Fischern, jedoch
meist mcorrect. Im Allgemeinen werden vier- und fünfversige Lieder gesungen. Hat das Lied nur
vier Verse, so wird der letzte wiederholt.
Ein Beispiel eines solchen giebt uns das nachstehende Winzerlied:
Si pegam s assoleyada Wenn wir auch den Tag in der Sonne zubringen,
Per noltros no m’ os va mal Für uns geht die Sache nicht schlecht,
Que si y hagut mala añada Denn wenn auch ein Missjahr war,
Ja m ös pagan bé es journal So zahlt man uns den Tagelohn gut
Per sa pena qu’ hem. passada. Für die Mühe, die wir erlitten haben.
Nachstehendes Lied hörte ich von den Schnittern in der Nähe von St* Ponsa singen:
S altre vespre somiava Am ändern Abend träumte ich,
Mon amó qu’ estava en vos Meine Liebe, dass ich bei Dir war,
Sim deyan decantauvós Als man mir sagte: ziehe Dich zurück!
Llevó mes mi arrembava. Da näherte ich mich noch mehr.
Sammtliche Gesänge werden ohne instrumentale Begleitung - vorgetragen, eine solche ist
nur bei Tänzen und Serenadas, auf die w ir später zu sprechen kommen, üblich. In den reicheren
Familien Palmas und der Ortschaften wird in ^gewöhnlicher Weise' bei Piano- und Guitarrebegleitung
gesungen; zu bemerken ist jedoch, dass von ihnen der italienische Gesang und Musik
mehr cultivirt werden, als der spanische.
Von musikalischen Instrumenten trifft man auf Mallorca w ie überall in Spanien vorzüglich
die wohlklingende Guitarre (Guiterra) sehr häufig an. Eine kleinere Form derselben heisst
Guiterro. An die vergangenen Jahrhunderte mahnt die noch übliche Mandurria, eine Art Mandoline;
letztere ist ebenfalls auf Mallorca vertreten und führt auch den Namen Mandolina. Bei den
Bauern sind der Dudelsack (Xaramias oder Cheremias) und die Flöte (FabiöI) sehr beliebt, welche
sammt dem lärmenden Tamborino und den knatternden Castagnetten (Castañetas) die pfeifende
Xaramias zu begleiten pflegt. Vielfach ist auch der Pandero, das italienische Tambureil, in Gebrauch;
es besteht bekanntlich aus einem hölzernen Reifen, innerhalb dessen ein Trommelfell ausgespannt
aus zahlreichen, in Löchern des Reifens" beweglich eingesetzten Blechplatten, die beim
Schlagen des Trommelfells mit der Hand die bekannten schrillen Metallklänge hervorbringen.
Schliesslich müssen w ir noch zweier musikalischer Instrumente gedenken, die jedoch kaum diese
Bezeichnung beanspruchen können: es sind dies die Ferrets und die Ossos. Die Ferrets stimmen
ganz und gar mit unseren eisernen Triangeln überein, die mit einem eisernen Stäbchen geschlagen
werden. Die Ossos bestehen aus einer Anzahl von parallel hintereinander liegenden Knochenstaben,
deren beide Enden durchbohrt und auf eine Schnur gereiht sind. Diese Knochengarnitui
nimmt der Spieler in der A r t um den Hals, dass sie auf die Brust herabhängt; er lässt dann über
dieselbe die Hälfte einer Castagnette herabgleiten und schlägt diese kräftig auf die Knochen. Dadurch
wird ein lauter, w iew oh l etwas fremdartiger Ton hervorgebracht, der im Verein mit den
Klängen der anderen vorhin erwähnten Instrumente die Wirkung derselben noch beträchtlich
verstärkt.
Tanzunt er halt ungen und Volksspiele.
Der Tanz gehört zu den beliebtesten Unterhaltungen der Mallorquiner. Bei den ärmeren
Ortsbewohnern, sowie bei den Bauern haben sich vorzugsweise die Nationaltänze erhalten.
Man muss die Tänze auf Mallorca in
zwei Klassen scheiden, in solche nämlich,
die in abgeschlossenem Zirkel
stattfinden und einen ganz privaten
Charakter haben, und in öffentliche,
welche mitten auf einem Platze oder
irgend einer Strasse, bald unter
freiem Himmel, bald unter irgend
einer Halle abgehalten werden.
Gewöhnlich finden die Privattänze
aus Anlass von Hochzeiten oder
irgend eines anderen frohen Ereignisses
in der Familie statt, namentlich
feiert man damit das Ende der
Getreideernte oder der Weinlese,
zumal wenn die Früchte w oh l ge-
rathen sind. W e r ein solches Fest
zu geben beabsichtigt, ladet dazu
Verwandte, Freunde und Bekannte
ein und trachtet namentlich darnach,
sich der Anwesenheit von möglichst
vielen Mädchen und Jünglingen zu
versichern.
Der Tanz fängt gewöhnlich nach
dem Abendbrod in dem Hauptgemach,
der sogenannten Casa, statt.
Die Musikanten, w e lch e aus 2 bis
4 Guitarren-, einem Guittarö-, Mandurria
und Violinspieler bestehen, begleiten
ihre Musik stets mit Gesang.
Den Tanz beginnt die Hausfrau oder
das Mädchen, dem zu Ehren man das
Fest giebt, bei Hochzeiten stets die
Neuvermählten. In den Pausen v erabreicht
man den Musikanten und Ein junger Össosspieler.
Gästen einen kleinen Refresco und
der Schluss erfolgt bisweilen erst bei Tagesanbruch, wenn die Pfarrglocke die erste Messe
verkündet.
Die öffentlichen Tanzunterhaltungen finden gewöhnlich aus Anlass von Volksfesten, namentlich
bei dem Feste des heiligen Patrons der Ortschaft oder Pfarre statt. Diese Feste, von denen
bereits in dem Abschnitte über die religiösen Festlichkeiten die Rede war, haben gleichzeitig einen
weltlichen Charakter. A lle Anordnungen, die sie erfordern, fallen immer einer Brüderschaft
oder, besser gesagt, einem ihren Mitglieder anheim. Dieser, der den Namen Obrer (Kirchenpfleger)
führt, w e il ihm die Instandhaltung der Kirche und die Beschaffung der dazu erforderlichen Mittel
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