Zahl der palastartigen Bauten ganz auffallend gross, und der Neuling wird fast verwirrt durch die
Menge der schönen architektonischen Details, die ihm bei jedem Schritt und Tritt begegnen.
Merkwürdig ist es aber, dass es immer nur Einzelheiten sind, die das Auge fesseln, bald ein paar
Fenster, bald eine Thür, bald eine Halle im Höfe, bald eine Treppe; es giebt kein einziges Haus,
das man als ein vollkommen reiches, künstlerisch abgeschlossenes Ganzes betrachten könnte, ja,
wenn w ir das Rathhaus und das Haus des Marquez del Palmer in der Calle del Sol und ein paar
weniger bedeutende moderne Bauten abrechnen, nicht einmal eine ganze Façade. Fast gewinnt es
den Anschein, als ob der jeweilige Eigenthümer immer nach seinem besondern Geschmack etwas
Schönes hätte besitzen w o llen und auf den kleineren Theil seiner Wohnung den grössten Aufwand
verwendet hätte. W ie sehr aber gerade
dieser Umstand zur Entwickelung der
Kunst in Palma beigetragen hat, werden
w ir noch in der Folge erkennen.
So mannigfaltig alle diese Bauten auch
sind, und so unzählig die Stylarten dem
flüchtigen Beschauer scheinen, so lassen
sich doch nach einem genaueren Studium
die meisten auf wenige Haupttypen zurückführen,
ja man vermag sogar bei einer
grossen Anzahl eine gewisse Nachahmung
nachzuweisen. Reste aus der maurischen
Periode giebt es in Palma fast gar nicht,
und es ist eigenthümlich, w ie die Stadt so
völlig durch die christlichen Eroberer umgewandelt
wurde. Ein Bad, ein paar alte
Festungsthore, die Eingangsbogen des Palastes,
das ist Alles , was von maurischen
Denkmälern übrig blieb. Die schönsten
Bauten stammen aus dem Mittelalter und
der Renaissancezeit. Auffällig an den
ersteren, unter denen als wahres Juwel
die Lonja hervorstrahlt, ist die Eigentüm
lich k e it, dass an Privatbauten häufig
zwei-, drei-, ja bisweilen vierbogige Fenster
mit sehr dünnen Säulen als Stützen auf-
treten, die wie Blumenstengel aussehen
Dreibogige Cororiella. un(j meist aus ejnem sehr festen Nummulitenkalk
verfertigt sind. Dieselben tragen
verschiedenartig geblätterte, oben viereckige Capitäle, die auch häufig Rosetten an den Seiten aufweisen;
meistens ist der dreifache Bogen oben nur von einer flachen Braune eingefasst, manchmal aber ausserdem
noch von einer Rosettenreihe. Diese Fenster, Coronellas genannt, welche den Bauten sehr zur Zierde
gereichen, wurden im Laufe der Zeit meist durch die breiten Balkons verdrängt, oder man beseitigte
wenigstens die Säulchen an ihnen, und nur an einigen Häusern, und auch da meist nur vereinzelt,
haben sie sich in ihrem ursprünglichen Zustande erhalten. Dieser Periode oder der kurz darauf
folgenden gehören auch vielfach verzierte Thüren, Fenster und Treppengeländer an. Die Thüren
sind in Spitzbogenform gebaut und von Krabbenornamenten umgeben. Die Geländer der äusseren
gothischen Hoftreppen zeigen manchmal einen grossen Prachtaufwand in ihren meist kreisförmigen,
durchbrochenen Ornamenten. Endlich kommt dieser S tyl bei vielen Knäufen zur Geltung, w elch e
die Segmentbogen- der Eingangshallen oder Treppen stützen; in ihren blätterigen Verschlingungen
sieht man häufig die Wappen der Familie, öfters von Engeln, Knaben, Greifen oder anderen
Figuren getragen, manche derselben schon ganz spätgothisch. Die Spätgothik tritt dann namentlieh
an kleinen, meist kielbogenförmigen Thüren und Fenstern hervor, die theils von Krabben,
theils von einer viereckigen Umrahmung, die zw e i kleine, blätterartige Knäufe tragen, eingefasst
sind. Es finden sich darunter einige von unglaublich zarter Arbeit. Die Renaissancezeit weist aber
noch v iel herrlichere Schätze auf, als die Gothik; aus ihr stammen verschiedene der schönsten
architektonischen Schätze der Stadt, namentlich Fenster, die einen bisweilen fast verschwenderischen
Reichthum zeigen. Vorzugsweise kommt dieser S ty l in den Zaguanes zur Geltung. Aus der Zopfzeit
giebt es w enig Ueberreste, etwa die Verzierung einiger Wappenschilder und mehrerer Zaguanes,
die jedoch noch den Renaissance-Charakter an sich tragen. Man kann eigentlich nicht sagen,
dass in Spanien, w ie in ändern Ländern, ein Sty l dem ändern Platz gemacht habe, vielmehr sind
die einzelnen Stylarten Jahrhunderte lang mit einander Hand in Hand gegangen und haben sich in
vielfachen, oft ganz absonderlichen Kreuzungen verbunden. So ist als eine spanische E ig en tüm lichkeit
der sich durch das ganze 17. und 18. Jahrhundert hindurchziehende Gebrauch des
gothischen Styls anzusehen, während in ändern Ländern zu dieser Zeit der Spitzbogen gänzlich
verpönt war.
Im Innern haben die Häuser Palma’s meist steinerne Fussböden von grossen Platten aus
Pedra de Santagny; in neuerer Zeit verwendet man aber hierzu vielfach Ladrillos aus Manacor,
seltener Azulejos, in neuester Zeit auch Mosaico Nolla aus Valencia; letzteres findet man namentlich
in Läden. Die Sturzböden bestehen äus den üblichen Bovedillas mit grossen, sichtbaren
Balken aus nordischem
Nadelholze, meistens aus
Leñam vermey, zuweilen
auch aus Pino de Tortosa;
in den älteren Häusern
sind sie manchmal bunt
gemalt mit verschiedenartigen
Zeichnungen; es
giebt aber auch einige
sehr schöne hölzerne
Decken (Sotil empostisad
oder Sotil embogetad genannt),
w ie beispielsweise
Knäufe bei Eingangshallen-Pfeilern.
jene im Hause des Conde de Ahamans. in den meisten Häusern lind.et man einen geräumigen
Vorsaal, Antesala, meist mit grossen geschwärzten Bildern, Cadiras de Repos, Spiegeln mit
Kerzen und einigen Buffets, oder alten Arquillas geschmückt; da derselbe eine viel höhere
Decke als die anstossenden Zimmer hat, so gewährt er im Sommer einen trefflichen Aufenthalt.
Einige Häuser enthalten eine Reihe sehr schöner und wirklich luxuriös eingerichteter Enfiladen,
mit Gobelins, Damast- und Sammet-Tapeten behängt und mit häufig werthvollen Bildern, sowie
einem wahren Schatz von alten, namentlich Renaissance-Möbeln geschmückt. V on der Decke hängt
ein Glasleuchter herab, mallorquinisch Araña oder Salamö genannt. In den Schlafzimmern stehen
grosse Himmelbetten, manche reich sculptirt, und daneben meistens ein gepolsterter Lehnstuhl
(Cadira en Brassos). Auch andere Zimmer sind öfters mit derartigen gepolsterten Stühlen (Cadiras
encuxinadas) ausgestattet; theilweise sind nur die Sitze, theilweise auch die Lehnen mit Seide,
Sammet, Damast oder W o lle überzogen. Diese Prachtzimmer werden jedoch meist als ein Ahnengut
nur für Empfänge, Feste etc. reservirt, indem die Hausbewohner sich mit den niedrigeren, zur
Winterszeit dafür aber auch viel wärmeren Entresuelos begnügen. Manche haben ein kleines
Gärtchen, w o allerhand Blumen und semitropische Gewächse in Hülle und Fülle gedeihen. W a s
könnte nicht aus diesen Gärtchen mit nordischer Blumenliebe geschaffen werden!