Familiengebräuche.
W ir wollen nun noch die besonderen Volksgebräuche der Mallorquiner bei ihren wichtigsten
Lebensereignissen in Betracht ziehen und verweilen zuerst bei ihren Verehelichungen.
Wenn ein junger Mann einem jungen Mädchen seine Verehrung kund geben w ill, dann
bringt er ihr mit einigen Freunden eine Serenade. Bei solchen Serenadas erscheint der Liebhaber
in Begleitung einiger Freunde, sie spielen die Guitarre und singen dazu Volkslieder. Gegenwärtig
befolgen nur noch junge Gewerbetreibende und die Bauern diese poetische Sitte, welche früher
ganz allgemein war. In Palma haben sich allmählich für Mädchen aus den wohlhabenden Ständen
lärmende Musikserenaden ohne Gesang mit Blas- und Streichinstrumenten eingebürgert. In Andraitx,
w o viele junge Männer Seeleute sind, herrscht unter den Brautleuten die eigenthümliche Sitte, dass,’
wenn einer von diesen eine lange Reise unternimmt, er seiner Geliebten eine Summe Geld als eine
A rt Unterpfand für seine Treue während seiner Abwesenheit übergiebt und sie ist berechtigt
w enn der Geliebte sie vergessen sollte, das Geld zu behalten, wogegen sie ihre kleinen Geschenke
zuruckfordem kann. Dies Alles gilt selbstverständlich von den ärmeren Klassen. Die reicheren
Bewohner Palma’s und der Ortschaften befolgen die auch in Europa üblichen Sitten und Gebräuche.
Nach der Trauung findet das Dejeuner und Diner statt, dem Abends zuweilen auch ein Ball folgt.
Die Aermeren begnügen sich mit einem einfachen Refresco in der künftigen Wohnung der Brautleute.
A u f dem Lande begiebt sich am Nachmittag der Bruder mit einer Liqueurflasche und die
Schwester der Braut mit Bescuyts in Begleitung einiger Freunde und Freundinnen, welche der
Trauung beiwohnten, und einem Violinspieler in die Wohnungen der Freunde und Bekannten.
Hier bietet die Schwester der Braut Bescuyts an, während ihr Begleiter den Männern unmittelbar
aus der Flasche einen Schluck Liqueur verabreicht, während die Musikanten vor der Haus-
thüre spielen.
Nachbarn und Freunde beglückwünschen die Neuvermählten mit den Worten: „G o tt mache
aus Euch so gute Eheleute w ie den hl. Joseph und Maria“ . Die Neuvermählten stehen beim Empfang
der Glückwünsche neben einander. Die Novia trägt noch immer die Manta, mit der sie zur Kirche
ging, und heschäfligt sich damit, den Frauen die Geschenke, welche sie von den Verwandten des
Novi, sowie von den Pathen und Freunden erhalten hat, zu zeigen. In anderen Ortschaften herrscht
noch die Sitte, dass der Novia am Hochzeitstage Geschenke dargebracht werden. Neben ihrem
Manne stehend erwartet sie die Glückwünsche, wob ei sie ein Sacktuch taschenförmig gefaltet in
der Hand hält, in welches dann die Gaben, eine Peseta, ein Duro und noch werthvollere Münzen
gesteckt werden. Bisweilen übergeben die Frauen bei dieser Gelegenheit der Novia einen Rebosillo,
eine Schürze, Sacktuch oder etwas Aehnliches. In der Dämmerstunde versammeln sich die Hochzeitsgaste
im Hause des Novi oder der Novia zum Tanz, w ob e i wieder ein reichliches Refresco gegeben
und auf die Gesundheit des Ehepaares getrunken wird.
Wenn eines von den Brautleuten v erw ittw e t ist, so wird ihm am Tage vor der Trauung
eine Katzenmusik mit entsetzlichem Lärmen und Schreien, Hörnerblasen, Trommeln etc. gebracht,
und Niemand, mag er reich oder arm sein, entgeht derselben.
Gewöhnlich sind die Anstifter der Katzenmusik die Verwandten und Freunde der Neuvermählten
selbst. Diese Sitte ist durch alle Ortschaften verbreitet, sie w ird selbst in Palma
befolgt, jedoch mit weniger Lärm, namentlich wenn es sich um Personen aus den vornehmen
Kreisen handelt.
Was die Taufen anbelangt, so finden sie meistens am frühen Morgen, ja sogar schon bei
Sonnenaufgang statt. Vierzig Tage nach der Geburt oder auch früher geht die Wöchnerin mit
dem Kinde, das die Hebamme trägt, zur Kirche, um die Misa de Partera (Wöchnerinnenmesse) zu
hören. Die Wöchnerin lässt einen Kuchen, Coca und eine kleine Flasche Wein segnen; ausser-
dem opfert sie zw e i Kirchenkerzen für den Altar, während sie die dritte brennend in der Hand
hält und sie später mit dem Kuchen und Wein nach Hause zurücknimmt, um damit die Bekannten
zu beschenken. In Palma findet auch eine Misa de Partera statt; hier aber werden Kuchen und
W ein nicht mitgebracht.
Bei Todesfällen legt man den Leichnam so bald als möglich in den Sarg, den man mit
brennenden Kerzen umgiebt, während die Verwandten und Freunde rings herum Platz nehmen
und die Angehörigen des Verstorbenen in möglichst geräuschvoller W eise klagen und jammern.
Dadurch entsteht ein Stimmengewirr der unheimlichsten Art, von dem man sich schwerlich eine
Vorstellung machen kann. Noch an demselben Tage, an welchem der Todesfall stattfand, begiebt
sich der Pfarrer, von allen Verwandten und Bekannten des Verstorbenen umgeben, in das Trauerhaus,
um das Gebet eines Rosenkranzes (der Sateri), zu verrichten. Während der Nacht wird
von Verwandten und Freunden die Todtenwache gehalten; sie beten einige Zeit, dann aber werden
allerlei unterhaltende Dinge und Scherze erzählt, die Männer nehmen zuweilen einen Schluck
Liqueur zu sich, sprechen jedoch stets vorher ein Vaterunser und fügen am Schlüsse desselben die
Worte hinzu: „Im Himmel werden w ir ihn Wiedersehen“ .
In Felanitx und einigen ändern Orten herrscht der seltsame Brauch, dass, wenn die Leiche
eines Kindes um die Zeit der Mandelernte bewacht wird, die betreffenden Personen, mit Ausnahme
der Familienglieder, die Nacht mit Scherzen und Lachen verbringen und um ein oder zw e i Uhr
Morgens die Mandelbäume der benachbarten Felder oder Gärten aufsuchen und deren Früchte in
solcher Menge verzehren, dass bisweilen ganze Bäume beraubt werden; sie fragen hierbei nicht
darnach, wem diese Bäume gehören, sondern rechnen auf die Nachsicht der Eigenthümer, die auch
nie dagegen Einsprache erheben. In der Regel werden die Erwachsenen beiderlei Geschlechts in
ihren gewöhnlichen Kleidern begraben, bisweilen hüllt man sie in die Kleider eines religiösen
Ordens, die Knaben und Jünglinge werden häufig im Anzuge des hl. Alois Gonzaga, die Mädchen
im Kleide der unbefleckten Jungfrau beerdigt. Die Familien aus den höheren Ständen entfalten
grossen Luxus bei der Bekleidung ihrer verstorbenen Kinder.
Die Leiche wohlhabender Leute wird in einem mit schwarzem, oder, wenn es ein Mädchen
ist, mit blauem Stoff überzogenen Sarge nach dem Friedhofe befördert, die ärmeren Klassen v e r wenden
nur einen angestrichenen Sarg.
Bei der Beerdigung w ird die Leiche zuerst in die Kirche getragen und mit Lichtern umgeben,
alsdann eine Seelenmesse gelesen, öfters mit Orchesterbegleitung, und nach deren Beendigung w ird
die Leiche auf den Friedhof gefahren oder getragen. Meist verwendet man schwarze Trauerwagen
Aufwand in vier verschiedenen Klassen; für die Kinder unter sieben Jahren sind sie
blau angestrichen und mit Silber verziert. Die Wagen aller Klassen tragen an den Ecken sechseckige
Laternen, in denen Kerzen brennen. Den Leichenwagen begleiten Messknaben mit Lampen,
bisweilen Kinder aus dem Hospiz, sowie Freunde und Bekannte und die Familie des Verstorbenen’
. reicllen Personen die Freunde in einer Anzahl Wag en und die Bauern seines Predios; fast
immer bethefiigen sich an den Leichenzügen einige Priester, welche Ploradors genannt werden’ und
Bettler, welche unter Beten bis auf den Friedhof folgen. Die Reicheren werden in einem eigenen
Grabe bestattet, die Armen kommen in ein gemeinschaftliches Grab.
Nach dem Requiem und der Leichenfeier begiebt sich der Klerus und alle anderen A n wesenden
in das Trauerhaus, um der Familie ihr Beileid (Pésame) auszudrücken, und die v ertrautesten
Freunde verweilen einige Zeit und bemühen sich, die Hinterbliebenen zu trösten.
Man trägt gewöhnlich zw ei Jahre Trauer für die Eltern und ebenso diese für die Kinder.
Eheleute betrauern sich drei Jahre, Geschwister ein Jahr, Schwiegereltern und Schwiegerkinder
ebenfalls ein Jahr, Oheim und Neffen sechs Monate, Vettern vier und zweiten Grades zw ei Monate.
Am Allerseelentag ist es allgemein Sitte, wenigstens einer Messe zum Heile der verstorbenen
Verwandten beizuwohnen und die Friedhöfe zu besuchen, und man sieht auf vielen Gräbern
brennende Kerzen.
M ä r k t e .
Die Markttage führen stets eine grössere Anzahl von Leuten in den mallorquinischen Ortschaften
zusammen. Märkte werden in Manacor, Montuiri, Sineu, Inca, Palma, Binisalem, Felanitx
Pollenza und Sansellas abgehalten. . .