TJrteil abgeben zu können, ob u n d in welcher H in sic h t die Ökologie beider V a rie tä te n im
B a ika lsee verschieden ist; deswegen werden w ir im Nachstehenden hei Be sprechung der
Ökologie von Tintinnopsis lacustris die V a rie tä te n au ß e r Ach t lassen.
Aus dieser Aufzählung is t ersichtlich, daß e rstens T. lacustris im P la n k to n des Pe-
lag ia ls des offenen Ba ika lsees ü b e rh a u p t n ich t v orkommt u n d daß zweitens dieses In fu so r
solchen Be zirken eigen ist, die bei Verschiedenheit ih re r physio-geographischen u n d h y d ro logischen
Verh ä ltn isse , trotzdem dad u rch e in an d e r nahestehen, daß die E xistenzbedingungen
in allen diesen Gegenden sich von den re in-haikalischen von Grund au s u n te rsch e iden,
indem sie durch Seichtwasser, d u rch E inw irk u n g münd en d e r Flüsse, d u rch die Isolie
r th e it vom eigentlichen B a ika lsee usw. c h a ra k te ris ie rt werden. H ie rau s e rg ib t sich,
d aß in diesen Be zirken die Somm e rtem p e ra tu ren höher sind, die O x y d ie rb a rk e it größer
is t u n d das Salzregime sich von demjenigen des eigentlichen B a ik a l u n terscheidet: es en th
ä lt meh r E isen (nördliches Seichtwasser), S ilik a te (Selenginsche Bank, nördliches Seichtwasser)
u n d zeigt eine herabgesetzte H ä r te (nördliches Seichtwasser). H a in diesen Gegenden,
m it Ausnahme d e r Ba rgusin-B ai, T. lacustris ste ts in Gemeinschaft m it einer
an d e ren T intinnoidee (T. semiciliatum) a u f tr itt, deren Fundb ed in g u n g en in diesen Teilen
des Sees oben (S. 122) besprochen wurden, so wollen w ir, um u n s n ich t weiter zu wiederholen,
dieselben n ic h t wieder vornehmen. I n d e r B a rg u sin -B a i jedoch (wo T. semiciliatum
von u n s n ic h t angetroffen wurde, wo ab e r die W ah rsch e in lich k e it des Vorkommens
dieser F o rm seh r bedeutend ist) w urde T. lacustris im J u n i 1928 gefunden (1927
kam dieses In fu so r h ie r n ic h t vor), u n d zwar im Oberflächenplankton am Nishne je Isgo-
lowje des Swjatoi Noss üb e r e in e r schon sehr b e trä ch tlich en Tie fe v o n 9 |a l s 500 m. An
dieser Stelle (am 10. V II. 1928) w a ren b e re its au f ein e r Tiefe von 25 m die gewöhnlichen
Bedingungen des offenen Baika lsees vorhan d en E j j i i e d r ig e T em p e ra tu r (4,70°), geringe
O x y d ie rb a rk e it (1,44 0 2mg/l) usw.; in der n ic h t g roßen Oberflächenschicht ab e r wurde,
d an k d e r stillen u n d heißen W itte ru n g , eine b e trä ch tlich e T em p e ra tu re rh ö h u n g bis 16,5°
beobachtet. In dieser Schicht entwickelte sich ein seh r reiches P lan k to n , in dem neben
einigen b aikalischen P lanktonbewohnern au ch eine Menge n ic h t baik a lisch e r Elemente,
Bosmina, Polyarthra, Stentor roeselii u. a. m., a u ftra te n . I n dieser oberen Schicht des e rw
ä rm ten B a ika lw assers t r a t in g e rin g e r Anzahl auch T. lacustris v a r . laevis au f. I n die
tie fe ren k a lte n Schichten dieses P u n k te s, wie dies au ch im nördlich en B a ik a l im Be zirk
des Flusses T scheremsehanka (siehe S. 124) d e r F a ll ist, is t T. lacustris n ic h t h e rabgesunken.
I n an d e ren Teilen der ausgedehnten Ba rg u sin -B a i, z. B. in ih rem nördlichen
Teil, d e r ziemlich se icht is t u n d von dem F lu ß B a rg u s in beeinflußt wird , wo das A u ftre
te n von T. lacustris eigentlich zu e rw a rte n wa r, fanden w ir dieses In fu so r weder 1927
noch 1928 vor.
Somit treffen w ir T. lacustris im Ba ika lsee an g e fangen von Bedingungen, die sich
b einahe den gewöhnlichen See-Teiehbedingungen n ä h e rn (die tiefgelegenen Regionen der
Tschiwyrkui-Bai) bis zu denen der e rw ä rm ten Ba ik a lw ä sse r (Nishneje Isgolowje des Sw ja to
i Noss); in den re in b aikalischen Bedingungen jedoch, m it ih re n gewöhnlich nied rig en
T em p e ra tu ren , hleiht 7 . lacustris aus.
Die extremen Grenzen d e r hydrologischen Grund fak to ren , die das Vorkommen von
T. lacustris 1928 begleiteten, äu ß e rn sich in folgenden Ziffern:
T em p e ra tu r 0 2 mg/1 C02 mg/1
Bicarb. C02
mg/1 PH CaO mg/1 MgO mg/1 S i0 2 mg/1
Ox y d ierb ark e it
0 2 mg/1
10,45—19° 9,01—12,71 0,00—2,71 21,1—45,2 7,35—7,7 16,6—28,1 1,3—4,8 0,88—6.52 1,43—4,18
Die Mehrzahl d e r L itera tu ran g a b en k o n statiert, d aß d a s Maximum d e r Entwicklung d ie s e r Form in an d e re n Wasserbecken,
au ß e rh a lb d e s Baikalsees, a u f d ie S ommermonate fä llt: z.B . in d e r Newa-Bucht ( R y l ow , 1926), im Ilmen-See
(R y 1 ow , 1926), im östlichen T eil d e s F in n isch e n Meerbusens ( S o k o l o w a , 1927), im S ee Kaban ( M e i s s n e r ) , im
S ee Pestowo ( S k o r i k o w , 1896), Großen P lö n e r S ee ( A p s t e i n , Z a c h a r i a s , 1893—1903), U nterpotz ernitze r Teich,
Böhmen (S v e ö, 1896) u nd vielen an d e ren . Es lieg en a b e r, obwohl auch wenig zah lreich e Hinwe ise entgegengesetzten
C h a ra k te rs v o r: im Moritzburger Großteich b e i Dresd en ( T h a l l w i t z , 1907) u n d im S tadtwäldchen zu Budapest (G.
E n t z, 1909) w u rd e d ie maximale Entwicklung v on T. lacustris wä h ren d d e r Win termo n a te verzeichnet. L e id e r können
wir, d a d e n In fu so rien b ish e r b e i d en hydrobiologischen Untersuchungen s e h r wenig Aufme rk sam k eit g eschenkt wurde,
nich t m it v o ller S ich erh e it sagen, d aß es sich in a llen e rw äh n ten F ällen tatsächlich um leb e n d e T. lacustris han d e lt, nicht
n u r um ih re Gehäuse.
I n A n b e tra ch t dessen, daß T. lacustris in b e trä ch tlich e r Anzahl auch in d e r W in te rp
eriode vorkommt, können w ir diese F o rm n ich t als definitiv stenotherm-wärmeliebend
b e tra ch ten , obgleich die meisten L ite ra tu ra n g a b e n u n d u n se re Beobachtungen im B a ik a lsee
d a fü r sprechen.
In bezug a u f die H au p tu rsa c h en , die die V e rte ilu n g von T. lacustris im Baikalsee
bestimmen, neigen w ir zu derselben V e rm u tu n g hin, die w ir in bezug a u f die V e rte ilu n g
einiger Fo rm en au s d e r m it T. lacustris gemeinsamen In fusoriengeme inschaft g e äu ß e rt
h a tten , u n d zwar in bezug a u f Stentor roeselii, Vorticella monilata. W ir sind g e rad e der
Meinung, daß d e r T em p e ra tu rfa k to r die V e rte ilu n g dieser Fo rm en n ich t d ire k t beeinflußt,
sonde rn in d ire k t, u n d zwar d u rch den N ah ru n g sfak to r. U nsere H au p te rw äg u n g en in bezug
a u f diese F ra g e hab en w ir b ereits a u f S. 97 d a rgelegt, deswegen b rin g en w ir sie hier,
um eine W iederholung zu vermeiden, n ich t noch einmal. Jedoch in bezug a u f T. lacustris,
d eren E u ry ö k ie n ich t so deutlich ausgesprochen ersche int, wie bei den obenerwähnten
F orm en , gelten diese E rw äg u n g en n u r a ls bloße Vermutungen.
T. lacustris g eh ö rt im Gegensatz zu an d e ren im Süßwasser vorkommenden V e rtre te rn
ih re r G a ttu n g (T. ovalis D a d a y , T. fusiformis D a d a y , T. cylindrica D a d a y etc.) zu
den ä u ß e rs t v e rb re ite ten A rten ; die L ite ra tu ra n g a b e n ü b e r dieses In fu so r sin d seh r re ich ha
ltig , wozu gewissermaßen das Vorhandense in eines Gehäuses b e iträg t. Alle Be schreibungen
stimmen d a r in überein, daß es eine re in eupelagische A r t ist. Die ökologische
Amp litu d e dieses In fu so rs um faß t einerseits solche g roßen u n d tie fen Seen, wie den Lago
Maggiore, Lago d i Como (A n d r é , 1912), den Ladoga-See ( S k o r i k o w , 1909), fe rn e r die
Seen vom eutro p h en T ypus wie den Urnen- (R y l ow, 1926) u n d den Gr. Plöner-See ( Z a c
h a r i a s , 1893-—1905) u. a., sodann ausgedehnte, jedoch seichte Seen wie den Balaton-
( F r a n e é , 1897), den Erie-See ( J e n n i n g s , 1899) an d e re rse its ab e r au ch solche Wasserbecken,
die dem Teich- u n d Seetypus nah e stehen, A ltwasser wie den U n te rp o tz e rn itz e r
Teich (Böhmen, S v e c , 1896), den See K ab an ( R u s s k y , 1889) eine Re ihe k le in e re r W a sserbecken
Pommerns (M. V o i g t , 1903) und viele andere. T. lacustris w ird au ch fü r das
P lan k to n d e r Flüsse: Wolga, Oka (Z y k ow, 1902), Newa, Swir, Wolchow ( S k o r i k o w ,
1909), Mosel ( L a u t e r b o r n , 1908) usw. angegeben. Im B a ika lsee w urde T. lacustris ber
e its frü h e r von L. L. R o s s o l im o (1923) fü r das P la n k to n d e r T schiwyrkui-Bai u n d des
T schiwyrkui-Ssor angegeben.