küssen. Nach der Messe verneigt man sich gegen seinen Nachbar und wünscht ihm „bon dia
tenga“ . Im Winter sind die Steinfliesen der Kirchen mit Matten belegt, denn Bänke kennt man in
den dortigen Kirchen nicht. Alle Christusstandbilder tragen Röckchen von verschiedenen
Farben, manche ganz kostbare, je nach der Jahreszeit; bei ganz besonderen Feierlichkeiten sind sie
oft mit Edelsteinen geschmückt. Dasselbe ist bei Madonnenstatuen der Fall; die Kleidungsstücke
hierzu rühren von frommen Schenkungen her. Auch die arabische Sitte mag erwähnt werden, auf
geweihte Plätze Steine zu legen; in Palma geschieht dies beim Stein der Beata hinter S» Nicolás,
der meist mit Steinchen förmlich überdeckt ist. Jedenfalls sehr hübsch ist der Gebrauch, nach der
Beichte die Eltern und Vorgesetzten für jiie begangenen Fehler um Entschuldigung zu bitten.
Ueberhaupt ist unter den charakteristischen Zügen der Bevölkerung Palma’s das religiöse
Gefühl einer der hervorstechendsten. Das zeigt sich namentlich bei der grossen Verehrung für
den wunderthätigen S» Cristo de la Sanch. Fast zu allen Tageszeiten wandern Leute dorthin. Der
Zudrang an Sonn- und Feiertagen ist besonders in den Nachmittagsstunden gross. Abgesehen von
diesen täglichen Wallfahrten zu S» Cristo de la Sanch vergeht kaum eine W oche, ohne dass eine
oder mehrere Personen, die entweder, von einem schweren Leiden wunderbar errettet wurden
oder andere Gnaden erhalten haben-, barfuss zur Sanch kommen. Sie schreiten durch das Hauptthor,
legen knieend den W e g durch die ganze Kirche und die Kapelle de la Sanch zurück und
ersteigen auf gleiche Weise die Treppe, die zum Camarino führt, w o der Christus steht, an dessen
Fusse sie ihre Gelübde erfüllen. Einige Andächtige lassen auch w oh l ein Tedeum singen, deren
gewöhnlich über 100 jährlich gesungen werden. Sehr häufig geschieht es auch, dass die Schiffsmannschaft,
welche der Gefahr eines Schiffbruches ausgesetzt war, vom Hafen-Molo oder von ihren
Schiffen selbst processionsmäfsig zur Sanch ziehen, um dem S» Crista und der Virgen del Carmen
zu danken und ihr ein Segel des Schiffes anzubieten, welches von einem Theil der Mannschaft auf
dem Rücken dorthin getragen w ird, was man „Fer un peregri“ (eine Pilgerschaft machen“ ) nennt.
Das Segel kaufen sie dann wieder zurück, und der Betrag fliesst nun in die Armenkasse. Bei grösser
Dürre werden in Palma von der Bevölkerung öffentliche Gebete in der Kathedrale und in den
anderen Kirchen verrichtet, w ob e i in processionsmäfsigen Zügen die Statue des S» Cristo de la Sanch
zur Kathedrale gebracht wird, die dann auf dem Hochaltar während- der ganzen Zeit der Rogativas
ausgesetzt bleibt. Das Domkapitel und der Clerus der Pfarreien holen in feierlichem Zuge den
S“ Cristo ab und bringen ihn nach Beendigung der Rogativas wieder in die Kirche zurück. Sie
werden von einer grossen Menschenmenge begleitet, wenn grosse Trockenheit herrscht, namentlich
von Bauern, die brennende Kerzen tragen. Auch Weiber nehmen-daran theil. Das Hauptfest
de la Sanch findet am ersten Sonntag des Monats Juli statt. Die Feierlichkeiten Währen drei
Tage; während dieser Zeit sind die Kirche und der Hof vo r dem Hauptportal nicht gross genug,
um alle Menschen aufzunehmen. Den auswärtigen Brüdern der Brüderschaft de la Sanch wird
in einem Saale des Spitalgebäudes ein Frühstück mit Chocolade und Backwerk unentgeltlich gereicht.
Der Hochaltar und die Kapelle de la Sanch strotzen an diesen Tagen von Ornamenten
und Lichtern. Nach dem Feste der Sanch kommt die Novena und das Fest der Virgen del Carmen,
das aber nicht so pomphaft, w ie das de la Sanch, gefeiert wird. Eine der Hauptkirchenfeierlichkeiten
de la Sanch ist ferner die Procession des Chardonnerstages (Jueves santo), von der schon
im allgemeinen Theil, gelegentlich der Besprechung der religiösen Feste, die Rede war.
Das Fronleichnamsfest w ird in Palma besonders festlich begangen, gemäfs dem spanischen
Spruche: „Hay tres jueves en el año que atiran la admiración, Jueves Santo, Corpus Christi y el
dia .d e la Ascención“ . Die Fenster werden freiwillig mit rothen, gelben, grünen und blauen
Damastfahnen geschmückt und von den schönsten Damen besetzt, und auf der Gasse sieht man ein
wirres Durcheinander. Die Procession verlässt die Seo; voran gehen die Tambours des Ayuntamiento,
dann kommen die Standbilder der einzelnen Körperschaften, denen Knaben Gestelle als Stützen
vorantragen; hierauf die Seminaristen, die Blanquets mit den zarten Engelsköpfchen und die Beneficiados
jeder Pfarre mit eleganten Vortragskreuzen; dann der Pendón der Domkirche aus Wachsblumen,
welche als Reliquie aufbewahrt werden. Derselbe ist so schwer, dass drei Kirchendiener
ihn abwechselnd tragen müssen. Endlich kommt die Monstranz; helles Festgeläute verkündet es
der andächtigen Menge. Derselben folgen unter einem reichgestickten Baldachin der Clerus, die
Gemeinde und der Gouverneur. Eine Abtheilung Cavallerie bildet den Schluss der Procession,
w e iche die Stadt durchzieht und erst spät zur Domkirche unter Glockengeläut zurückkehrt. Beim
Vorüberziehen an einer Consulats- oder Amtsflagge wird letztere auf der Strasse ausgebreitet,
damit der Sanctissimus darüber schreite, ein Zeichen der Verehrung der irdischen Macht gegenüber
der göttlichen.
W ir wollen nun die Promenaden Palma’s in Augenschein nehmen. Einer der beliebtesten
Spaziergänge ist jener auf der Muralla, w o sich die feinere W e lt an Winternachmittagen einzufinden
pflegt. Es ist ein Hochgenuss, von der Muralla aus auf die breite Bahia mit den Ufern von Terreno
und die ankommenden Schiffe hinauszublicken, oder den lärmenden, von der Lohe rothfüssig
gewordenen Calatravins zuzuschauen, die, meist schlanke Burschen, unter W itz und Scherz Felle im
Meere bei der Puerta de la Calatrava waschen oder am Fusse der Muralla W o lle trocknen. Die
Gerber heissen in Palma Calatravins, w e il sie den so benannten Stadttheil bewohnen; in ähnlicher
Weise wird ein Bewohner des Puig Seemann genannt, w e il der Puig de Su Pere viele Häuser mit
Seeleuten aufzuweisen hat. Da sieht man Omnibusse und Galeritas gravitätisch umherfahren, hier
einen flinken Viererzug, der sich mit seinen Glöckchen schon von Weitem ankündigt, dort eine Menge
von Carretets, welche um die We tte fahren, ein beliebtes Vergnügen an Sonntagsnachmittagen.
Viele schauen auch an Sonntagen von der Muralla oberhalb der Puerta Pintada der Ankunft der
Züge und den zur Stadt kommenden Leuten zu, worunter häufig frohe Schaaren, die von Pont
d’Inca, w o sie billigen W e in trinken, zurückkehren. Hier sieht man auch, w ie auf der ganzen
Ostseite der Stadt die Seilarbeiter in den Wallgräben emsig beschäftigt sind, während auf der
Nordseite der Muralla, namentlich bei der Puerta de Jesus, einige Kühe und Kälber friedlich
weiden. Manchmal w ird der Spaziergänger auf der Muralla auch auf einen Zug gezähmter, ponceau-
roth angestrichener Tauben aufmerksam. Es herrscht überhaupt in Palma eine grosse Liebhaberei
für Tauben; viele Palinesaner besitzen grosse Taubenhäuser, in w elch en die mannigfaltigsten Arten
gezogen werden; diese Taubenhäuser befinden sich meistens in dem Dezvan, einem aus Stäben
gefertigten Käfig auf dem Dache, aus welchem der Besitzer die Tauben täglich auf einige Zeit
ausfliegen lässt. Pfeifen oder eine Flagge dienen den Tauben als Zeichen, wieder zum Taubenhause
zurückzukehren, w o sie Futter erhalten. Eine von ihnen trägt am Fusse eine Schelle, damit die
ändern sich nicht verfliegen.
Im Sommer fahren am Sonntag Abends am Paseo des Borne die Wag en im Schritt umher;
die in Mantillas gehüllten Damen sitzen meist in Omnibussen oder Galeritas, manchmal aber auch
in mit Maulthieren oder Pferden bespannten Kaleschen. Einige Maulthiere fallen durch ihre graziösen
Formen auf. Früher trugen sie meist einen Theil des Schweifes geschoren, damit sie von den
zum Feldbau bestimmten unterschieden werden konnten; jetzt nimmt diese Sitte immer mehr und
mehr ab. Bei solchen Fahrten verweilt man bisweilen eine kurze Zeit auf der Promenade und hört
den Musikanten zu, für w elch e links eine hölzerne Estrade aufgebaut ist. W iew o h l länger und
unstreitig schöner als der Borne, wenn auch minder sorgfältig erhalten, ist die Rambla kein Spaziergang
für die Aristokratie, sondern dieselbe w ird Abends meist nur von den niederen Klassen benutzt.
Die Bevorzugung des Borne mag wohl in der angenehmen Seeluft liegen, namentlich seit
der Abtragung der Puerta del Muelle. An Sommerabenden fährt man auch gern am Molo spazieren.
An den Seiten der kleinen Holzbuden stehen Stühle zum Ausruhen für die Spaziergänger.
Die Damen fahren im Winter in ihren Cochos zu einem Thore hinaus und kehren durch
das andere wieder heim. Häufig ist das Ziel der Ausfahrt eine benachbarte Besitzung. Ganze
Familien sitzen bisweilen in ihren Cochos, vorn in dem Pescante der Kutscher und der Diener,
meist mit lackirter Kappe, w ie es in Preussen Gebrauch ist, und einer Livrée mit Mantelkragen,
im Winter häufig mit mehreren Kragen, während im Sommer meist bläuliche Llista - K leider
gebraucht werden. Unter den Kutschern giebt es viele alte Leute, welche die Thiere sorgsam
pflegen. Sie fangen jung als Mozos an und dienen als Kutscher bei derselben Herrschaft weiter.
Verlassen w ir nun die innere Stadt und gehen am Molo entlang. Hier herrscht immer ein
reges Leben; schon in den ersten Morgenstunden sind die aus der Bahia gekommenen fisch