an der Gasse nieder. Seitdem jedoch wöchentlich zweimal eine Militärcapelle auf dem Borne spielt,
ziehen die vornehmeren Leute den Spaziergang auf dem Borne dem Besuche der Gassenfeste
vor. Ihre Betheiligung beschränkt sich jetzt meistens auf einen kurzen Spaziergang über den
Festschauplatz.
Die wichtigsten von den vorerwähnten Festen, w elch e sich zugleich des vornehmsten Besuches
erfreuen, sind die von Sn Juan, Sn Pedro und Nuestra Señora del Carme; das letztere zieht
namentlich die Seeleute an. Das Fest der Beata Catalina Tomás zeichnet sich durch besondere
Eigenthümlichkeiten aus, die es zu einem sehr beliebten machen. Es erscheint nämlich bei denselben
Triumphwagen (Carro de la Beata), den eine Cavalcade begleitet. Der Carro ist ein riesiger
offener, mit Malerei und Verzierung überladener Wagen, auf welchem ein junges, die Beata darstellendes
Bauermädchen, mit zwei kleinen als Engel gekleideten Knaben durch die ganze Stadt
gefahren wird. Weiter befinden sich auf dem Wagen noch einige junge Violinspieler und Knaben,
welche gemeinschaftlich zur Musik Coplas aus einer Hymne zu Ehren der Beata singen, und in eine
Art weisse oder violette Túnica mit verschiedenfarbiger Schärpe gekleidet sind und eine Lorbeerkrone
tragen. Dazu kommen noch einige Knaben in maurischer Tracht, w elche Wachskerzen zur
Beleuchtung des Wagens halten.
Der Carro w ird von sechs Maulthieren gezogen, die von einem Kutscher und Reitknecht
gelenkt werden. Die den Wag en begleitende Calvalcade besteht aus einer Anzahl junger Männer
zu Pferd in altspanischer, einige in maurischer Tracht, mit Harzfackeln in den Händen. Mit Ausnahme
von zw ei Reitern, welche den Zug beschliessen, reiten alle Begleiter dem Wagen voraus
unter Anführung eines auf einem Maulthier reitenden Bauern in gewöhnlicher Tracht, der die
Standarte dei Beata trägt. An der Spitze des Zuges fährt ein Bauernwagen, we lch er mit Fackeln
zum Ersatz der verbrauchten beladen ist und auf dem noch einige Männer, welche die Cheremias,
den Tamborino und Fabiol spielen, Platz genommen haben. Gegen io Uhr Abends geht der kleine
Zug von der Kirche von Sta Magdalena aus zum Borne, der dicht mit Neugierigen gefüllt ist, und
durchzieht fast alle Strassen der Stadt; von Zeit zu Zeit macht er Halt, damit die Sänger auf dem
Wagen eine Copla singen können; dies geschieht vo r dem Hause eines Mitgliedes oder angesehener
Personen, denen man damit eine Ehre erweisen w ill. Während des Gesanges werden aus den
Fenstern des betreffenden Hauses Hände voll Confits der Beata zugeworfen. Der Umzug der
Cavalcade dehnt sich meistens bis 2 Uhr Nachts aus. Der von uns geschilderte Wagen und die
begleitende Cavalcade sind nur ein schwaches Ueberbleibsel von den Festlichkeiten, welche zur
Zeit der Beatification der Catalina Tornas in Palma stattfanden. Diese Beata w a r eine Bauerntochter
von Valdemosa, sie wurde 1531 geboren, legte 1555 in dem Kloster von Sta Magdalena ihr Gelübde
ab und wurde durch Pius VI. 1785 selig gesprochen. Am folgenden Sonntag w ird das Fest der
Beata wiederholt, indem ebenfalls Nachts ein kleiner Triumphwagen, den man Es Carro petit de
la Beata nennt, durch die Gassen fährt, den gleichfalls eine Cavalcade von Knaben, die auf kleinen
Pferdchen reiten, begleitet; Wagen, Trachten, Anordnungen des Zuges sind eine Nachbildung des
grossen Festes. Die Bruderschaft aber, w elche für den Carro petit und das betreffende Fest sorgt
und die Kosten desselben trägt, ist eine andere, sie besteht ebenfalls nur aus Knaben.
Die Reihe der Gassenfeste Palma’s schliesst mit den Festen des S“ Magin im Arrabal de
Sta Catalina und des S° Bernard bei dem ehemaligen Cisiercienserkloster de la Real.
Das Fest des hl. Magin, des Patrons des Arrabal de Sta Catalina, wird am 19. August mit
einer religiösen Feier und mit Wettrennen und Tanz w ie die übrigen derartigen Feste begangen.
Die Hauptstrassen von Sta Catalina bieten während der Nacht des Festtages ganz denselben A n blick
dar, w ie bei den Gassenfesten die Strassen Palmas. Der Andrang ist dann ungemein gross, da
insbesondere am Nachmittag eine unabsehbare Menschenmenge von Palma nach dem Arrabal strömt.
Das Fest des S" Bernard, eines der volkstümlichsten und beliebtesten auf Mallorca, wird
am 20. August ganz nahe bei der Kirche La Real abgehalten. Obschon hier keine Unterkunft zu
finden ist, ziehen schon am Vorabend viele Leute aus den niederen Klassen dahin und bringen die
Nacht im Freien zu. Am ändern Morgen begeht man eine kirchliche Feier. Der Zudrang der Theil-
nehmer wird von der ersten Morgenstunde an immer grösser; man schätzt ihre Zahl auf 12— 15000;
die Meisten fahren oder reiten. Während in der Nähe des Klosters Tänze veranstaltet werden,
lagern zu beiden Seiten des dahinführenden Weges Gruppen von Personen auf dem Boden und
halten ihr Mahl ab, wobei ihnen theils ein ausgebreitetes Tuch, theils der Rasen selbst als Tisch
dient. Gesang und Heiterkeit, sow ie Cheremias-, Tamborino- und Fabiolklänge fehlen nicht. Bei
diesen grossen Gelagen sind alle Klassen vertreten. Bei Sonnenuntergang kehrt A lles heim, man
sieht die Reiter und Fuhrwerke in langer Reihe auf der Strasse dahinziehen. Die Karren sind mit
Leuten überfüllt, welche bei der Einfuhr in die Stadt Harzfackeln anzünden und den Freudenruf
„Chuya“ ausstossen, der eigens für dieses Fest gilt.
Die Einweihung einer neuen Kirche giebt gewöhnlich auch zu einem Volksfest mit Tanz,
Wettrennen und Feuerwerk Veranlassung.
Im Anhänge zu den Volksfesten sei hier noch der Feier gedacht, die beim Eindachen eines
Hauses stattfindet. Es herrscht in fast allen Gegenden die Sitte, die bekannten jungen Männer und
Mädchen dazu einzuladen nnd sich von ihnen beim Decken des Daches mit Ziegeln helfen zu lassen.
Nach vollendeter Arbeit giebt der Hausherr ein kleines Refresco, bestehend aus Wein mit Bescuyt
und Confits, und ein Tänzchen schliesst das kleine Fest.
Die Refrescos, die nicht blos bei diesem, sondern auch noch bei verschiedenen feierlichen
Anlässen verabreicht werden, sind bei den Land- und Ortsbewohnern, sowie bei den niederen
Volksklassen der Stadt meistens sehr einfach, variiren jedoch selbstverständlich nach den V er mögensverhältnissen
der Betreffenden. Bei den Aermeren trägt Jemand eine Schüssel mit Confits
de Anis und de Re tge ya, worauf ein silberner Löffel liegt, im Zimmer umher, denn ein solcher
Löffel gilt als ein unentbehrliches Geräth, und der Arme, der keinen solchen besitzt, leiht sich bei
dieser Gelegenheit einen. Dieselbe Person geht mit einer Flasche Anisbranntwein umher und lässt
die Eingeladenen einen Schluck aus derselben nehmen.
Die Begüterten lassen mehrere Teller mit Confits u. dergl. herumgehen, und statt des
gewöhnlichen Branntweins w ird Resolis aus einer grossen Schüssel mit Gläsern verabreicht.
Dieses Resolis besteht aus Branntwein mit Zucker und einem darin macerirten Kraut oder Obst,
bisweilen fügt man noch eine Flasche süssen weissen W e in hinzu. Häufig werden die Confits
oder Backwerke nicht gegessen, sondern in die Tasche oder in das Sacktuch gesteckt; aber nehmen
muss man stets von dem Angebotenen, sonst w ird man der Verachtung beschuldigt.
In Palma w ird bei den stattfindenden Refrescos Chocolade und Gefrorenes verabreicht,
und der Tisch ist mit einer Menge des vorzüglichsten Backwerks und Confituren bedeckt; diese
städtische Sitte ahmen auch die reicheren Bewohner der Ortschaften nach.
Zu den Volksunterhaltungen kann man auch die Ausflüge rechnen, welche Familien, meist
der Arbeiterklassen, auf’s Land machen, um dort den Tag zuzubringen und im Freien auf dem Boden
lagernd zu essen; bisweilen w ird auch ein Tänzchen nach dem Spiel der Guitarre improvisirt.
Im Anschluss an die Volksgebräuche sei noch der Zeiten gedacht, an welchen man sich
Geschenke macht. Zu Weihnachten pflegt man einen Truthahn oder ein Spanferkel denjenigen
Personen zu schenken, denen man seine Erkenntlichkeit bezeigen w ill; zu Ostern ein Lamm oder
einige Panadas, und zum Feste der Jungfrauen den Mädchen einen Teller Backwerk. Zum Namenstag
giebt man eine Torte oder andere Confituren. Zum Beschenken der Kinder ist der Dreikönigstag
bestimmt. Man erhält sie nämlich in dem Glauben, dass am Vorabend desselben Tages die hl.
drei Könige in leibhaftiger Gestalt mit ihrem Gefolge auf Pferden und Maulthieren mit Bonbons
beladen ankommen, um damit die Schuhe der Kinder zu füllen, welche diese für die Nacht vo r
die Fenster oder auf die Balkone stellen und reichlich mit Gerste und Bohnen für die Thiere der
Könige versehen. Diese Sitte, der selbstverständlich nur die Kleinsten Glauben schenken, findet
zuweilen noch für spätere Lebensjahre Anwendung. Man steckt dann anstatt der Bonbons Schmuckgegenstände,
Geld etc. in die Schuhe.