36 I. Ibiza.
noch länger aushält. Im Sommer setzt man von Zeit zu Zeit die Boote unter Wasser, um sie
einerseits zu reinigen, andererseits aber von jedem Ungeziefer zu befreien; denn die Schaben, und
hauptsächlich die Blatta Americana, kommen auf ihnen bisweilen massenhaft vor.
Der Aufenthalt auf dem Boote ist für die Fischer, so lange der Fischfang währt, sehr anstrengend
und ermüdend, sonst aber bei den oft lange Zeit dauernden Aus- und Rückfahrten ein
wahres Faulenzerleben. Es w ird geraucht, geplaudert und zumeist geschlafen. Den einen Arm
als Polster unter dem Kopfe, und den Strohhut über den Augen, liegen die Fischer im Schatten
der Segel und gemessen hier, vom kühlenden Seewinde umbraust, eine wahrhaft selige Ruhe.
Nimmt das Schiff eine andere Richtung, so dass die heissen Sonnenstrahlen auf den Schläfer fallen
so w ird er sofort, namentlich wenn es ein Knabe ist, von den Gefährten geweckt, damit er nicht
am Sonnenstich erkranke. Alsdann leg t er sich sofort gemüthlich auf die andere Seite, wohin
jetzt das grosse Segel seinen Schatten wirft, und schläft ruhig und sorgenlos weiter fort.
Wenn der Stand der Sonne die Mittagsstunde anzeigt, wird gegessen. Die Vorrichtung
zum Kochen besteht in einem flach ausgehöhlten harten Holzklotze, der als tragbarer Feuerherd
dient. Darauf legt man zwischen einzelne Steine einige Kohlenstücke, sowie Zapfen und Zweige
von .Strandkiefern. Wenn das Feuer emporlodert, so setzt man . einen Topf mit Wasser auf, und
kocht darin Reis, den ein paar Fische, süsse Paprika und etwas Saffran würzen. Während einer
der Fischer am Steuer hingestreckt liegt, sitzt ein anderer, gemächlich sein Thonpfeifchen rauchend
neben dem Feuerherde und facht von Zeit zu Zeit mit seinem Strohhute die matter brennende
Flamme an. Kaum ist das Essen zubereitet, so wird aus der. Vorrathskammer unter dem Deck
Schwarzbrod herbeigeholt und vom Eigenthümer des Bootes, dem auch der Proviant gehört jedem
ein. Stück zuertheilt.: Während das Schifflein rasch über die blaue Fluth dahinfliegt, setzen sich
die Fischer im Kreise, um den .Topf, der so aufgestellt wird, dass er auch im Bereiche Desjenigen
ist,, der das:Steuer.führt. Aus dem Topfe, der zugleich die Stelle einer gemeinschaftlichen Schüssel
vertritt, schöpft nun ein Jeder, mit seinem knöchernen oder hölzernen Löffel, häufig auch blos mit
einer-ausgehöhlten Schwarzbrodrinde, sein Essen. Bisweilen kommen dazu noch ein paar ganz
frisch, gebackene; schmackhafte Seefische, um dieses einfache Mahl zu vervollständigen. Hat ein
Jeder seinen Hunger gestillt, so wird eine Jerra mit. Wasser umhergereicht, die man. von Zeit zu
Zeit, aus .einem grösseren, sonst .gleichgeformten Thonkrug, in welchem das Trinkwasser auf bewahrt
wird, von Neuem füllt. In . kürzeren Zügen schlürfen dann die Fischer noch etwas Wein. aus. einer
mit einem geflochtenen Ueberzuge umhüllten Flasche. Sodann wird Alles schnell bei Seite geschafft
und nun zündet man dielCigaretten, an, die d.en gewöhnlichen Zeitvertreib der Ibizaner ausmachen.
Selten bleiben die Fischer. über Nacht draussen, sondern sie kehren fast, immer in der
Dämmerung in den Hafen ivon Ibiza.zurück.. Nachdem sie an der Riva der Marina den Anker g e worfen
haben, hegebeü; sie .sich in .ihr kleines Häuschen und bringen die Nacht, bei ihrer Familie
zu, bis der heranbrechende Tag sie zu neuer Arbeit ruft.
• : W ie . die ganze äussere .Erscheinung .und die Lebensweise der. Fischer von der der Bauern
abweicht, so unterscheiden, sie .sich auch in ihren-geselligen Unterhaltungen. Der lärmende Tanz,
die :Mu'sik. und der Gesang der Bauern Wird, von den Fischern verschmäht. Eine eigene Tanzweise
besitzen sie nicht; am beliebtesten ist aber, unter ihnen der spanische Fandango. Musik treiben
sie gar nicht; höchstens verlegen sie. sich auf den Gesang. Nach A rt der Spanier der Festlands-
kuste-singen sie ihre Lieder, in einem sanften-, etwas .näselnden und höchst melancholischen Tone
wobei sie die letzten Worte jedes Verses stark in die Länge ziehen. Diese Lieder entlehnen sie
meistens von den Südspaniern; sie tragen dieselben auch im echten Spanisch vor, das nur hie und
da durch den ibizanischen Dialekt verunziert wird. Häufig sind es blos Anfänge von Liedern oder
einzelne Verse, die dann eine Art dichterischer Sprüche bilden, welche der junge Sohn dem Vater
nachlallte, meist Früchte einer südlichen Einbildungskraft oder Ergüsse eines tief fühlenden Herzens.
Es giebt Fischer, die deren eine grosse Anzahl auswendig wissen; die beliebtesten werden bisw
eilen hundertfach in demselben Tone wiederholt, w ie wenn in jenen Worten etwas Geheimniss-
voHes und unwiderstehlich Anziehendes läge. Ich habe viele, solcher Verse gehört, die meisten
aber ebenso schnell wieder vergessen, als ich sie vernommen hatte. Einige haben sich indessen
Jagd und Fischfang. 37
noch in meiner Erinnerung erhalten, w ie z. B.: El capitán me manda a bordo y y o hago el sordo
por no andar (Der Kapitän schickt mich an Bord, und ich spiele den Tauben, um nicht zu gehen).
Porque me gusta el vino quiero vivir en Granada (W e il mir der Wein schmeckt, so wünsche ich
in Granada zu leben). El campanario de Sevilla no es tan rico como tus ojos, niña! (Der Glockenthurm
von Sevilla ist nicht
so reich, w ie Deine Augen,
Mädchen!) In anderen
solchen Dichteraussprü-
chen g ieb t sich eine aus
dem grossen Buche der
Natur geschöpfte philosophische
Lebensanschauung
kund, w ie z. B. in
den folgenden: Wenn
Einer drei Reben hat, so
hat er mehr als der, w e lcher
deren zwei besitzt,
und muss damit zufrieden :
sein; w e r aber auch nur
Eine hat, muss dennoch
Gott dafür danken. — Das
Heirathen für einen Tag
oder einen Monat kommt
nicht von Gott, sondern
nur das Heirathen für das
ganze Leben. Q Das Wort,
das ich Dir gab, das werde
ich auch halten, koste es
selbst den Tod. — Eher
w ird das Meer sein G e brüll,
eher wird die Sonne
ihre Strahlen verlieren
als dass ich untreu werde
meinem Wort. — Einstmals,
als in stiller Nachtzeit
das Boot w ie müde
von andauernder W in d stille
ächzend auf- und
niederschwankte, hörte
ich einen Fischer die folgenden
Verse eines südspanischen
Liedes singen:
Seria mejor 110 haber na- Popa de un Falucho,
cido, que haber sufrido
tanto penar (Besser w äre es, nie geboren zu sein, als so viel gelitten zu haben). W ie tie f drangen
diese inmitten der erhabenen Ruhe der Natur ausgesprochenen W o r te in meine Seele. Der Mensch
bleibt überall derselbe, mag er seine Heimath auf der einsamen Fischerbarke oder im goldgeschmückten
Palaste haben I
Die Fischer sind wegen Ausübung ihres Gewerbes keiner Steuer unterworfen. Der Fischfang
w ird auch hier, w ie in ganz Spanien, als ein Vorrecht a lle r;Derjenigen betrachtet, w elche in
die Matricula de hombres de mar eingeschrieben sind; es ist dies gewissermafsen eine Entschädigung