Die Bewohner von Ibiza.
Körperbau und Charakterveranlagung.
Die Bevölkerung von Ibiza ist in bedeutender Zunahme begriffen, da die Geburten v iel zahlreicher
als die Sterbefälle sind; man berechnet nach der Statistik im Zeitraum von 1863 — 1867
über 10% Zunahme.
W ir lassen eine Uebersicht über die Einwohnerzahlen Ibiza’s und der übrigen grösseren
Balearen-Inseln folgen.
Der District Ibiza besitzt 7393 Einwohner
San Antonio Abad 3864 „
San Jose 373° »
San Juan Bautista 4238 „
Santa Eulalia 5241____ „____
Summa 24466 Einwohner.
Davon entfallen auf Formentera 1846 Einwohner.
Die Gesammtsumme der Einwohner auf den Pityusen beträgt 24466
„ „ „ » » Mallorca „ 230396
„ „ „ „ ,, Menorca „ . 34173___________
Summa 289035 Einwohner.
Die Ibizaner sind meistens klein, doch trifft man in der Gegend von Sn Antonio auch
hochgewachsene Leute. Sie haben kleine schwarze Augen, deren Weisses etwas ins Gelbliche
sticht, und dunkle, aber häufig nicht schwarze Haare. Ihr Gesicht ist meistens rund, aber knochig,
mit stark vortretenden Backenknochen; die Nase ist klein und etwas aufwärts gebogen, und die
von der Sonne gebräunte Gesichtsfarbe hat einen etwas grünlichen Grundton. Die Zähne bilden
eine ihrer Hauptzierden, und zwar umsomehr, als sie bei ihnen bis ins höhere A lte r hinein von
blendender Weisse bleiben. Im Ganzen erinnert der Typus der Ibizaner an den der Mauren,
w a s sich auch leicht aus der lange anhaltenden Herrschaft dieses V o lk es über die Insel erklären
lässt. Bei manchen Familien haben sich maurische Züge in ganz auffälliger Weise erhalten. Dies
gilt aber blos von den Bauern, die Städter und die Fischer nähern sich dagegen viel mehr dem
spanischen Typus.
Die Zahl der ackerbautreibenden Bevölkerung ist die w e it überwiegende. A u f dem Lande
leben fast ausnahmslos Ackerleute; anderen Beschäftigungen widmen sich in der Regel nur die
Städter.
Die Ibizaner Bauern sind ein fröhliches; gutmüthiges Völkchen, und ganz mit Unrecht b e haupten
die Ibizaner Fischer und die Mallorquiner, dass sie schlechter als die Mauren (pejor de los
Moros) seien. Trotz ihrer Unwissenheit zeigen sie in ihrem ganzen Benehmen keine Spur von
Bosheit; im Gegentheil ist ihnen, w ie überhaupt allen Spaniern, eine angeborne Gefälligkeit eigen.
Die schöne Sitte der Gastfreundschaft besitzen sie in gleichem, wenn auch nicht höherem Mafse,
als die ändern Bewohner der Balearen. Man wird sich nie an ihrer Thür zeigen, zu welcher
Stunde es auch sei, ohne mit der grössten Herzlichkeit empfangen zu werden; die guten Leute
geben einem Alles, was sie haben, und bieten es aus wahrer Herzensgüte an.
Auch in ihrem einfachen Grusse liegt etwas Zartes und Feines; wenn sie einander oder
auch einem Fremden begegnen, nehmen sie zwar ihren Hut nicht vom Kopfe, ermangeln aber
nicht, ein freundliches Alabad sia Deu (Gott sei gelobt) zuzurufen, w orauf der Andere Amen siga
siempre (Amen, er sei es immer) antwortet. Wenn sie bei der Feldarbeit beschäftigt sind, ist ihr
Gruss ein anderer, ein an Gott gerichteter Wünsch für die Reichhaltigkeit der Ernte, nämlich Deu
en don molt (Gott gebe viel); die Antwort lautet: Deu fase (Gott gebe es). Noch verbreiteter
ist nicht nur bei Landleuten, sondern auch bei den Städtern der Gruss: Bondia tenga (Guten Tag)
und Bonas tardes tenga (Guten Abend); häufig w ird der erstere durch Unterdrückung des
Bon abgekürzt und einfach gesagt: Deu tenga! oder Dia tenga!
Die Ibizaner sind im Ganzen arbeitsame Leute, und sogar die Frauen nehmen an dem Feldbau
keinen unbedeutenden Antheil; insbesondere die leichteren Arbeiten, w ie das Sammeln des
Obstes, das Abschütteln der Mandeln und des Johannisbrodes werden fast immer von ihnen v e r richtet.
Nachdem w ir die guten Eigenschaften der Ibizaner betrachtet haben, und das sind die überwiegenden,
dürfen w ir auch ihre Fehler nicht verschweigen. Nicht umsonst fühlen sich die Ibizaner
zu einem V olke gehörig, w elches das stolze genannt w ird , nämlich zu den Spaniern. Bei Allen
findet sich dieses Selbstgefühl in hohem Mafse ausgeprägt, und es ist keine Frage, dass dies auch
auf Andere einen bedeutenden Eindruck nicht verfehlt. Ich erinnere mich, w ie ein Bauer, der mich
auf einigen Ausflügen begleitete,-sich über die ihm gereichte Kost beklagte und äusserte: „O bw o h l
nur gering, halte ich mich doch für so viel w ie Sie.“ Dieser Ausspruch gefiel mir so, dass ich
von einer Bauersfrau einen Hahn kaufte, und mein unbescheidener Begleiter hatte davon am Abend
ein reichliches Mahl. Der eigentliche Fehler der Ibizaner ist aber nicht sein Stolz, der ihm eine
Art Ueberlegenheit und Erhabenheit gewährt, sondern eine gewisse Raschheit des Handelns, die
ihn häufig zu Mordthaten verleitet. Es vergeht selten ein Jahr, w o nicht mehrere Mordthaten verübt
würden; in vier Jahren wurden 196 Criminal-Processe verhandelt, w o vo n 19 wegen Mord.
Die Frauen, die gewöhnliche Veranlassung zu allerlei Streitigkeiten sow oh l unter gebildeteren w ie
unter roheren Völkern, sind auch im kleinen Ibiza fast immer die Ursache solcher Verbrechen.
Der eifersüchtige Liebhaber schneidet seinem Nebenbuhler, den er bei nächtlicher W e ile überfällt,
die Gurgel ab, und sucht dann meist nach Afrika zu flüchten, um der Strenge des Gesetzes zu
entgehen. Denjenigen, die nach Algerien entkommen, nützt aber häufig die Flucht gar nichts, da
sie von den Franzosen festgenommen und der spanischen Regierung ausgeliefert und in Palma hingerichtet
werden, indem man sie nach der allgemein in Spanien bestehenden Sitte vermittelst
eines Strickes an ein Brett drängt und dadurch erdrosselt, dass man die Schlinge durch ein hinter
dem Brette angebrachtes Rad zusammenzieht.
Geistige Kultur, Unterricht und Sprache.
Die Bildung der Bauern und überhaupt aller Ibizaner steht auf einer nicht sehr hohen Stufe.
Der Grund hiervon muss lediglich in der geringen, im Verhältnisse zur Bevölkerung unzureichenden
Anzahl von Schulen gesucht werden. Noch vo r Jahren waren auf der ganzen Insel nur zw ei
öffentliche Elementarschulen für Knaben, wovon die eine in der eigentlichen Stadt, die andere in
der Marina liegt. Den Bestrebungen für Ausbreitung der Bildung ist es zu danken, dass seit