schon von verschiedenen A u to ren m it Re cht au fmerksam gemacht worden. Und ganz ä h n lich
v e rh ä lt es sich offenbar m it vielen, vielleicht soga r m it den a llermeisten In s e lv a ria tio nen
d e r R e p tilien und v e rm u tlich auch der an d e ren T ie rg ru p p en . So is t z. B. u n te r den
S äu g e rn d e r a u f der E p r itu Santo-Insel lebende Lepus insularis d u rch sein schwarzes
Pelzwerk von se iner hellen Stammform a u f dem F e stlan d e in d e r au ffä llig sten Weise v e r schieden
(S. 92): diese so m a rk an te morphologische Divergenz s te h t ab e r im schroffsten
Gegensatz zur Gleichheit der Umweltsbedingungen (Klima, Beschaffenheit u n d F ä rb u n g
des Gesteins, Vegetation) au f d e r E sp ritu Santo-Insel und a u f dem n u r 4 M eilen en tfe rn ten
Festlande .
E in e „ innere Grun d u rsa ch e “ des phylogenetischen Prozesses d e r A rtb ild u n g , also die
V a ria tio n sfäh ig k e it, h a t auch M o r i t z W a g n e r (vgl. z. B. 1889, S. 450) a n e rk an n t. W äh ren
d e r ab e r glaubte, daß „ fü r sich allein, ohne das H in zu tre ten u n d den Anstoß einer
an d e ren äu ß e ren mechanischen U rsache ..., die in ih re r formbildenden T h ä tig k e it durch
die fre ie K reu zu n g gebundene V a r ia b ilitä t“ u n fäh ig sei, eine neue Species zu gestalten,
neigen w ir zu r Annahme, daß die A rtb ild u n g zumindest zu einem g roßen Teile a u f der
F ä h ig k e it d e r Organismen beruhe, erbliche E igenschaften auch ohne einen u nm itte lb a re n
E influß d e r Umwelt zu erzeugen.
Wie die moderne V ererbungslehre, die se it der J a h rh u n d e rtw e n d e u n se re Vorste llu n gen
üb e r den Vorgang des Evolutionsprozesses n ich t n u r wesentlich v e rtie ft, sonde rn auch
in m ehrfacher Beziehung v e rä n d e rt h a t, in überzeugender Weise, d. h. durch das E x p e riment,
nachweisen konnte, spielen g e rad e die M u t a t i o n e n u n d n ich t die Modifikationen
in d e r stammesgeschichtlichen W e iterentwicklung d e r organischen N a tu r die bei weitem
bedeutsamste Rolle. E s h a t sich gezeigt, daß d e r G r a d d e r A b w e i c h u n g , die eine
Mu tan te von ih re r Ausgangsform u nterscheidet, fü r den Begriff d e r Mu ta tio n völlig gleichg
ü ltig ist. Neben Muta tionen, die sich durch au ß e ro rd en tlich m a rk an te , ohne weiteres in
die Augen fallende Merkmale auszeichnen (Sp rungmutationen), kommen au ch solche vor,
deren Divergenz vom T y pus ä u ß e rs t klein, g e rad e noch n achwe isbar is t (Sc h rittm u ta tio nen).
Denn es g ib t ja k e in auch noch so g eringfügiges Merkmal, das n ich t erblich sein
könnte; und d ah e r k a n n schon die kleinste Abweichung von d e r Ausgangsform, sofern sie
n u r genotypisch bedingt ist, den Keim zur E n ts teh u n g einer neuen Rasse in sich trag en .
Solche winzige S ch rittm u ta tio n en k önnen also, g enau so wie die re in somatischen V a r ia tionen
(Modifikationen) eine d u rch au s k o n tin u ie rlich e (beispielsweise „geographische“)
V a ria b ilitä t d e r Organismen ve ru rsa ch en , während die S p ru n gm u ta tio n en ste ts ein u n gleichförmiges,
diskontinuierliches V a ria tio n sb ild zu ergeben pflegen. Zwischen den S ch ritt-
u nd S p ru n gm u ta tio n en k a n n es also n a tu rg em äß keinen prinzipie llen, sonde rn lediglich
einen grad u e llen Unterschied g eb en ^® || Obwohl schon Beobachtungen in der fre ien N a tu r
oder U ntersuchungen am k o n se rv ie rten M a te ria l üb e r die E rb lich k e it ein e r E ig enschaft
in vielen F ä llen eine re c h t zuverlässige A u sk u n ft zu geben vermögen, k an n in d e r Regel
d a rü b e r n u r das E x p e rim en t absolut sicher entscheiden; denn so g u t wie jede V a ria tio n
k an n sowohl als Muta tion wie als Modifikation in E rsch e in u n g treten.
Üb e r die Muta tionen bei Rep tilien sind u n se re K enntnisse geg enw ä rtig leider noch
ü b e rau s g e rin g ; v o r einiger Zeit habe ich d a rü b e r zwei kleine S ch riften zusammengestellt
(1926 a, b). Ebenso wie sich bei dem d e V r i e s sehen Ausgan g sm a te ria l, der b erühmten
Oenothera lamarckiana, eine genotypische U n re in h e it nachweisen ließ — es d ü rfte gerade
h ie r in teressieren, daß auch d e r b ekannte Herpetologe G. A . B o u l e n g e r die B a s ta rd n a tu r
dieser Pflanze e rk a n n t h a t (1907, S. 353) — , werden sich m it der Zeit v e rm u tlich auch
manche V a ria tio n en bei K rie ch tie ren , die zunächst noch die Merkmale von Muta tionen zu
haben scheinen, a ls Spaltungserscheinungen im Sinne d e r Me n d e l s c h e n V e re rb u n g sregeln
enthüllen.
E in e se h r ch a rak te ristisch e M u t a t i o n bei Rep tilien ste llt n u n die Schwarzfärbung,
d e r Me l a n i sm u s , d a r. Melanistischen K rie ch tie re n begegnet man n ich t n u r a u f Inseln,
wo sie ja besonders häufig sind, sonde rn b ekanntlich auch a u f dem F estlande , in den T ro pen
wie in d e r g emäßigten Zone, im Hochgebirge, in Mooren und Wüsten: kurzum, u n te r
so versch ied en a rtig en ökologischen Bedingungen, daß eine einheitliche E rk lä ru n g des Zustandekommens
des schwarzen F a rb k le id e s d urch Umweltseinflüsse unmöglich ist. E s ist
d a h e r seh r bezeichnend, daß W e r n e r (1930c, S. 657) in se iner S c h rift üb e r die Ü b e rpigm
en tie ru n g bei Rep tilien folgende F ra g e a u f w irft: „Wie soll man ab e r die häufige E r scheinung
deuten, daß schwarze und n o rm a lfa rb ig e Tie re nebeneinande r Vorkommen, und
zwar ebenso im Hochgebirge wie in d e r Ebene (Vipera berus, Lacerta vivipara) und
ebenso dieselbe A r t in u n g eheuren Gebieten Nordeuropa s u n d Nordasiens gleichfalls in
beiden T ra ch ten a u f tr itt? “ . Und an ein e r anderen Stelle sa g t d e r gleiche A u to r (a. a. 0 .
S. 659): „Was man auch immer als Ursache d e r Schwarz fä rb u n g in den Alpen, ü b e rh au p t
im Gebirge (Aqkistrodon blomhoffi monticola Wern, in Y ü n n an 3600 m) angeben mag,
es is t u n e rk lä rlich , w a rum u n te r gleichen Verh ä ltn issen melanotische u n d typische Fo rm
nebeneinande r vorkommt, u n d zwar ganz u n v e rm itte lt“ . Dem gleichen W id e rsp ru ch sind
w ir au ch a u f In se ln begegnet: denn d e r Versuch ein e r generellen E rk lä ru n g des Melanismus
lediglich d urch die F ak to ren d e r Umwelt mußte, wie w ir gesehen haben, scheitern.
Alle Schwierigkeiten verschwinden ab e r m it einem Schlage, wenn w ir d a ra n festhal-
ten, daß es sich bei dem Melanismus d e r K rie ch tie re um eine V e rän d e ru n g des Organismus
von inn en au s han d e lt; daß also auch die in su la re Schwarz fä rb u n g sich a u f re in muta-
tivem Wege au s in n e ren Ursachen ausgebildet h a t. W ä re nämlich d e r Inselmelanismus
lediglich ein E rzeu g n is der Umwelt — wie das viele Autoren, z. B. K l u n z i n g e r , K ä m me
r e r , Me he l y usw., angenommen haben —¡¡¡¡¡so m üßte er ja a u f kleinen Inseln nich t
n u r viel gleichmäßiger v e rb re ite t sein, sonde rn auch bedeutend wirkungsvoller in E rsch e inu
n g tre te n als es ta tsä ch lich d e r F a ll ist. Obwohl w ir nämlich die in su la re Schwarzfä
rb u n g d e r K rie ch tie re m it einem gewissen Re cht als ein „ In se lm e rkm a l“ bezeichnen
konnten, d ü rfen w ir an d e re rse its n ic h t verkennen, daß ja n u r ein k le in e r B ru ch te il säm tlicher
b ek an n te r In se lrep tilie n diese V a ria tio n des Fa rb k le id e s zeigt; und ebenso sind es ja
eigentlich n u r ganz wenige E ilan d e aus dem u ngeheuren Re ichtum an Inseln, den die
Meeresoberfläche geg enw ä rtig aufweist (der F id ji-A reh ip e l besteht z. B. au s etwa 250, die
K a ro lin en au s 500, die P h ilip p in e n au s weit üb e r 3700 Inseln!), a u f denen d e r Melanismus
bei Rep tilien zu r Ausbildung g e lan g t ist.
Auch im ü b rig en zeigt die in su la re Schw a rz fä rb u n g keineswegs immer das k o n tin u ie rliche
V a ria tio n sb ild , das w ir wohl e rw a rten müßten, wenn es sich um eine d irek te B ew irku
n g lediglich d urch die in su la ren Umweltseinflüsse handelte; v ielmehr h e rrs c h t dabei, wie
noch weiter u n ten gezeigt werden soll, eine re c h t weitgehende D isk o n tin u itä t. Weist der
Inselmelanismus in se iner Ausbildung eine kontin u ie rlich e V a r ia b ilitä t au f, so d a r f man
eben n ich t vergessen, daß die einzelnen Muta tio n ssch ritte auch winzig kle in sein können.
Außerdem k a n n eine K o n tin u itä t dad u rch vo rg e täu sch t werden, daß die Ausgangsform
m it d e r S p ru n g v a ria tio n zahlreiche in te rm e d iä re H y b rid en auszubilden vermag. Nicht
immer b ra u c h t übrigens d e r Melanismus bei R e p tilien m it dem erblichen C h a ra k te r einer
Muta tion au fzu tre te n ; es is t seh r wohl möglich, daß e r auch als Modifikation in E rsch e i