I. Ibiza.
zieht sich ein Jeder zurück, die Mitglieder des Hauses suchen ihr kleines Gemach auf, und die
Ändern begeben sich nach ihren Wohnungen.
Die Tanzunterhaltungen beschränken sich keineswegs blos auf den Abend, im Gegentheil,
sie sind untrennbar mit dem Leben auf dem freien Felde verbunden, das die Ibizaner Bauern zumeist
im Sommer und hauptsächlich zur Erntezeit führen. W ie häufig habe ich in den heissen
Mittagsstunden, wenn die Bauern unter einem Baum ausruhten, dem lauten Schall der Castagnetten
und den süssen Klängen der
Flöte gelauscht; und so oft ich
diese Laute auch aus der Ferne
ertönen hörte, erweckten sie
immer in mir ein Bild friedlicher
Ruhe und stillen G lückes.
Im Winter giebt man sich diesem
Vergnügen gar nicht hin.
Sogar in der Kirche hat die
Ibizaner Musik Eingang gefunden.
Hier werden am Weih-
nachtsfeste Volkslieder unter
Begleitung von Tambor und
Flöte gesungen, und zwar nicht
blos in den Landpfarreien, sondern
selbst in den Kirchen der
Stadt. Ueberhaupt sind Musik
und Tanz auf Ibiza die gewöhnlichsten
Begleiter religiöser
Festlichkeiten, insbesondere
w ird der Tag des heiligen An tonius
von den Ibizanern in
dem gleichnamigen Orte durch
grosse Tanzvergnügungen und
Schmausereien gefeiert.
Auch bei Verehelichungen
fehlt es nie an dieser Unterhaltung.
Die Bauern beobachten
beim Heirathen überhaupt eine
eigenthümliche Sitte. Am V er mählungstage
begiebt sich nämlich
das Brautpaar in Begleitung
der Eltern, Verwandten und
bisweilen auch von Freunden
zur Kirche, um dort vom
lbizanischer Musikant. Priester die Weihe seines Bundes
zu empfangen. Sowie die
kirchliche Trauung vorüber ist, kehrt sowoh l der Bräutigam w ie auch die Braut in das elterliche
Haus zurück, und hier leben sie nun noch ein bis drei Monate, ja bisweilen ein halbes Jahr und
noch länger, gänzlich von einander getrennt. Erst dann wird die eigentliche Hochzeit gefeiert,
welche man die Boda nennt. Sie besteht in einem grossen Festessen, zu dem alle Verwandten
und Freunde eingeladen werden, und an dem regelmäfsig auch der Pfarrer theilnimmt. Nach dem
Essen oder am Abend desselben Tages hat Jedermann im Hochzeitshause Zutritt, sowohl um dort
zu tanzen und zu singen, w ie um überhaupt am Familienfeste theil zu nehmen. Bei dieser G e legenheit
werden die Gäste freundlich vom Familienhaupte aufgefordert, von Allem zu essen
Sitten und Gebräuche der Ibizaner. 23
und zu trinken, was ihnen zu Ehren zubereitet wurde. Erst nach Beendigung dieses Festes treten
die jungen Eheleute zusammen, um von nun an ungetrennt bei einander zu leben.
Die Geburt eines Kindes w ird nach fast überall üblicher Sitte gefeiert. Ein oder zw e i Tage
nachdem das Kind zur W e lt gekommen ist, wird es getauft. Nur Pathe und Pathin begeben sich
mit demselben zur Kirche, und wenn die Pathin nicht etwa in der Lage ist, das Kind, wenn es
gerade erforderlich w ä r e , selbst stillen zu können, so geht noch eine verheirathete Frau mit, die
es vermag. Vierzig Tage nach der Taufe w ird das Kind von seiner Mutter in die Kirche getragen,
und bei dieser Gelegenheit macht diese dem Priester ein kleines Geschenk, das zumeist in Zuckerbäckereien
besteht; auch hört sie die Geburtsmesse, welche Missa partera genannt wird, an.
Wenn Jemand stirbt, wird die Leiche von allen Verwandten zum Friedhof begleitet. Auch
die Eltern begleiten ihre Kinder und die Geschwister einander. Gewöhnlich wird die Leiche
ohne Sarg in eine Grube gelegt, in den Kleidern, welche der Verstorbene im Leben trug. Bisweilen
hüllt man sie in ein Leinentuch, wenn dies aber nicht geschieht, so legen die Begleiter auf das
Gesicht der Leiche, bevor sie mit Erde bedeckt w ird, Nesseln und andere Kräuter, die auf dem
Friedhofe wachsen.
Das Leben der Ibizaner Bauern ist einförmig, aber friedlich und still. Nichts stört sie in
ihrer behaglichen Abgeschiedenheit als zw ei Gedanken, die sie w ie schreckliche Phantome v erfolgen,
nämlich das Steuerzahlen und die Hergabe ihrer Söhne zu Soldaten. Die Zeit der Militäraushebung
ist auch eine der aufgeregtesten auf Ibiza. A lle Jünglinge versammeln sich im Hauptorte
ihres Distriktes, und aus ihnen wird dann die erforderliche Zahl nach Palma abgeführt, w o
die Untersuchung und Loosziehung stattfindet. Die Väter begleiten fast immer ihre Söhne dahin,
und nicht selten gelingt es einem oder dem ändern, seinen Sohn w iede r nach Hause zu bringen.
Diejenigen, welche nicht so glücklich waren, suchen in der Arbeit Trost und verfehlen zumeist
dabei nicht, auf die ihnen schon ohnehin verhasste Regierung zu schimpfen.
Ein den Ibizanern, w ie überhaupt allen Völkern, welche die A lle s nivellirende Gultur unserer
Zeit noch nicht allzustark beleckte, eigenthümlicher Zug. ist eine ungemeine Vorliebe für Sprüch-
wörter, unter denen sich manche'recht witzige finden. So zum Beispiel das, welches auch für viele
unserer Damen recht treffend w ä re: De die va se doni i de nit creme s’oli (Bei Tag geht die
Frau herum, und bei der Nacht verbrennt sie das Oel), oder für Leute, denen eine Sache gegen ihre
Erwartung ausgeartet ist: Qui l ’ha perit, que l ’engrons (Derjenige, welcher ihn gebar, der soll
ihn auch wiegen). Für Parvenüs etwas hart, aber häufig zutreffend, ist folgendes Sprüchwort:
Deu mus guard de espardeñe que torne sebate (Gott bewahre uns v o r dem Schuh, der Stiefel
wird). Die Voreiligkeit geisselt: Encare no ha nad, ja l ’han batiat (Er ist noch nicht geboren
und man hat ihn schon getauft). V on ändern Sprüchwörtern scheinen mir folgende der Anführung
werth: Pare lleu y mare frechure que tal sera se criature (Der Vater Lunge, die Mutter Ge schlinge,
w a s wird denn nun das Kind séin). Vielleicht von dem spanischen Festlande herübergekommen
ist folgendes: Et diquen que nu vages de nits y tu compres quiterre (Man sagt Dir,
dass Du bei der Nacht nicht ausgehen sollst, und Du kaufst eine Guitarre). Wenig schmeichelhaft
für die Ibizaner Müller ist der Bauernspruch: De muliné mudarás, pero de lladre, nó (Den Müller
wirst Du wechseln, aber nicht den Dieb). Se Candelaria plore s’ivern ja es fore y si riu y a ve
s’estiu, tan si plore com si riu ya v e s’estiu (Wenn der Lichtmesstag weint, so ist der Winter
schon vorbei, wenn er lacht, nähert sich der Sommer; mag er nun aber weinen oder lachen, so
nähert sich doch der Sommer). Son pedres y elles redolen y redolant se troben (Es sind Steine
und sie rollen, und rollend treffen sie sich). Vifie mene, renda de l ’anno (Eigener Weinberg,
doppelte Behackung im Jahre). Ses ansies de l ’ase, mataren a museñe (Die Klagen des Esels
tödten einen Pfarrer). Qui te pó que esgot (W er Furcht hat, der hüte sich).
Nachdem wir in diesen Sprüchwörtern ein Stück Ibizaner Witzes kennen gelernt haben,
w o llen w ir noch einige Volksbelustigungen besprechen. Eine der beliebtesten Sonntagsvergnügungen
im Sommer ist das Hahnentreffen. Ein Hahn wird mit gebundenen Füssen auf den
Boden gestellt, und alsdann werfen die jungen Bauern aus einer bestimmten Entfernung mit Steinen
nach ihm. Jeder W u r f kostet einen Soldo. Wird der Hahn gleich beim ersten Mal getroffen, und