Aber auch fü r diese k a n n das Treibholz ohne jeden Zweifel n u r ganz ausnahmsweise einmal
als A u sb re itu n g sm itte l wirk sam sein: denn au ß e r d e r v o rh in e rw äh n ten Abgottschlange,
die bei d e r In se l St. V in c en t gefunden worden ist (wo sich ab e r diese A r t bis
heute n ich t e inzubürgern vermochte), is t m ir keine L ite ra tu ra n g a b e bek an n t, daß man
auch n u r einmal Treibholz m it lebensfähigen, te rre s tris ch en R e p tilien a u f dem Meere tr e ibend
au fgefunden h ä tte . Die Angabe von J o n e s (1909, S. 143), daß nach den Keeling-
inse ln ab und zu „große Schlangen“ verschlagen werden, is t wertlos, weil d a ra u s nich t
h e rvorgeht, ob es sich um re in te rre s tris c h e oder ab e r a q u a tile A rte n han d e lt; übrigens
vermochte sich a u f diesen Atollen trotzdem keine einzige Schlange, a u ß e r dem nahezu
kosmopolitischen Typhlops br a/minus, anzusiedeln; die meisten w u rd en schon to t a u f gefu n den.
Wie m ir im Sunda-Archipe l e rz äh lt worden ist, sollen nach heftigen S tü rm en am
S tra n d e in d e r T a t gelegentlich Schlangen, jedoch n u r Seeschlangen, gefunden werden;
sonst vermochte ich a u f meinen Reisen n ichts üb e r den tra n sm a rin e n T ra n sp o rt d e r Rep tilien
in E rfa h ru n g zu bringen.
Auch durch folgende T atsa ch en wird b e s tä tig t, daß Treibholz als tra n sm a rin e s V e rb
re itu n g sm itte l fü r die meisten L an d k rie ch tie re n u r eine ganz u n te rg eo rd n e te Bedeutung
haben kan n . E s is t z. B. niemals zwischen den vielen, en g benachbarten — oft n u r ein p a a r
Dutzend Meter vo n e in an d e r en tfe rn ten — Mittelmeerklippen irg en d ein A ustausch von
Eidechsen beobachtet worden; u n d genau das gleiche is t in zahlreichen tropischen A rch ipelen
festzustellen. So vermochten B a r b o u r & N o b l e (1915, S. 418—423) a u f Grund
d e r V e rb re itu n g verschiedener F o rm en d e r Ga ttu n g Ameiva überzeugend nachzuweisen,
d aß die A n tillen fa u n a einen k o n tin en ta len C h a ra k te r aufweise u n d n u r d e r ak tiv en Mig
ra tio n üb e r einen f rü h e r ausgedehnten, zusammenhängenden K o n tin en t ih re E n ts te h
u n g verd an k e ; die Drift-Hy p o th e se is t also fü r die Ameiven dieses Inselgebietes ganz
entschieden zurückzuweisen. Sogar die ebenfalls in Westindien weitv e rb re ite ten Eide chsen
d e r Ig u a n id e n g a ttu n g Anolis bilden d o rt ü b e ra ll ch a rak te ristisch e endemische In se la
rte n und -rassen aus; obwohl es sich auch bei diesen Tie ren, ähnlich wie bei Lazerten,
um ungemein au sb re itu n g sfäh ig e Geschöpfe handelt, is t n ichts üb e r ih re Verschleppung
m it Treibholz oder dgl. b ek an n t geworden. Selbst Inseln, die im Bereiche regelmäßiger
Meeresströmungen liegen, zeigen dad u rch in der Zusammensetzung ih re r te rre s tris ch en
H e rp e to fau n a n ich t die g e rin g ste Beeinflussung: so wird z. B. das kleine E ilan d Anegada
(Virginische Inseln, Antillen) von d e r „ n o rthw a rd -d rift“-Strömung um sp ü lt; trotzdem ist
ab e r diese S tröm u n g —* wie B a r b o u r (1917a, S. 98) ausd rü ck lich he rvorgehoben h a t
— ohne jeden E influß a u f die L a n d fau n a Anegadas. Auch im Galapagos-Archipel scheint
es nirg en d s zu ein e r tra n sm a rin e n Z uwanderung oder zu einem In d iv id u e n au stau s ch gekommen
zu sein, obgleich au ch d o rt die Inseln se h r nah e b e ieinander liegen u n d z. T.
von ganz regelmäßigen S trömungen um sp ü lt werden. Von 38 te rre s tris ch en Pflanzena
rten , die B e e b e (1926) in der „Stromkabbelung“ zwischen P a n am a u n d den Galapa-
gos fe stgestellt h a t, kommt n ich t eine einzige a u f den Galapagos vo r; u n d besonders wichtig
ist, daß m it diesen z ahlreichen treib en d en Pflanzen keine te rre s tris ch en K rie ch tie re
(oder Säuger) beobachtet worden sind.
Trotzdem soll n u n n a tü rlic h die Möglichkeit eines passiven T ran sp o rte s m it
Schwimmholz fü r R e p tilien keineswegs ganz in Abrede g e ste llt werden. Wie sich aber
au s den b ishe rigen A u sfü h ru n g en ergibt, k a n n ein solcher T ra n sp o rt a ls wirksames A u sb
re itu n g sm itte l höchstens fü r einige wenige, n ich t wasserscheue und gegen Seewasser
w id e rstandsfähige A rten eine gewisse Bedeutung haben. E in e gleich geringe Rolle wie
fü r K rie ch tie re sp ie lt Treibholz üb rig en s auch fü r Säuger; fü r diese zoogeographisch
ebenfalls sehr wichtige T ie rg ru p p e ließen sich auch viele Beispiele an fü h re n , au s denen
die seh r geringe B e deutung dieses T ran sp o rtm itte ls h e rvorginge. Ich muß mich h ie r m it
einem Beispiel begnügen: d e r S äu g e rfa u n a d e r Insel Mexiana im Amazonasdelta. Obwohl
nämlich diese In se l zu r Zeit des Hochwassers im März a lljä h rlic h fa st ganz überschwemmt
wird, v e rh a lte n sich ih re S äu g e r wie die einer echten In se lfau n a ; H a g m a n n (1908,
S. 2), d e r sie eingehend u n te rsu c h t h a t, konnte bei den Mexiana-Säuge rn eine Re ihe von
Merkmalen feststellen, die g erade fü r in su la re F au n en seh r bezeichnend sind, so z. B. eine
au ß e ro rd en tlich hohe A r te n a rm u t (14 Species gegen 50 des b en a ch b a rten Festlande s), Ausbild
u n g von Zwergrassen, Neigung zu Exzessivbildungen. Diese Befunde sprechen ganz
entschieden n ich t d a fü r, d aß ein reg e lm äß ig e r In d iv id u e n au stau s ch zwischen dieser Insel
u n d dem K o n tin en t sta ttfin d e t.
Als weitere F ak to ren , die fü r eine p assive V e rb re itu n g wirksam sind, müssen v e r schiedene
V ö g e l , besonders aq u a tile F ormen, g e n an n t werden: n amentlich kleinere
W a sse r Organismen oder ih re D au e rsta d ie n können bisweilen a n Vogelbeinen oder F ed e rn
gleich S chmarotzern h a ften bleiben u n d so w e ith in v e rsch lep p t werden. Dieses wurde
au ch fü r den T ra n sp o rt te r re s tris c h e r Schnecken angenommen; ja das Zustandekommen
g anzer in su la re r Molluskenfaunen is t von vielen Au to ren d urch eine solche Annahme
schon e rk lä rt worden. So g la u b t D a h l (1923, S. 22), d aß sämtliche L andmollusken d e r Azoren
, die nebenbei b em e rk t eine lange Re ihe endemischer Fo rm en aufweisen, d u rch Vögel
d o rth in g eb ra ch t worden seien; selbst W e i s m a n n (1913, 2, S. 246) is t der Ansicht, daß die
h öchst eigentümliche u n d ü b e rau s formenreiche Landschneckenfauna von H awai n u r durch
zu fälligen Im p o rt m itte ls versch lag en e r Landvögel d o rth in g e lan g t sein könne. Die U n h
a ltb a rk e it solcher Hypothesen k a n n h ie r n ich t n ä h e r b eg rü n d e t werden; es sei n u r fe stgestellt,
daß die Vogel weit zu r A u sb re itu n g d e r Rep tilien a u f Inseln wie a u f dem F e s tlande
n a tü rlic h n ic h t das gerin g ste b e ig e trag en h a t.
Bei weitem am w ichtigsten u n te r allen p assiven A u sb re itu n g sm itte ln is t ab e r fü r Reptilie
n die V erschleppung d u rch den Me n s c h e n ; u n d fa s t n u r m it se iner H ilfe vermochten
sie, in e rste r L in ie die Eidechsen, von dem g rö ß ten Teil re in ozeanischer Inseln Besitz zu
e rgre ifen. Daß K rie c h tie re sich d u rch den V e rk eh r leich t verschleppen lassen, is t ja eine
a llb ek an n te Tatsache. So w u rd en z. B. Walzenschleichen (Chalcides ocellatus) von Algier
nach Marseille (Mo u r g u e 1913, S. 56), d e r kleine Gecko Sphaerodactylus glaucus, die
Riesenschlange Constrictor constrictor Imperator u n d ein L aubfrosch von Südmexiko oder
H o n d u ra s n a ch den Ve re in ig ten S ta a ten (W. R. A l l e n 1928, S. 98), die Geckonen Hemi-
dactylus turcicus u n d Sphaerodactylus cinereus von Cuba nach F lo rid a ( S t e j n e g e r 1922,
S. 56), verschiedene N a tte rn (z. B. Leptodeira, Imantodes) von Z en tra lam e rik a wiederholt
nach E u ro p a v erschleppt. D urch ganz ähnliche E in fü h ru n g en von E inz elexemplaren sind
a b e r auch In se lfau n en b e re ich e rt worden: so z. B. Neu-Seeland d u rch den au s tra lis ch en
Flossenfuß Pygopus lepidopodus ( O l i v e r 1921, S. 263), Singapore d u rch die ebenfalls
au s tra lisch e Echse Egernia depressa ( C h a s e n 1925, S. 99), die K a n a re n durch die am e rikanische
Mabuya agilis usw. Auch Schlangen h a t man schon nach Inse ln v erschleppt: so ist
z. B. einmal eine harmlose Species (wohl Enygrus) von den F id ji-In se ln la u t H e c t o r
(1893, S. 650) m it Ban an en nach Neu-Seeland tra n s p o r tie rt worden. Aber au ch m it besond
e re r A bsicht h a t man schon R e p tilien und Amphibien nach verschiedenen In se ln geb ra ch t:
so scheinen Grüne Leguane (Iguana iguana) u n d Frösche (Leptodactylus pentadactylus)
0 - als eßbare T ie re — nach den Kleinen An tillen von den In d ian e rn , möglicherweise noch