
 
		Das  Leben  in  Palma. 
 Palma macht,  w iew o h l  es  mit  dem Arrabal  48 691  Einwohner  zählt,  auf  den Ankommenden  
 zunächst  den  Eindruck  einer  wenig  belebten  und  eintönigen  Stadt;  wenn  er  aber  in  nähere  Bekanntschaft  
 mit  der  Bevölkerung  kommt  und  die  guten  Eigenschaften  derselben  kennen  lernt,  
 gewinnt  er  den  Platz  lieb,  so  dass  er  sich  davon  nur  schwer  trennt. 
 Die  Stadt  Palma  bildet  nicht  nur  für  das  commerzielle,  sondern  auch  das  geistige  Leben  
 den  Centralpunkt  der  ganzen  Insel.  A lle   Fahrstrassen  münden  dort  zusammen,  fast  alle  Landleute  
 wickeln  dort  ihre  wichtigeren  Geschäfte  ab;  bald  sind  Geldverhältnisse  zu  regeln  oder  
 mühsam  erspartes  Geld  sicher  anzulegen,  bald  gilt  es,  die Preise  der Feldfrüchte  zu  ermitteln,  oder  
 Einkäufe  zu  machen.  Deswegen  strömen  täglich  viele Menschen  zur  Stadt.  Ausser  den  Arnos,  die  
 zu  jeder  Tageszeit  mit  ihren  Carretelas,  gezogen  von  einem  flinken  Maulthier,  anlangen,  giebt  es  
 eine  frjenge  Leute,  die  ihre  Erzeugnisse  in  der  Stadt  verkaufen  wollen.  So  sieht  man  zur Obstzeit  
 Morgens  Leute  aus  Valldemosa,  bepackt  mit  Obstkörben,  mit  Eselfuhrwerken  zur  Puerta  de  Jesus  
 kommen.  Auch Wäscherinnen  (Lavanderas)  aus Esporlas und Fischweiber  aus  Banalbufar finden  sich  
 ein.  Häufig habe  ich beobachtet, w ie   diese  braunen Kinder  der See mit ihrer Last den  Serpentinenweg  
 von  Banalbufar  gegen Palma,  die Abkürzungslinie  wohl und  weislich  in Betracht  ziehend,  erklimmen.  
 Sie  sind  trotz  des  ermüdenden  W eg e s  zufrieden,  und  wenn  sie  den  Co li  gegen Esporlas  zu  hinabsteigen, 
   lassen  sie  häufig  weithin  ihre  Lieder  erschallen. 
 W ir   wollen  nun  kreuz  und  quer  durch  die  Gassen  der  Stadt  wandern,  um  das’ sich  dort  
 entwickelnde  Leben  zu  beobachten.  In  der  Regel  haben  die  breiteren  Gassen  ein Trottoir  (Acera),  
 auf  dem  die  Spaziergänger,  w ie   überall  in  Spanien,  immer  rechts  ausweichen.  Die meisten  engeren  
 Gassen  haben  aber  kein  Trottoir,  weshalb  man  vorüberfahrenden  Wagen  ausweichen  muss.  
 Glücklicherweise  fahren  die  Fuhrwerke  sehr  langsam,  meistens  im  Schritt,  aber  trotzdem  kommen  
 häufig  bei  Strassenecken  Zusammenstösse  vor.  Reiter  kann  man  hier;  w ie   im  übrigen  Spanien,  im  
 Trab  oder  Galopp  durch  die  gepflasterten  Gassen  dahinreiten  sehen.  Im  Sommer  werden  die  
 breiteren  ungepflasterten  Gassen,  mit  Wasser  besprengt;  g leichwohl  findet  man  sie  oft  noch  
 recht  staubig. 
 Im  Allgemeinen  herrscht  in  den  Gassen  Palma’s  w enig  Leben;  einige  Eigenthümlichkeiten  
 seien  jedoch  hier  angeführt:  so  die  Sitte  der  Leute,  die  ihnen  begegnenden Personen  auf der Gasse  
 zu  säubern,  falls  sie  sich  unbemerkt  beschmutzt  haben,  auch  ohne  dass  sie  sich  gegenseitig kennen.  
 Bald  sieht  man  ein  Maulthier,  mit  Töpferwaaren  beladen,  die  in  einem  Netz  verschlossen  sind,  
 dahinziehen,  bald  begegnet  man  Eseln  mit  Fleisch,  Getreide  oder  Mehl,  die,ein  Halsband  mit  einer  
 Glocke  tragen,  damit  die  Leute,  die  etwas Derartiges wünschen,  durch  das  Geklingel herbeigerufen  
 werden.  Auch  giebt  es  mehrere  Wasserwagen,  gleichfalls  mit  Glöcklein,  die  mit  Wasserkrügen  
 (Jarras)  des  Morgens  die  Gassen  der  Stadt  durchziehen;  ein  solcher,  mit einem  Esel  bespannt,  fährt  
 täglich  im  Arrabal  herum.  Bald  wieder  is t.e s   ein  fischbeladener  Carretet,  mit  einem  Pferdchen  
 oder  Esel  bespannt,  der  die  Strasse  belebt.  Er  holt  die  Fische  gleich  bei  der  Ankunft  der  Liants  
 aus  der  Bahia  am  Molo  ab  und  bringt  sie  in  die  einzelnen  Ortschaften.  Ein  Mann  schreit  auf  den  
 Gassen,  einen  Orangenkorb  schleppend,  dessen  Goldfrüchte  er  schon  grösstentheils  verkaufte,  bei  
 der  letzten  ihm  übrig  bleibenden:  „Son  ses  derreras“ ,  während  ihn  ein  anderer  mit  „Pebre  y   
 tomatigas“ ,  spanischem  Pfeffer und  Paradiesäpfeln,  an Stimmkraft noch überbietet.  „Alla  qui l ’arrifa?5‘  
 (Eh  da,  w e r   verloost  es?)  ertönt  vor  einèm  Rieseiimastschwein,  das  durch  die  Gassen  geschleppt  
 wird,  ein  Ruf,  den  man  auch  häufig  in  der  Pesqueria  aus  dem  Munde  dicker,  alter  Fischweiber  
 hören  kann.  Da  trifft  man  Männer  mit  einem  kleinen  Kessel  und  Cafetière,  die  auf  den  Strassen  
 und  in  allen  Werkstätten  Kaffee  verkaufen.  Andere  stehen  dagegen  in  kleinen  Holzbuden  und  
 bieten  einen  meist  sehr  dünnen Kaffee  feil.  Oft  trifft  man  Cacahuètes-  oder Haselnuss-. (Avellanas)  
 Verkäufer  mit  ihren  Körben,  welche  besonders  die  Knaben  erfreuen.  Häufig  sieht  man,  w ie   die  
 Buben  Cacahuètes  in  die  Hand  nehmen  und  dem  Verkäufer  zuschreien:  „Gerade,  ungerade 1“  um  
 zu  sehen,  ob  sie  sie  gewinnen.  Bald  hört  man  wieder  einen  eleganten  Birlocho  oder  Carretet 
 eines  auf  das  Land  hinausfahrenden  Adeligen  daherrasseln,  dem  ein  alter  Amo  gerade  noch  Zeit  
 hat,  den  ländlichen  Ruf:  „Deu  lo  guarde  de  perill!“  zuzurufen,  ehe  er  verschwindet.  Da  ist  ein  
 gravitätischer  Student  der  Sapiencia,  der  viel  auf  die  Ehre  -hält,  diesem  Collegium  angehören,  oder  
 eine  ganze  Reihe  von  Seminaristen,  mit  der  blauen  Beca  geschmückt.  Hier  sitzt  auf  den  steilen  
 Stufen  einer  Hausthür  eine  von  Kindern  umgebene  jugendliche  Mutter  aus  dem  V o lk e ,  die  das  
 Lockenhaar  eines  Mädchens  streichelt  und  es  mit  dem  üblichen  Zärtlichkeitsausdruck  „Fiyeta meua  
 dolsa“  liebkost.  Dort  ruft  ein  Herr  einen  ändern  bei  seinem  Spitznamen;  dort  schreit  ein  Schwarm 
 Esparteros  in  Palma. 
 von Weibern  ängstlich:  „Jesus!  Jesus!“ ,  erschreckt  durch  eine Rauferei.  Aber  w e r   ist  der  alte  Herr,  
 den  Alle  grüssen?  Es  ist  der  Capitan  General.  Der  spanischen  Sitte  gemäfs  geht  er  in  Civil und  
 trägt  nur  unter  der  Weste  die  rothe  gestickte  Faja  der  Genérale  versteckt.  Letztere  dient  ihm  als  
 Legitimation,  um  freien  Eintritt  in  die  Kasernen  etc.  zu  haben.  Nur  bei  festlichen  Gelegenheiten  
 trägt  er  Uniform.  Und  zu  alledem  denke  man  sieb  als  Hintergrund  holprige,  enge  Gassen,  beschattet  
 von  den  vortretenden  Aleros.  Häufig  sieht  man  dunkle Backöfen,  die in mancher Beziehung  
 den  arabischen  gleichen,  blinkende,  mit  Azulejos  gepflasterte  und  umgebene  Läden  von  Chocolatés,  
 w o   die  Mola  häufig  mit  der  Hand  gedreht  w ird,  und  w o   der  ältere  Herr  in  der  Nähe  der  Thür