Einleitung.
Nirgends in d e r fre ien N a tu r t r i t t d e r Vorg an g d e r A rtum b ild u n g so e indrucksvoll in
E rs ch e in u n g wie a u f Inseln. A u f dem F e stlan d e bleiben gewisse V e rän d e ru n g en d e r Geschöpfe,
die m it ih rem Formenwandel Zusammenhängen, im u n g eheuren R e ichtum des o rg
anischen Lebens, das d o rt a u f die versch ied en a rtig sten L ebensräume v e rte ilt u n d den m an n
ig fa ltig s ten Umweltsbedingungen ausgesetzt ist, o ft völlig verborgen. A nders a u f I n s
e l n , u n d besonders a u f den kleinsten: eine a u f beschränktem Raume abgesonderte F a u n a
m it ih r e r bezeichnenden A rte n a rm u t, die jedoch wieder zumeist m it größtem In d iv id u e n re
ich tum verbu n d en ist, b rin g t es m it sich, daß d o rt nahezu alle artum b ild en d en Vorgänge
sofort auffa llen , ja sich soga r au fd rä n g en . Aber au ch gleichförmigere Umweltsbedingungen
sowie eine g e rin g e re M a n n ig fa ltig k e it der L ebensräume tra g e n n a tu rg em äß dazu bei, daß
d e r Artenw an d e l a u f In se ln sich le ich te r erfa ssen lä ß t als a u f dem Kontin en t. Den u n s vom
F e stlan d e bekan n ten Lebewesen begegnen w ir a u f Inseln in vielen F ä lle n zwar wieder, zumeist
ab e r in einem ganz an d e ren Gewände; und n ich t selten b ed a rf es e rs t ein e r so rg fä ltig
sten U n tersuchung, um in einem Inselgeschöpf ein u n s vom F e stlan d e a ltv e rtra u te s zu
erkennen. Denn die W irk u n g d e r beiden allgegenwärtigen u n d g rundlegenden K r ä fte der
stammesgeschichtlichen E n tw ic k lu n g — d e r Vere rb u n g u n d d e r V e rän d e rlich k e it -= |
kommt g e rad e a u f In se ln besonders ma chtvoll zum A usdruck: das änderungsfeindliche
P rin z ip e rh ä lt Altes, wäh ren d das fo rtsch rittlich e dennoch Neues d a ra u s gestalte t.
V ielleicht keine an d e re G ruppe inselbewohnender W irb e ltie re lä ß t dieses Gegenspiel
d e r beiden Grundeigenschaften stammesgeschichtlichen Geschehens so k la r e rkennen wie
die R e p t i l i e n : ih re weltweite V e rb re itu n g , ih r Vorkommen auch a u f den entlegensten
u n d winzigsten E ilan d e n der Ozeane, fe rn e r ih r A u ftre ten in o ft so ungewöhnlich in d iv iduenreichen
Be ständen und n ich t zuletzt ih re Neigung zu r Ra ssenbildung machen diese
Geschöpfe fü r eine U n te rsu ch u n g des A rtbildungsproblems a u f In se ln besonders geeignet.
Mit dem Wesen des B eh a rrlich k e itsp rin z ip s im stammesgeschichtlichen Leben werden w ir
uns zwar in d e r vorliegenden A b h andlung n ich t n ä h e r beschäftigen: w ir begnügen u n s d a mit,
die V e re rb u n g als etwas Gegebenes zu betra ch ten . A nders is t es a b e r m it ih re r nach
F o rts c h r itt strebenden Gegenspielerin. Denn die so ü b e rau s au genfällige V e rän d e rlich k e it
d e r Rep tilien a u f In se ln fo rd e rt ja g eradezu h e ra a s, zu ih re n wirklichen Ursachen d u rch zu d
ringen: zu u ntersuchen, ob es etwa die b e s o n d e r e n U m w e l t s b e d i n g u n g e n sind, die
die V a ria tio n en erzeugen; oder aber, ob die r ä u m l i c h e S o n d e r u n g a l l e i n als a r tb ildender
F a k to r wirk sam sein k an n ; oder endlich, ob n ich t in e rste r L in ie innere, in der N a tu
r des K e i m p l a s m a s begrü n d e te Ursachen fü r den in su la ren Formenwandel v e ra n twortlich
zu machen sind.
Mit d e r E ig e n a rt d e r T ie rw e lt a u f In se ln haben sich verschiedene Fo rsch e r beschäftig
t; und von vielen is t ih re hohe Bedeutung — n ich t n u r fü r re in zoogeographische F ra -
Zoologica. Heft 84. =