Die Lebensweise in Palma ist einfach; überflüssiger Luxus wird vermieden. In den meisten
Häusern der Aristokratie werden allerdings viele Silberbestecke und Teller aufbewahrt, und in
den Küchen paradiren Kupfergeräthe; diese Gegenstände gehen von den Eltern auf die Kinder über
und werden als Erbgut heilig gehalten. In neuester Zeit kommen eiserne und Blechkochgeräthe in
Anwendung. Die Dienerschaft isst im Hause gebackenes Brod; für die Herren wird das Brod vom
Bäcker gekauft. Tischtücher und Servietten sind meistens von inländischem Gewebe. Sehr elegant
pflegen die Handtücher zu sein; dieselben sind mit verschiedenartig geknoteten Fransen versehen
und manche recht theuer. Idrias aus Thon, gefirnisst, meistens grün, manchmal aber auch aus
Kupfer, mit einem Ribell zum Händewaschen, sind noch in vielen Speisezimmern zu sehen; letztere
Sitte kommt aber allmählich ab. Fest hält man dagegen noch am Arruxador zum Fliegenverjagen;
derselbe hat einen mit buntem Papier bezogenen Rohrgriff und bunte Papierstreifen; ein Diener
fächelt ihn während des Essens, wenn in den Sommertagen die Fliegen zu lästig sind. Bei ganz
Armen sind blecherne Oellampen üblich, während bei den Reicheren kleine messingene Llumetas
beim Schlafengehen, sowie Oel- und Petroleumlampen in Anwendung kommen. Stearinkerzen an
Stelle der Wachskerzen sind auch allgemein üblich. Porzellan und Steingut, ganz weiss oder mit
blauen oder andersfarbigen Zeichnungen geschmückt, ist in jedem Haushalt zu finden; das g ewöhn liche
ist aus Valencia, das bessere aus Sevilla, Frankreich oder England. Ausländische Glaswaaren,
meistens französische, und deutsche Blechschüsseln (Bandejas) vervollständigen das Service. Eiserne,
englische Messer und Gabeln mit hölzernem oder knöchernem Griff und silberne Löffel sind selbst
bei Wohlhabenden in Gebrauch; nur bei den Reicheren pflegt Alles aus Silber zu seiny Die Dienerschaft1
isst meistens mit hölzernen Löffeln. Alles dieses wird gewöhnlich in einem mit einer
Holzgitterthür verschlossenen Speis aufbewahrt, der jedoch manchmal nur in einer A rt Wand-
almär besteht.
Klassenunterschiede kennt man in Palma nicht, alle Stände leben in brüderlicher Eintracht.
So sind auch die adligen Herren sehr beliebt und leutselig. Sie verkehren jovial mit den Niedrigsten,
setzen sich zu denselben und geben ihnen die Hand. Hierauf mag auch das tiefe, richtig aufgefasste
religiöse Princip der christlichen Gleichheit grossen Einfluss haben. Sie leben meistens
für sich und ihre Familie.. Einladungen zu Diners, Bällen; Landparthien kennt man bei ihnen fast
gar nicht; erstere finden nur bei Gelegenheit von Geburten und Vermählungen statt, letztere sind
blos auf den engeren Familienkreis beschränkt; Bälle giebt es. nur wenige im Fasching. Alle haben
ihren eigentlichen Wohnsitz in der Stadt; nichtsdestoweniger leben viele Adelsfamilien.einen grossen
Theil des. Jahres ununterbrochen auf dem Lande. Ihr Landaufenthalt richtet sich nach der Lage
ihrer Besitzungen; Manche beziehen .sie im Winter, Andere im Sommer, die Meisten im Herbste.
So besichtigen sie ihre Güter der Reihe nach und können somit die Arbeiten überwachen. Die
Faschingszeit bringen sie fast immer in der Stadt zu, ebenso den Hochsommer wegen der Seebäder,
namentlich Familien mit Kindern. Villen im eigentlichen Sinne des Wortes haben die Adeligen
nicht, dafür aber schlichte und dennoch bequeme Wohnhäuser. Die kleinen Villen in der Nähe
der Stadt gehören meist Handelsleuten und Beamten. Trotz der vortrefflichen Maafsregel, dass
man für den Adelstitel in Spanien eine hohe Summe an die Regierung zu zahlen hat, sind
alle Adelsfamilien bemittelt, w iew oh l manche. leider verschuldet sind, was meist daher rührt,
dass sie lieber ihre Schulden vergrösserten, um nur nicht ihre liebgewordenen Güter verkaufen
zu müssen. Sie betrachten es als eine Schande, sich eines derselben zu entäussern. Viele haben
einen Hauskaplan, der gewöhnlich im Entresuelo wohnt und die Messe im Hause liest. Meistens
sind es einfache Geistliche, Curas de Misa y Olla,. w ie man sie in Spanien zu nennen pflegt, die
sich selten mit der Erziehung der Kinder befassen. Sie speisen mit den Herren und führen Abends
die Unterhaltung. V o r der Mahlzeit sagen sie das Vaterunser und das Benedicite, was überhaupt
in den aristokratischen Familien; sowie bei den Leuten des Volkes, wenn auch kein Geistlicher
vorhanden, üblich ist.
Das gesellschaftliche Leben zeigt in Pa lma . nicht v iel Abwechslung. Man trifft sich im
Theater, auch bilden in den Abendstunden die Casinos, deren es in Palma mehrere giebt, einen
Versammlungspunkt. Ehemals befand sich ein Adelscasino in dem damals dem Marquez de la Romana
gehörigen Hause Burgues, das aber bei dem ruhigen Sinne der Palmesaner Adeligen keinen
langen Bestand hatte. Jetzt steht das Casino für die Handelsleute und überhaupt die mittleren
Klassen, Casino Palmesano genannt, obenan. Dasselbe befindet sich in einem grossen Gebäude
auf der rechten Seite der Calle del Conquistador. Zu erwähnen ist noch die am Ende des Borne
gelegene Botega einer Gesellschaft von 40 Bekannten, die dort, w ie in einem Kaffeehause, meistens
aber nur zu gegenseitiger Aussprache Zusammenkommen und sich etwaige Erfrischungen von einem
Burschen aus einem nahen Kaffeehause
holen lassen. Manchmal veranstalten
einige Bekannte Soirden mit Gesang,
wodurch Mancher mit der italienischen
Sprache bekannt w ird; sonst sind Sprach-
kenntnisse w enig verbreitet; französisch
kennt man noch am meisten, englisch
sehr w enig und deutsch fast gar nicht.
Zuweilen werden von einigen hervorragenden
Dichtern literarische Abend-
unterhalltungen veranstaltet, w o G e dichte
mallorqüinischer Autoren vorgelesen
werden. Das Kunstleben ist
wenig entwickelt. Es giebt w oh l viele
junge Maler, aber ausschliesslich die
bekannteren erhalten Aufträge. Der Bildhauer:
giebt es_ wenige. Die Gesellschaft
Fomento de la Pintura w ill durch
eine permanente Ausstellung in einem
Laden am Borne und andere Mittel den
Kunstsinn bei der Bevölkerung etwas -
wecken.
Der Kirchenbesuch ist ein sehr reger.
Täglich wandern grosse, Mengen von
Leuten beiderlei Geschlechts und v erschiedenen
Alters in die Kirchen. Bei
den Weihwasserbecken stehen an der
Wand die verschiedenen Sammelbüchsen
für die Armen der Pfarre, die Seelen
des Fegefeuers, die Erhaltung der Kirche,
die Missionen etc., in welche, wenn man
das Weihwasser nimmt, ganz nach Belieben
etwas hineingelegt wird. Geht
man in Gemeinschaft mit Jemandem, so
wird ihm das Weihwasser angeboten.
Man sieht Damen auf meist schwarzen Eine Magd in Palma.
Cadiretas, die sie. selbst oder ihre
Dienstboten mitbringen, sitzen und grosse, lange Rosenkränze b e ten ., Der Gebrauch von .Messbüchern
besteht, w ie überhaupt in Spanien, fast gar nicht, weil es in den Kirchen meist dunkel
ist; diejenigen, die es thun, bringen Cerillos (Wachskerzchen) mit. Bisweilen sieht man ältere
Herren stundenlang am Boden knieen. Für diese Devoten giebt es in Palma einen witzigen Ausdruck,
man sagt, dass sie „pisan aygo beneita“ . Beim Knieen legen sich Vie le ein Sacktuch auf den
Fussboden. Viele Herren schlagen, wenn sie auf Wandbänken sitzen, die Füsse über einander, was
nicht etwa als Mangel an Andacht angesehen wird. Eine eigenthümliche Sitte ist, dass sich die Leute
nach der Bekreuzigung die beiden Hände küssen, gleichsam als wollten sie bildlich das Kreuz
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