oder sonstigen besonderen Anlässen geschieht es w o h l zuweilen, dass man auch zum Mallor-
qumischen greift. -•
Auch der grösste moderne Schriftsteller, den die Mallorquiner besitzen und einer der bedeutendsten
Spaniens, Don Jos«? Maria Quadrado, bedient sich nur ausnahmsweise der heimischen
Mundart, so z. B. in einigen historischen Schriften.
Nachdem w ir diese Schule der mallorquinischen Schriftseiler kennen gelernt haben
müssen w ir uns auch mit der zweiten beschäftigen, welche die viel zahlreichere und mafsgebendere
ist. Sie verdankt der Neuzeit ihre Entstehung, seitdem die Nationalitätsphantome, die mehr oder
minder allenthalben in unserem, leider noch so w enig kosmopolitischen Zeitalter auftauchten sich
geltend gemacht haben. Es bildete sich nämlich in Catalonien, Valencia und Mallorca ein Verein
junger Schriftsteller, deren Streben war, die Mundart ihrer Heimath wieder zu beleben die Orthographie
derselben festzulegen und die einheitliche Sprache der drei Länder, w ie sie in den Tagen
ihres Glanzes beschaffen war, und w ie sie auf Mallorca von den spanischen Eroberern welche die
Insel bevölkerten, gesprochen wurde, wieder herzustellen. Zu dem Ende nahmen sie sich die
alten trefflichen Schriften, die bisher im Staube der Archive vergraben lagen, zum Muster veröffentlichten
die interessantesten Denkmäler dieser verschollenen Literaturepoche und sammelten
unter den alten Landleuten die lieblichen Volkslieder, Sagen (Cuentos) und Ueberlieferungen, und
Überhaupt Alles, was sich noch von der alten Sprache rein erhalten hatte. Diese Bestrebungen
haben zur Gründung des Consistorio de los Jochs florals in Barcelona Veranlassung gegeben
welches unter dem dichterischen Wahlspruch „Patria fides amor“ eine ganze Reihe von Gelehrten’
Literaten und Dichtern vereinigt, deren Ausdauer und Talent bereits die schönsten Früchte hervor-
gebracht hat und auch für die Zukunft die glänzendsten Resultate erwarten lässt.
Ein Dutzend bedeutender Dichter vertreten gegenwärtig diese Schule, V o r Allen verdienen
Geronimo (Gerom) Rossellö und Don Mariano Aguilö y Fuster genannt zu werden
Ein ebenfalls bedeutender Dichter dieser Schule'ist Miguel Victoriano Amer, dessen Gattin
sich in derselben literarischen Schule durch poetische Erzeugnisse hervorgethan hat Unter ihren
vielen, theils religiösen, theils lyrischen Gedichten heben wir das Lied an ihre Tochter heraus
A ma filia.
Qui ’m diria, ma filleta,
Vida de la meua vida.
Que dexarias mos brassos
I á nel cel te ’n pújarias!
Qui ’m diria, ma filleta,
Que del cel no, tornarías
I que ab lo cor pie d’ angoxa
Ta mare al mon romandria!
Qui ’m diria, ma filleta,
Que mos ulls ja no ’t veurian
Ni entre 1’ ombra de la nit
Ni á la clara llum del dia!
Qui ’m diria, ma filleta,
Que sense tú ’s tornaría
Lo mon .estreta presó
Restant jo en ella captiva!
A y! qui fos nubolet blau
Que a tota pressa s’ enfila!
Jo per V espay, filia meua,
Mes propet de tu estaría.
Qui fos lo pur blau del cel
O T estrelleta que brilla!
An meine Tochter.
Wer hätte mir gesagt, mein^löchterlein,
Leben meines Lebens,
Dass Du meine Arme verlassen
Und zum Himmel aufsteigen möchtest!
Wer hätte mir gesagt, mein Töchterlein,
Dass Du vom Himmel nicht zurückkehrtest
Und dass mit dem Herzen voll Betrübniss
Deine Mutter in der Welt bleiben würde!
Wer hätte mir gesagt, mein Töchterlein,
Dass meine Augen Diph nicht mehr gehen würden,
Weder im Schatten der Nacht,
Noch bei dem klaren Lichte des Tags!
Wer hätte mir gesagt, mein Töchterlein,
Dass ohne Dich d ie 'W e lt sich verwandeln würde
In ein enges Gefängniss,
In dem ich gefangen bliebe?
Ach wäre ich dieses blaue Wölkchen
Welches mit grösster Schnelligkeit emporsteigt! ’
Ich würde dann, meine Tochter, im Raume
Viel näher bei Dir sein.
Wäre ich das reine Blau des Himmels,
Oder das Sternchen, welches leuchtet!
Tal volta, filleta meua,
Entre ’ls angels te veuria.
Qui fos de la fió ’1 perfum!
Qui fos del cant l’armonia!
Que es ben cert, filleta meua,
Que al teu costat volaría.
Qui fos V ángel de la guarda
Que te feya companyía!
Qui fos 1’ anima salvada
I no 1’ anima captiva! . . .
Aucellets, volau, volau,
Volau y feis llarga via,
I quant sereu molt amunt
Sentireu gran melodía . . .
Los ángelets son que cantan
A la presencia divina.
Aucellets, cuytau, cuytau,
Que jo ’us acompanyaria;
Mas pus me faltan les ales
Per aná á trobar ma filia,
Mos missatgers vullau esser
I digaulí de part mia . . .
Digauli que per mi prech
1 que ’m guart una cadira,
Perque es l ’anima salvada
I jo 1’ anima captiva.
Manchmal, mein Töchterlein,
Würde ich Dich unter den Engeln sehen.
Wäre ich der Wohlgeruch der Blume!
Wäre ich die Harmonie des Gesanges!
Fürwahr, mein Töchterlein,
Ich würde an Deine Seite fliegen.
Wäre ich der Schutzengel,
Der Dir Gesellschaft leistete!
Wäre ich die erlöste Seele
Und nicht die gefangene Seele! . . .
Vögel ein, flieget, flieget,
Flieget und legt einen langen Weg zurück,
Und wenn ihr sehr hoch hinauf gelangt seid,
Werdet ihr eine grosse Melodie hören . . .
Es sind die Engelchen, die
In der Gegenwart Gottes singen.
Vöglein, eilet, eilet,
Ich möchte euch hinauf begleiten.
Aber da mir die Flügel fehlen,
Um meine Tochter aufzusuchen,
Möget ihr meine Sendboten sein,
Und saget ihr von meiner Seite . . .
Saget ihr, dass sie für mich bete,
Und dass sie mir einen Platz auf bewahre;
Denn sie ist die erlöste Seele
Und ich bin die gefangene Seele.
José Luis P o n s beschliesst den Kranz der Hauptvertreter der repristinatorischen Schule,
welche das Bestreben, die alte Sprache Mallorca’s wieder herzustellen, am meisten und deutlichsten
erkennen lassen. Die übrigen Dichter, die w ir hier noch erwähnen w o llen , verfolgen wohl
dieselbe Richtung, aber nicht in einem so auffallenden Grade, w ie die früheren.
Von diesen nennen w ir zuerst P e d ro de A lc a n ta r a P e n a , einen der hervorragendsten
mallorquinischen Dichter der Jetztzeit, von dem w ir folgendes Gedicht hier wiedergeben.
La llágrima denera.
El sol es ardent y crema,
Por çô están deserts los camps ;
Los llauradors dins las sitges
Tenen ja guardat son blat.
Sols un pobre ab gran fatiga
Travessa lo cami llarch
La cullita de sa rota
Lo salabre destrossá
Deixà sa banaca a 1’ auba
I a sos infants morts de fam
Los digué: „Esperaume un dia
I al tornar vos duré pà.“
Jà trist à la vil a arriba,
Mes ¡ay! se troba aglassat
Que sas forçes ha retudas
Tant de temps sense menjar.
Balearen I.
Die letzte Thräne.
Die Sonne ist glühend heiss und brennt,
Deswegen sind die Felder wüst;
Die Arbeiter haben schon in den Kornkammern
Ihr Getreide aufbewahrt.
Nur ein Armer schreitet mit grösser Mühe
Den breiten Weg daher.
Die Ernte seines Ackers
Wurde von den salzigen Dünsten zerstört.
Bei Tagesanbruch verliess er seine Hütte
Und sagte zu seinen verhungerten Kindern:
„Wartet einen Tag auf mich,
Und bei der Rückkehr werd’ ich euch Brod bringen.“
Schon gelangt er traurig an die Ortschaft,
Aber ach! er fühlt sich ermattet,
Denn seine Kräfte sind erschöpft
Durch die lange Zeit, in der er ohne Nahrung blieb.
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