gleichgültigsten Mienen überall umherspähen; an Pfiffigkeit erreichen sie aber keineswegs ihre Kollegen
an der Seine, denen sie hinsichtlich ihrer Kleidung sehr ähneln.
Wenn es zu dunkeln anfängt, lichtet sich allmählich die Schaar der Spaziergänger, manche
unterhalten sich noch einige Stunden im Casino oder Wirthshaus, w o ein paar schmutzige alte
Zeitungen liegen, und ergötzen sich an urweltlichen Neuigkeiten, welche das ruhige Leben von
Ibiza nicht im Geringsten stören. Eine andere Gesellschaft versammelt sich in der Fonda Gavarra;
hier spielt man ein verbotenes
Hazardspiel bis tief in die Nacht
hinein. In der Aufregung des
Spieles w ird dann öfters mit
den Fäusten auf den Tisch g e schlagen
und lärmend und to bend
geschrieen: aber bei dem
geringsten Zeichen des an dem
Fenster aufgestellten Aufpassers
w ird sofort Alles mäuschenstill,
und die Karten sind im
Nu spurlos verschwunden; denn
wehe den Spielern und dem
Wirthe, wenn Sie von der P o lizei
bei dem Spiele überrascht
würden. Zu derselben Zeit
versammeln sich auch junge
Leute aus der Marina beim
Muelle und lassen beim süssen
Klang der Guitarre ihre Liebes lieder
ertönen, während andere;
und zwar hauptsächlich Bauernburschen,
durch die Gassen
ziehen und ihren Gefühlen
mittels der dumpfen, summenden
Accorde des Brummeisenf
Ausdruck geben.
Bisweilen verkündet die
schrille Glocke, die von Zeit
zu Zeit mit ihren unheimlichen
Klagetönen innehält, die Agonie
eines Nachbars. Diese Glockentöne
haben etwas so tief Ernstes
und mahnen so an Tod und
Grab, dass sie Niemand, der
sie einmal hörte, je vergessen
wird. Wenn die tiefe Nacht
Ein Balkon in Ibiza.
Stadt Alles zur Ruhe geschickt hat, und die unzähligen Fledermäuse gespenstisch
unterbricht die schrille Stimme des Nachtwächters die Stille, der seinen Ruf mit den
„Alabado sea Dios“ (Gott sei gelobt) anfängt, dann die Stunde verkündet und mit einer
in der
flattern,
Worten
Bemerkung über das Wetter schliesst. Am Tage der Ankunft des Dampfschiffes von Valencia,
wenn diese ein oder zwei Stunden vor Tagesanbruch erfolgt, schreit der Sereno, sobald das
Dampfschiff nahe'am Hafen. is t, ausser den vorerwähnten Dingen: „Vapor! Vapor!“ zur Benachrichtigung
für Diejenigen, welche sich einschiffen wollen oder denen überhaupt daran liegt,
von dem Eintreffen des Dampfschiffes Kunde zu erhalten. Ausserdem wecken die Sereno’s auch
Diejenigen auf, die früh aufzustehen verlangen, und verschaffen sich dadurch noch einen kleinen
Erwerb.
Der Sonntag kündet sich schon durch einen grösseren Aufputz der Stadtbewohner und den
stärkeren Zusammenfluss der Landleute an. Bereits am frühen Morgen sind die Kathedrale und
Sn Domingo mit einer dichten Volksmenge gefüllt. Die Männer vom Lande haben alle den steifen
Hemdkragen und die drollige kurze Jacke über der Schulter; ihre Frauen dagegen sind geschmackvoll
in das weisse Kopftuch gehüllt, und nur einige tragen die rothe Winterkopfbekleidung.
Männer sowohl w ie Frauen knien andächtig am Boden und verrichten unter unzähligen Bekreuzungen
ihr leise hin gemurmeltes Gebet. Die Städterinnen erscheinen in der Kirche nach
er sie gut kleidet. Die Frauen knien
spanischer Sitte mit der schwarzen Mantilla und dem V elo, de
zumeist auf der einen, die Männer auf der ändern Seite, in
der Regel haben sie kein Messbuch, da die wenigsten der
Bäuerinnen lesen können; sie beten dafür den Rosenkranz
ab und wedeln zu gleicher Zeit in echt spanischer Koketterie
mit ihrem Fächer. Unterdessen stehen viele Männer auf dem
Platze vor der Kirche, und nach dem mit grossem Pompe abgehaltenen
Gottesdienst zieht Alles in die Stadt hinunter.
Viele Bauern kehren noch am Vormittag zu ihren Wohnungen
zurück, andere halten sich länger in der Stadt auf, und von
diesen w ird gesungen, geschmaust und das Brummeisen g e schlagen.
Nicht selten versammeln sich die Leute um ein
paar Gitanos, die von Zeit zu Zeit von dem spanischen Festlande
herüberkommen, und zeigen ihnen ihre Hand, um aus
den Linien derselben die Geheimnisse der Zukunft zu erfahren.
Im Uebrigen bringt man den Sonntag w ie alle Tage zu,
höchstens macht man gegen Abend einen kleinen Spaziergang
längs des Hafens, die späteren Stunden werden dann w ie
gewöhnlich im Casino oder Wirthshaus verlebt.
Die Ankunft der Dampfschiffe bringt unter die Städter
mehr Bewegung, namentlich jenes, das Mittwoch früh von
Valencia eintrifft. Kaum hat das Dampfschiff im Hafen Anker
geworfen, so versammeln sich schon die Leute am Muelle,
um die Tagesneuigkeiten zu erfahren oder die Ankommenden
zu begrüssen. Unterdessen w ird die Correspondenz an’s Land
gebracht; der Capitän macht dem Gouverneur Mittheilung von
den wichtigsten Tagesfragen in Spanien, und übergiebt die
Römische Inschrift,
Pässe oder andere Legitimationskarten der Ankommenden der
Polizei, bei welcher sie so lange verbleiben, bis sie von der
n Betreffenden .ein oder zw ei Tage
vor ihrer Abreise wieder abgefordert werden. Die wenigen abgehenden Passagiere müssen ihre
Karten noch auf dem Lande lösen.
Nach kurzem Aufenthalt, während dessen die neue Post für Palma und von dort aus nach
dem Continent an Bord gelangt und die wenigen Güter geladen werden, lichtet das Dampfschiff
die Anker, um weiter zu fahren.
Im Laufe der Jahre führen sonst nur Markttage und religiöse Feste einige Abwechslung
herbei. Die wichtigsten Märkte werden an den Vorabenden von Weihnachten, Ostern und Pfingsten
abgehalten. Feste giebt es in grösser Anzahl; als die wichtigsten gelten die Gedenktage der Titular-
heiligen der Pfarrkirchen, das Oster-, Fronleichnams- und Johannisfest. Das letztere feiern alle
Bewohner; in der vorhergehenden Nacht werden auf allen Höfen grosse Feuer, Fogatas genannt,
angezündet. Zu den grösseren Festen gehört auch das des heiligen Cyriacus, des Patrons
der Insel.