
zugunsten d e r z en trip e ta len G ru n danschauung d e r Deszendenztheorie zu sprechen: die
In se lv a ria tio n en w ä ren d an n d u rch die u nm itte lb a re E inw irk u n g der Umweltsfaktore
n entstanden. Diese A nsicht v e r tr a t bek an n tlich auch K ä m m e r e r : e r glaubte, daß die
in su la ren V a ria tio n en ausschließlich d urch äu ß e re Lebensbedingungen — z. B. d e r Melanismus
d urch k ombinierte In te n s itä t d e r L ic h ts tra h lu n g , Hitze u n d T rockenhe it — h e rv o rg
e ru fen werden. Es g ilt also zunächst zu p rü fen , ob sich zwischen den Umweltsbedingungen
u n d den einzelnen In se lv a ria tio n en in d e r T a t ü b e ra ll deutliche Beziehungen nach-
weisen lassen, d. h. ob die E n ts teh u n g d e r In se lv a ria tio n en d ire k t a u f die E ig e n a rt der
In s e ln a tu r zu rü ck g e fü h rt werden da rf. Und zwa r könnte die u nm itte lb a re E inw irk u n g der
in su la ren Umwelt zweierlei A r t sein: zu n ä ch st k önnte sie in den allgemeinen phy sik a lisch chemischen
Lehensbedingungen, die a u f In se ln h errschen, b eg rü n d e t sein, so z. B. in der
s ta rk b e schränkten Arealgröße, im Inse lk lima , in d e r N a h ru n g usw.; sodann is t es ab e r
auch denkbar, daß schon das Leben au f einer Insel, also a u f einem isolierten Areal, durch
die W irk u n g d e r räum lich en Sonderung einen v a ria tio n sb ild en d en F a k to r darste llen
könne. W ir werden d ah e r zu e rst die eigentlichen Umweltsfaktoren etwas n ä h e r zu betra
c h te n haben und e rst dan n die W irk u n g d e r räum lic h en Sonderung k u rz zu an a ly s ie ren
versuchen.
II. Die Einwirkung der Umwelt auf die Insel-Variationen.
1. Arealgröße.
U n te r allen in su la ren Umweltsfaktoren is t die B e s c h r ä n k t h e i t des L ebensraumes
fü r die In s e ln a tu r vielleicht am bezeichnendsten. Au f ganz g roßen In se ln wie a u f
Neuguinea (774 000 qkm), Borneo (736 000 qkm), Mad ag a sk a r (590 000 qkm) oder S um a tra
(434 000 qkm) — kommt dieser Um w e ltsfak to r fre ilich so g u t wie g a r n ich t z u r Geltung.
D ah e r ste llen solche riesige In se ln vom biologischen S ta n d p u n k t kleine K o n tin en te d a r;
d enn ih r In s e lc h a ra k te r m a ch t sich n u r in den allgemeinen zoogeographischen Beziehungen
geltend, wäh ren d in morphologischer H in sic h t bezeichnende In selformen, wenigstens
u n te r K rie ch tie ren , sich d o rt k aum auszubilden vermochten. Ü b e rh a u p t kommen c h a ra k teristisch
e in su la re Merkmale bei R e p tilien se ltener a u f In se ln zum Ausdruck, deren A re a l
1000 qkm ü b e rste ig t; h äufiger sind sie a u f weit weniger umfangreichen, n u r etwa 100 qkm
g roßen E ila n d eru^-r— etwa wie Rodriguez oder P rin c ip e — anzutreffen. Noch a u ffä llig e r
tre te n sie ab e r a u f ganz kleinen E ilan d en in E rsch e in u n g , die n u r einige wenige Q u a d ra tk
ilometer umfassendes A re a l — etwa wie Linosa m it 5,4 qkm -fr# a u f weisen. Die ganz
extremen Inselfo rmen leben jedoch zumeist a u f winzigsten L an d sp litte rn , die noch kleiner
sind als ein Quadratkilometer: so z. B. a u f d e r n u r 0,5 qkm g roßen Antillen in se l Sombrero
oder a u f den Scoglien des Mittelmeeres, deren F lä ch e bisweilen Vioo qkm n ic h t ü b e rste
igt. Man k a n n also ganz generell sagen: je k le in e r eine In se l ist, desto g rö ß e r is t die
Wahrscheinlichke it, daß sich d o rt u n te r den K rie ch tie re n extrem differenzierte In se lfo rmen
auszubilden vermögen.
Trotz dieser au ffä llig en Koinzidenz k an n m an sich ab e r g a r n ich t vorstellen, daß zwischen
d e r A re a lg rö ß e u n d den In se lv a ria tio n en d e r K rie ch tie re irg en d ein d ire k te r k a u sa
le r Zusammenhang bestehen könne. Zwar h a t m an den E influß d e r K le in h e it des
Lebensraumes beispielsweise a u f den Zwergwuchs verschiedener Lebewesen — wie Fische,
K aulq u ap p en , W a s s e r s c h n e c k e n e x p e r im e n t e l l nachgewiesen; üb e r die einzelnen F a k toren,
die dabei wirk sam sind, weiß man ab e r k aum etwas näheres. E s scheint jedoch, daß
bei diesen aq u a tilen Organismen n ich t die K le in h e it des Lebensraumes a ls solche den
Zwergwuchs h e rv o rru ft, sonde rn die meh r oder m in d e r s ta rk v e rän d e rte Beschaffenheit
des Wassers, d e r Sauerstoffmangel, die S p ä rlic h k e it d e r N ah ru n g u. dgl. Auch fü r die
V a ria tio n en d e r L an d tie re sind die ge rin g en Ausmaße des Lebensraumes ohne Zweifel
n u r m itte lb a r wirk sam ; v o r allem insofern, als sie die E xistenz ein e r n u r wenig in d iv id
uenreichen P o p u la tio n gesta tten , deren Mitglieder u n te re in an d e r n a tu rg em äß in einem
seh r in n ig en V e rw an d tsc h a ftsv e rh ä ltn is stehen müssen: manche in su la re V a ria tio n en
k önnten also ih re „E n tsteh u n g “ d e r I n z u c h t verdanken.
E in e allgemeine E n ta rtu n g d e r Geschöpfe, die die In zu ch t h e rb e ifü h ren kan n , scheint
insbesondere in d e r V e rrin g e ru n g d e r K ö rp e rg rö ß e zu r Geltung zu kommen. Namentlich
u n te r den S äu g e rn sind einige Beispiele bek an n t, die die Abhän g ig k e it d e r K ö rp e rd im en sionen
vom besch rän k ten L ebensraum e rkennen lassen. So n im m t S t u d e r (1889, S. 80)
an, daß d e r Zwergwuchs der S äu g e r seine G rundursache in der E n ta rtu n g durch In zu ch t
habe, die durch ein zu kleines A re a l bedingt werde; a ls Be ispiele n en n t e r das K le in e rwerden
d e r wäh ren d des Diluviums weit v e rb re ite ten , in der Gegenwart ab e r a u f kleine
A re a le b eschränkten A rte n (Murmeltie r, Wildschwein, E delhirsch, Steinbock) sowie eine
Re ihe von Inselformen. Äh n lich ä u ß e r t er sich noch 1914, wobei auch V e rm in d e ru n g und
Verein fa ch u n g des N ah ru n g sm a te ria ls in den k au sa len Zusammenhang m it der H e rab setzung
d e r K ö rp e rg rö ß e g eb ra ch t werden. Ob n u n diese Anschauung ta tsä ch lich ric h tig
is t oder ob speziell das Kleinerwerden der d ilu v ia len Re liktenformen u n te r den Säu g e tie re
n na ch d e r B e r gma n n s e h e n Regel p lau sib le r zu e rk lä re n wäre, soll h ie r n ich t weiter
d isk u tie rt werden. E s m ag ab e r e rw äh n t sein, daß au ch A b e l (in N o p c s a 1914, S. [13])
die A n sich t v e r tritt, daß d e r Zwergwuchs a u f In se ln eine Folge d e r In zu ch t sei. A u f die
gleiche U rsache fü h r t üb rig en s H a g m a n n (1908, S. 30) die au ffa llen d g roße Zahl von
Zahnanomalien u n d verschiedene F ä lle von E rk ra n k u n g e n (Osteoporose, P e rio stitis der
Z ahnwurz eln u n d Alveolen) bei Hirsch en d e r brasilian isch en In se l Mexiana zurück.
L ä ß t sich n u n bei Rep tilien irg en d ein deutlich e r Z usammenhang zwischen d e r A re a lu
n d K ö rp e rg rö ß e nachweisen? Bei e inigen Inselechsen k a n n m an h ie r zunächst in d e r T a t
eine re c h t au ffä llig e Koinzidenz beobachten, indem ein F o rm e n k re is a u f g roßen Inseln
d u rch größere , a u f k le in en d u rch kle in e re Rassen v e rtre te n wird. Das findet m an z. B. bei
a llen K anarenechsen, die man gewöhnlich als Rassen zu Lacerta galloti rechnet. Stellen
w ir die Maxima lgrößen fü r K o p f R u m p f d e r 4 Rassen dieser Species ü b ersichtlich zusammen,
wobei w ir die Maßangaben d e r A rb e it von C. R. B o e t t g e r und L. M ü l l e r
(1914) entnehmen, so e rg ib t sich folgendes Bild:
I 2
Lacerta galloti galloti 135 mm 126 mm; T en e rife : 2030 qkm
„ p almae 112 mm 98 mm; P a lm a : 715 qkm
„ ,, gomerae 102 mm 83 mm ; Gomera: 370 qkm
82 mm 78 mm ; H ie rro : 275 qkm
W ir sehen, daß die Größe dieser Eidechsen d ire k t p ro p o rtio n a l is t zu d e r Größe des
von ih n en bewohnten Areals: a u f der g rö ß ten In se l (Tenerife) lebt die größte, a u f der
kleinsten (Hierro) die k leinste Hasse. Das B ild ä n d e rt sich ab e r sofort, wenn w ir die
gesamte U n te rg a ttu n g Gallotia als einen einzigen Fo rm en k re is (da a lle „A rten “ von Gal-
lotia morphologisch ein an d e r seh r nah e stehen u n d außerdem noch Vikariieren, is t man
dazu d u rch au s berechtigt) b e tra ch ten ; d a n n e rg ib t sich, daß ein gesetzmäßiger Zusam