sitzt, um die Cacaobohnen aus einer Holzschüssel auszulesen. Es ist vielfach Sitte, die Wände der
Lädea ringsum bis zu einer gewissen Höhe mit Matten zu behängen. Da ist ein malerischer Hostal
mit einem so dunklen Stall, dass man oft auch bei Tag mit Licht hineingehen muss; es kehren hier
Landleute mit ihren Thieren ein und erfrischen sich mit einem Glopet d’Aigordent und ein paar
sternartigen Crespells aus Mehl und O e l, die man neben den weiss und rothen Bolaos (Sucre
sponjat) in gläsernen, mit Blechdeckeln versehenen Gefässen auf bewahrt. Bald sieht man die
Esparteros, an deren Arbeit man sich nicht satt sehen kann, bald wieder, namentlich im niedern
Stadttheil, grosse Magazine, w o Dutzende von Mädchen neben einander sitzen und aus weissem
Baumwollentuch Segel nähen. Sie singen dabei, stossen auch manchmal einen Seufzer aus bei
dem Gedanken, dass das Segel, das sie nähen, vielleicht den Geliebten nach Habana hinüberführen
wird; aber der Gesang lässt sie nicht viel .denken, und fort nähen und singen sie ohne Unterlass.
Ein solches Lied sei hier angeführt:
Si havian de escriure l’bé
Que vull a mon estimat
Los molins que molen blat
Haurian de fer papé.
Aber auch die Nähmaschine hat schon Eingang in Palma gefunden; bei der Seo sitzen in den Läden
viele Wäschenäherinnen. Obenan an lärmender Fröhlichkeit stehen die Schuster, die in Palma
ungemein zahlreich, bald in den halbdunklen Läden, bald auf der Gasse selbst thätig sind.
Geht man in der Nähe der Thore, insbesondere unter den schattigen Platanen der Calle de
la Marina und bei der Puerta de Jesus spazieren, so sieht man dort in langen Reihen verstaubte
Lohnkutschen, Carrils, w ie man sie gewöhnlich nennt. Sie fahren gewöhnlich Leute zu den benachbarten
Plätzen des Terreno von Genova und namentlich zu den Schänken des Molinar de
Levant. Die Carrill es streben darnach, so v iel Fahrten als möglich zu machen. Bei der Abfahrt
hört man sie schreien: „A la ya son cinq!“ („Eh da, sind schon fünf!“), um die noch Fehlenden zum
Einsteigen zu veranlassen. Geht man bei der Puerta de Ste Catalina gegen den Arrabal zu, so
sieht man häufig Weiber aus dem Puig de Sn Pera und Sta Cruz mit Sta Catalineras spazieren gehen
und dabei rohen Salat essen. Die Ste Catalineras sind ein fröhliches Volk .
Nach diesem Streifzug durch die Gassen w o llen w ir uns nun die Lebensweise der Pal-
mesaner anschauen. Die Armen gehen um io Uhr, die Reichen um 12 oder 1 Uhr, ja auch noch
später schlafen; man steht aber vor 8 bis 10 Uhr nicht auf. Siesta wird im Sommer fast ausnahmslos
gehalten. Um 7 Uhr früh werden die Ziegen, deren Milch an schwächliche Leute verkauft wird,
durch die Strassen geführt. Für gewöhnlich, und namentlich im Sommer wird w en ig Milch getrunken;
in der Regel geniesst man Chocolade mit dem herrlichen Cuartos-Gebäck, welches in
den Morgenstunden ganz frisch aus dem Backofen schmucke Mädchen vom Lande, meistens aus
Felanitx reichen. Ein anderes Gebäck sind die Xucladors, stabartige, inwendig sehr poröse Kuchen,
durch w elche man die Chocolade hineinschlürft, honigsüsse Medrichos und die mit Schmalz gebackenen
Ensaimadas und Cocas. V on den letzteren werden namentlich zur Weihnachtszeit sehr
grosse gebacken, man nennt sie dann Cocas de Navedad. Um 11 Uhr wird von einigen Herren
gefrühstückt und um 7 Uhr zu Mittag gegessen, was man a la francesa nennt; die Meisten halten
sich aber an die alte Sitte und essen um 2 Uhr und soupiren spät Abends vo r dem Schlafengehen,
manchmal sogar erst um 1 Uhr Nachts. Nachmittags und gegen Abend gehen namentlich im Sommer
viele in die Cafés, um Gefrornes zu essen oder kühlende Getränke, w ie Limonade, Frambois etc.,
zu trinken. Man bezieht den Schnee hierzu aus den Schneehütten der Sierra; in neuerer Zeit wird
aber auch künstliches Eis fabricirt. Das Trinken von Bier aus der Brauerei von Palma, in kleinen
Flaschen und sehr moussirend, bürgert sich auch schon ein. Es ist Sitte, in den Kaffeehäusern
auch nur oberflächlich bekannte Damen zu tractiren. Wenn man eintritt, grüsst man dieselben
einfach, ruft aber dann den Kellner und bezahlt ihm die von den Damen eingenommenen Erfrischungen,
welcher dann den Geber nicht verräth, wenn die Damen bezahlen wollen. Palma’s
Kaffeehäuser sind meistens klein und sehr einfach; in neuerer Zeit werden auch die Wiener g e bogenen
Stühle schon verwendet.
Passirt man Abends die Gassen, so ertönt das Abendgebet des Rosario, während von den
Glocken das A v e Maria erschallt. An Winterabenden sieht man in den Häusern angezündete
Braseros, um die sich die Leute versammeln; sonst sind die Gassen leer. Nur unter der Capa
Madrileña gewahrt man stark eingehüllte alte Herren, die zu einer Tertulia alter Bekannter gehen,
oder lauschende Novios unter den Ventanas ihrer Novias, sonst Einsamkeit in den Gassen, w o nur
dann und wann Katzen in der Dunkelheit huschen, von einer vorüberziehenden Sängerschaar
aufgescheucht.
W ir wollen nun auch einen Einblick in das Innere der Häuser thun. An einem kühlen
Wintertag, w o die Sonne glänzend am tiefblauen Himmel steht, folgen w ir einem alten Herrn,
der, in eine dunkelbraune Capa Madrileña mit Silberagraffe gehüllt, das Gesicht halb von dem
aufgeschlagenen Kragen verborgen, mit einer Bufanda bedeckt, einen Besuch abstatten w ill. Langsam
steigt er die Treppe eines Hauses hinauf. Die Stufen, aus Pedra de Santagny, sind mit feinem
Seesand bestreut; in den Ecken der Treppenabsätze sind dornige Pflanzen, Moxos genannt, w o die
Katzen, die dort zahlreich vorhanden sind, ihre Nothdurft verrichten. Oben angelangt, macht der
alte Herr die Bufanda ein wenig von dem glatt rasirten Gesicht frei und klingelt. Eine Magd mit
Rebosillo erscheint. Nachdem sie durch ein Guckloch geschaut hat, öffnet sie die Thür. Die Herren
sind aber nicht zu Hause; trotzdem ladet die Dienerschaft gastfreundlich ein, auszuruhen: „V o l
descansar“ (im Winter sagt man: „Se v o l escaufar“ , wollen Sie sich erwärmen?), w a s beides er
jedoch abschlägt und darauf grüssend „Espresions“ (viele Grüsse) sagt, w o rauf der Dienstbote
beim Zumachen noch „Gracias“ zuruft. A u f der Gasse trifft der aus dem Hause tretende Herr
einen Bekannten, den er bis zu seinem Hause begleitet. Dort offerirt er ihm, einzutreten und
auszuruhen. Selbstverständlich w ird das A lle s mit „Gracias“ beantwortet.
Die Landleute begnügen sich zu sagen, wenn sie bei speisenden Leuten vorbeikommen:
„Bon pröfit vous fase“ . Visiten werden auf Mallorca immer den Ankommenden abgestattet, eine
sehr schöne Einrichtung, wodurch der Neuling e r fäh r t,. w e r mit ihm zu verkehren wünscht. Die
Visitenzeit ist von n und vorzüglich von 12 bis 2 Uhr. Der Sonntag dient vorzüglich zu Besuchen.
Bei Regenwetter unterlässt man die Visiten, auch wenn sie verabredet waren, ohne sich irgendwie
zu entschuldigen; dasselbe geschieht, wenn man auch vorher eine Einladung zum Besuch erhalten
hat. Es gilt als selbstverständlich, dass eintretender Regen Alles null und nichtig macht, und der
Einladende würde verwundert sein, wenn bei Regenwetter Jemand zum Besuche erscheinen würde.
Dies mag wohl zunächst in dem Umstande, dass es nur selten regnet, seine Erklärung finden und
sodann in der Sitte,, meistens bei Besuchen etc. zu Fuss zu gehen. Damen fahren w o h l in der
Regel, wenn sie nicht ganz intime Freundinnen besuchen; ebenso auch der Bischof, der regelmäfsig
nur ausserhalb der Stadt zu Fuss geht. Erwähnenswerth ist noch die Sitte, dass, wenn man einen
Ausflug mit einem ändern unternahm, der Einladende nach einigen Tagen zu dem Ändern geht, um
sich zu erkundigen, ob er ausgeruht habe. „Ha descansat“ heisst die Höflichkeitsformel. A u f ähnliche
Weise verfährt man, wenn in einer Familie ein Unfall passirt oder auch ein der Familie
dienender Arbeiter verunglückt ist u. s. w . Visitenkarten (Tarjetas) werden nur wenig verwendet;
erwähnenswerth ist, dass viele höhere Beamte auf solchen Karten statt des Namens nur ihre Charge
verzeichnen, w ie z. B.: „El Capitan General“ , „El Regente de la Audiencia“ . Bei Todesfällen, w o
alle Fenster geschlossen sind (Manche lassen sie zwar offen, dafür sind aber die Jalousien heruntergelassen)
und das Hausthor nur halb offen ist, giebt man häufig in einer Bandeja (Präsentirteller)
bei der Treppe die Karten ab oder schreibt seinen Namen an eine Tafel. Brautleute schicken gewöhnlich
Bekannten Doppelkarten, w ie dies auch anderwärts geschieht, w obei ihnen ihr neues
Heim zur „Disposición“ gestellt wird. Hübsch ist die Sitte, dass, w o in der Familie eine Nonne
thätig ist, man nach einer Hochzeit (Boda) Süssigkeiten für alle Nonnen dieses Klosters schickt,
ebenso auch allen Verwandten und Bekannten, die nicht der Boda beiwohnten. Ebenso haben
alle Diener der beiden Familien einen Refresc. Bei Entbindungen werden ebenfalls der Mutter
Besuche gemacht.