Montesion, das jetzige Institut und ehemalige Jesuitenkloster, hat eine sehr merkwürdige
Geschichte. Die im 14. Jahrhundert errichtete Schule, nach ihrem Urheber Ramon Lull Luliana
genannt, wurde im Jahre 1483 zur Universität erhoben und beim Aufkommen des Jesuitenordens,
1561, diesem übergeben. Wiederholt wurden die Jesuiten vertrieben und kamen wieder in den
Besitz von Montesion, bis die Universität 1835 aufgehoben wurde und die Jesuiten das Land wieder
verlassen mussten. In dem Gebäude wurde das Instituto Balear für die niedere Philosophie und
die juridischen Studien errichtet.
Montesion hat ein schmuckloses Aeussere und zw ei Gehöfte; in dem ersten Haupthof, der
als Eingang dient, ist ringsum eine Halle mit Bogen, die auf pseudojonischen Säulen ruhen; ringsum
ist oben ein Stockwerk. Der zweite Hofraum weist zw ei Seiten mit je fünf Bogen auf pseudojonischen
Säulen auf.
In Montesion ist ein kleines naturhistorisches Museum und die Bibliothek, welche, unter
dem Titel Biblioteca provincial y del Instituto Balear bekannt, namentlich aus den Ueberresten der
Bücherschätze der Klöster gebildet wurde. Gegenwärtig nimmt die Bibliothek den grossen Saal
und drei kleinere Säle ein, welche in 144 Almaren die classificirten W e rk e enthalten; die noch
unclassificirten sind in zwei anstossenden, mit den ändern zusammenhängenden Sälen untergebracht.
Die Gesammtzahl der gedruckten Bände betrug Anfang 1878 etwa 35000, die der We rk e 19 012,
von denen 5360 über Theologie und geistliche Wissenschaften handelten, 2566 juridischen, 1786
geschichtlichen, 2077 literarischen und artistischen Inhalts waren, 1694 Naturwissenschaft und exacte
Wissenschaften behandelten, während 29 aus Encyclopädien, Revuen und Zeitungen bestanden und
5500 noch nicht classificirt worden waren. Gegenwärtig dürfte die Zahl der Bände auf 38000
gestiegen sein. Unter diesen Werken giebt es 400 Incunabeln; keine derselben ist jedoch früher
als 1470 gedruckt.
Die Bibliothek enthält ausserdem 394 Handschriften. Darunter zählt man eine bedeutende
Zahl der We rk e des seligen Ramon Lull, auf Kalbspergament, und andere, die aus dem Ende des
14. und 15. Jahrhunderts stammen, auf Papier geschrieben. Erwähnenswerth sind auch ein Pa-
limpsest aus dem 13. Jahrhundert und viele für die Geschichte und das Gerichtswesen Mallorca’s
interessante Werke.
Der Hauptsaal, welcher die alte Jesuitenbibliothek enthielt, und zugleich als Lesesaal dient,
ist 17,76 m lang, 6,70 m breit, 5,61 m hoch, mit hölzerner Decke und oben ringsherum laufender,
hölzerner Terrasse, deren sculptirte, hölzerne Träger mit von einander verschiedenen Thierköpfen
endigen; unter und über der Terrasse stehen Schränke aus Lärchenholz. Die unteren Almaren
werden von den juridischen Werken eingenommen, die oberen von einer Section der theologischen.
Der zweite Saal beherbergt die geschichtlichen und polygraphischen Sectipnen, sowie die Incunabeln
und modernen We rk e der Wissenschaft und Literatur. Der dritte und vierte Saal
sind, der letztere mit dem übrigen Theil der theologischen Schriften, der erstere mit den älteren
Büchern der wissenschaftlichen, literarischen und artistischen Sectionen und den Manuscripten ausgefüllt.
Die Bibliothek ist täglich, die Sonn- und Feiertage ausgenommen, von 9 Uhr früh bis
2 Uhr nachmittags dem Publicum offen.
Die Ausgaben für die Bibliothek erscheinen im Staatsbudget mit 8000 Reales (d. h. 2015 Frcs.)
für den Gehalt des Bibliothekars und 3000 Reales (790 Frcs.) zur Anschaffung allerhand Materialien für
die Anstalt. V on der letzteren Summe verwendet man soviel als möglich zum Ankauf von Büchern.
Die Gesammtheit dieser Auslagen (11000 Reales oder 2895 Frcs.) wird vom Staat bestritten, dem
die Provinz als Beitrag dazu jährlich 4500 Reales oder 1184 Frcs. zu geben verpflichtet ist. Ausserdem
sind in dem jährlichen Budget des Instituto Balear 2000 Reales oder 526 Frcs. eingestellt, die
speciell für Ankauf von Büchern für die Bibliothek bestimmt sind. Im Uebrigen ist die Bibliothek
ausser den Büchern, welche manchmal die Regierung den Bibliotheken zu weist, auf die von den
wissenschaftlichen und literarischen Gesellschaften, sowie von Privatautoren ihr geschenkten
Bücher angewiesen.
Das Kloster von Sn Vicente de Paul oder der Patres der Mision, auf der gleichnamigen
Calle gelegen, auf Mallorca des Capallots genannt, datirt erst aus dem vorigen Jahrhundert. Diese
Die Stadt Palma. Bildungsanstalten, Bibliotheken und Sammlungen. 465
Klostergeistlichen Hessen sich nämlich im Jahre 1736 auf Mallorca nieder, w ie es scheint, namentlich
deshalb, w e il sie in ihrem Hause zu Paris die Reliquien des Pedro Borguny, eines Mallorquiners,
der in Algier am 30. August 1654 den Opfertod erlitten hatte, besassen. Den Körper Borgunys
erhielt Sn Vicente de Paul, der Gründer der Institution, von dem er nach Mallorca gebracht wurde, w o
er in der Kirche auf bewahrt wird. Von den männlichen geistlichen Gemeinden, welche das Concordat
von 1851 bestehen liess, gab es auf Mallorca nur zwei: diejenige von Sn Vicente de Paul und jene von
Sn Felipe Neri, von der schon früher die Rede war. Die Sn Vicente-Kirche hat eine auf vier Bogen
ruhende Kuppel mit Zwickelkappen, eine zopfige, auf Segmentbogen ruhende Empore und zopfige
Altäre. In den beiden Armen des Kreuzes sieht man zw ei von dem Mallorquiner José Muntaner
gemalte Bilder, Momente aus dem Leben des Gründers darstellend. In der Sacristei mit zopfigem
Paramentenkasten sind die Reliquien des Pedro Borguny aufbewahrt. Das Refectorium hat etwa
für 60 Geistliche Platz, die sich hierhin zu Andachtsübungen zurückzuziehen pflegen. Oberhalb
des Refectoriums ist eine Art Kapelle mit Kreuzgewölbe für die jungen Geistlichen. Hier ist
ein Zugang zu dem Chor und den Seitenemporen der Kirche. Die Gänge mit Tonnengewölbe
haben Thüren zu den Seitenzellen. Letztere sind ganz einfach, mit einem Lehnstuhl und einem
kleinen Tisch versehen.
In der Calle de Sn Bernardo liegt links nach der Domkirche zu das ziemlich grosse Hospiz der
Geistlichen, Hospitalet de Sn Pere y Bernât genannt, welches für die mittellosen kranken Priester
bestimmt war. Es wurde am 23. November 1501 von dem Domherrn Juan Borräs gegründet.
Gleichzeitig ist es das Haus der gleichnamigen Brüderschaft. Das Gebäude ist noch immer Eigenthum
der Kirche; von den reichen Stiftungen sind aber nur noch wenige Reste in öffentlichen
Werthpapieren übrig geblieben. Das einfache, steinerne, aus Marés-Quadern gebaute Haus weist
drei ganz zopfige Portale auf. Das grosse Gehöft zeigt vier pseudojonische Säulen aus röthlichem
Marmor, auf welchen Segmentbogen ruhen, die rundherum eine Halle mit steinerner Wölbung
bilden. Links befinden sich statt der Säulen Pfeilermassen, welche die Bogen tragen. Rechts vom
Gehöft ist die Kapelle, in deren Sacristei die Kappe des Beato Alfonso Rodriguez aufbewahrt wird.
Zur Linken des Gehöftes führt in drei Rampen eine bequeme Treppe zu einer Terrasse mit einem
luftigen Saal. In einem Nebenzimmer hängen Portraits von Wohlthätern der Anstalt. Es giebt
auch ein Archiv und drei Zimmer für alte Geistliche.
Sammlungen sind in Palma wenige vorhanden. Es giebt w o h l in Privathäusern viele werthv
o lle Bilder, namentlich in den Häusern der alten adefigen Familien, in keinem ist aber eine eigentliche
Gallerie zu finden, ausgenommen in dem Hause Montenegro, welche von dem kunstsinnigen
Cardinal Despuig grösstentheils während seines Aufenthaltes in Rom zusammengestellt wurde. Sie
enthält meist alte Bilder der italienischen, einige der niederländischen und nur sehr wenige der
spanischen Schule. Diese Gallerie ist ein kleines Cabinet mit einem kleinen und drei grösseren Sälen;
ausserdem giebt es zwei Zimmer mit Gobelins und eine kleine Sammlung alter und neuer Familienwappen.
Oben ist die gleichfalls vom Cardinal Despuig gesammelte Bibliothek mit über 12 500
Bänden untergebracht. Sie ist die wichtigste Privatbibliothek Palma’s. Man bewahrt darin einen
alten französischen Codex mit sehr schönen Malereien als Verbrämung des Kalenders, dann die
Evangelisten und einzelne Abschnitte der heiligen Schrift, wahrscheinlich für irgend einen französischen
Herrscher geschrieben, auf.
Das Museum (Museo provincial), erst seit einigen Jahrzehnten bestehend, ist aus früher in
der Akademie und aus ehemaligen Klöstern der Insel herstammenden Bildern gebildet worden.
Es enthält nicht viel Gutes, da man erst 15 Jahre nach der Aufhebung der Klöster diese
Sammlung anlegte, zu einer Zeit, w o schon fast alle Bilder aus den Klöstern oder Kirchen v e r schwunden
waren. Das Beste w a r von den Mönchen selbst noch vo r Aufhebung der Klöster
an Depositäre übergeben worden, in der Hoffnung, dass die Bilder binnen Kurzem wieder den
Klöstern zufallen würden. Den interessantesten Theil des Museums bildet die Sammlung der Bilder
von Juncosa; sie waren von diesem catalanischen Mönch, der in der Cartause de Jesus Nazareno
von Valldemosa lebte, 1676 für die dortige Kirche gemalt worden.
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