men h an g zwischen d e r A realgröße u n d der Gesamtgröße der Kanaren e ch sen g a r nich t
besteht. Denn a u f d e r 1720 qkm g roßen In se l F u e r ta v e n tu ra lebt die kleine Lacerta at-
lantica, die n u r etwa h a lb so gro ß w ird wie Lacerta simonyi stehlini a u f d e r 1670 qkm
g roßen In se l Gran C anar; u n d eine noch g rö ß e re Kanarenechse, Lacerta simonyi simonyi,
bewohnt die ganz kleinen Roques del Z almor hei H ie rro . Da w ir n u n auch schon f rü h e r
fe ststellen konnten, daß die kle in sten E ilan d e n ich t ausschließlich von zwergwüchsigen
K rie c h tie re n besiedelt werden, sonde rn seh r oft ganz im G eg en te ilb e so n d e rs große F o r men
erzeugen, muß die K ö rp e rg rö ß e inselbewohnender K rie ch tie re von d e r ih n en zu r V e rfü
g u n g stehenden Ausdehnung des A re a ls im allgemeinen u n ab h än g ig sein. Offenbar ste llen
die Rep tilien a n die D imensionen ih r e r W o hnareale g e rin g e re Ansp rü ch e a ls die Säugetie
re ; denn au ch d e r kleinste L a n d sp litte r g en ü g t zumeist ih re n L ebensbedürfnissen vollau
f, so d aß eine in su la re „E n ta rtu n g “ sieh d u rch au s n ich t immer durch einen Zwergwuchs
zu m an ife stie ren b rau ch t.
Genau so wie den Zwergwuchs k ö n n te m an n u n n a tü rlic h auch den Riesenwuchs ein e r
k leinen P o p u la tio n a u f das Konto d e r In zu ch t setzen. Die W irk u n g d e r In zu ch t beru
h t ja in d e r H au p tsa ch e a u f dem H erausmendeln rezessiver (fü r den Organismus oft
schädlicher) E igenschaften, die sonst „v e rborgen“ sind, weil sie in einer P o p u la tio n n u r
im homozygoten Z ustande in E rsch e in u n g tre ten . Auch den Inselmelanismus, gewisse h ab itue
lle E igentümlichkeiten, ja ü b e rh a u p t alle V a ria tio n en , die w ir von in su la ren R e p tilien
kennen, k ö n n te n a tü rlic h die In zu ch t herausge züchtet haben. Da die In zu ch t als solche
keine v a riationserzeugende K r a f t sein k a n n B daß In zu ch t a l l e i n eine V e rän d e ru n g des
physiologischen Zustandes im K ö rp e r u n d d am it au ch im K eimplasma h e rb e ifü h ren kan n ,
h a lte ich fü r wenig wahrsche inlich 9, se tzt eine d e ra rtig e Hypothese entweder v oraus,
daß alle diese E igen sch a ften in d e r P o p u la tio n schon von A n fan g a n v o rh an d en w aren
un d e rst d u rch die In zu ch t deutlich geworden sind; oder ab e r die E igen sch a ften müssen
als vollstän d ig neue V a ria tio n en au fg e tre te n u n d von d e r In zu ch t e rh a lten worden sein.
Die e rste Voraussetzung is t in hohem Grade u nwahrsche inlich: zwar hab en w ir schon
f rü h e r gesehen, daß es e igentlich keine V a ria tio n en gibt, die ausschließlich fü r inse lbewohnende
Rep tilien bezeichnend w ä ren ; u n d wäh ren d viele V a ria tio n en , die w ir bei in su
la ren V e r tre te rn eines F ormenkreises antreffen, b e i v ereinzelten In d iv id u e n d e r g le ichen
Species au ch a u f dem K o n tin en t au ftre ten , so g ib t es a b e r doch mindestens ebenso
viele an d e re Inselmerkmale, die f ü r eine bestimmte G ruppe inselhewohnender Geschöpfe
etwas absolut N e u e s sind u n d a u f dem F e stlan d e zwar in d e r gleichen Ordnung, F am ilie
oder selbst Ga ttu n g gelegentlich beobachtet werden, n ic h t ab e r in n e rh a lb des gleichen
Formenkreises. D ah e r k a n n die Annahme e in e r in su la ren In zu ch t a lle in das A u ftre ten
a lle r V a ria tio n en hei In se lrep tilie n keineswegs erschöpfend e rk lä re n , ebensowenig wie
das Zustandekommen säm tlich e r E igenschaften, die die T ie re u n d Pflanzen im Zustande
d e r Domestikation h e rv o rg e b ra ch t haben.
Dagegen is t in hohem Maße wahrsche inlich, daß es g e rad e die In zu ch t ist, die die n e t
a u f t r e t e n d e n V a r i a n t e n in e in e r kleinen P o p u la tio n seh r leich t k o n s e r v i e r t .
Denn g erade bei einem ind iv id u en a rmen , iso lie rten Bestände k a n n eine neue E ig enschaft
sich n a tü rlic h wesentlich ra sch e r durchsetzen als in einer grö ß e ren Po p u la tio n , die üb e r
ein ausgedehntes A re a l z e rstre u t ist. Die au ffä llig e Koinzidenz zwischen den exzessiven
In selformen u n d den von ihnen bewohnten winzigen Lebensräumen bzw. k leinen P o p u la tionen
findet jedenfalls d ad u rch eine plausible E rk lä ru n g . Daß h ie rb e i n a tu rg em äß auch
Selektionsvorgänge eine bedeutsame Rolle spielen, sei je tz t n u r an gedeutet; au sfü h rlich e r
w ird d a rü b e r sp ä te r zu sprechen sein.
Ab e r auch in dieser Beziehung d a r f die Bedeutung d e r In zu ch t n ic h t ü b e rsch ä tz t
werden. So is t es a n H an d einiger Be ispiele n ich t schwer zu zeigen, daß eine d e r bezeichn
endsten In se lv a ria tio n en d e r Reptilien, nämlich d e r Melanismus, durch au s n ich t immer
a n ein besonders kleines A re a l gebunden is t und somit sein Vorhandense in keineswegs
lediglich d e r In zu ch t v e rd an k t. Von s ta rk melanistisehen Eidechsen werden zwar besonders
oft kleine F e lsk lip p en bewohnt; ab e r a u f grö ß e ren E ilan d e n fehlen d ü ste r g e fä rb te
Inselechsen keineswegs. So kommt z. B. u n te r d en L a c e rtid en a u f den r e la tiv g roßen P ity -
u sen-Inseln Tagomago u n d F o rm e n te ra eine re c h t deutliche Verd u n k e lu n g d e r Gesamtf
ä rb u n g zum Ausd ru ck ; dagegen lä ß t sich a u f v ielen ben a ch b a rten E ilan d en , die wesentlich
k le in e r sind, n ich t die gerin g ste melanistische Tendenz erkennen. Die k leine G la ttechse
Ablepharus boutonn vermochte a u f der 60 km langen In se l Groß Comoro m it ihrem
2600 m hohen V u lk an eine sehr m a rk a n te melanistische Rasse (ater) auszubilden, w äh re
n d a u f dem n u r 5 km langen u n d 2 km b re ite n E ilan d J u a n de Nova die gleiche A r t
wohl eine seh r ch a rak te ristisch e Rasse (caudatus) h e rv o rg e b ra ch t h a t, trotzdem ab e r g a r
keine Neigung zum Melanismus zeigt. Daß die Ausbildung schwarz g e fä rb te r Fo rm en von
d e r K le in h e it d e r 'In s e ln n ic h t ab h än g ig zu sein b rau ch t, w ird ja auch d ad u rch bestä tig t,
daß melanistische R e p tilien auch a u f dem F e stlan d e n ich t fehlen.
Die B e sch rän k th e it des in su la ren Lebensraumes k a n n also a u f die In se lv a ria tio n en
d e r R e p tilien höchstens m itte lb a r -9 d u rch die wenig indiv id u en re ich en Pop u la tio n en
u n d die d am it v e rb undene Inzucht 9 wirk sam sein. E in e kleine In se l v e rm ag in d ire k t bei
ih re n Bewohnern alte, in der P o p u la tio n „v e rste ck te “ V a ria tio n en deutlich werden zu
lassen oder ab e r neu a u ftre ten d e zu erh a lten , keineswegs ab e r diese zu erzeugen.
2. Untergrund.
D a das F a rb k le id d e r K rie ch tie re , besonders d e r Eidechsen u n d Schlangen, a u f dem
F e stlan d e oft eine weitgehende Übereinstimmung m it d e r allgemeinen F ä rb u n g ih r e r Umgebung
zeigt, lieg t d e r Gedanke nahe, daß au ch die F ä rb u n g in su la re r K rie ch tie re , speziell
d e r Melanismus, irg en d welche Beziehungen dazu aufweise, indem etwa eine p h y s i o l
o g i s c h e N a c h b i l d u n g der B o d e n f a r b e sta ttfinde. Diese F ra g e h ä n g t au fs in n
igste m it dem Vorkommen d e r „Sch u tz fa rb en “ hei In se lrep tilie n zusammen, so daß d a r a
u f schon je tz t eingegangen werden muß.
F ü r die E rsch e in u n g , daß das F a rb k le id d e r Inselechsen den F a rb to n des U n te rg ru n des
in d e r T a t wiederspiegelt, g ib t es einige Beispiele. So leb t z. B. a u f Trocados, ein e r
Sandinse l bei F o rm e n te ra (Pityusen), eine Zwergechse Lacerta lilfordigruerii, die I wie
schon im an d e ren Zusammenhänge e rw ä h n t^H a u f f a lle n d hell g etönt ist; „sie is t in e rstau
n lich hohem Maße a n die F ä rb u n g des U n te rg ru n d e s, den g ra u e n San d an g ep aß t“
( E i s e n t r a u t , 1929, S. 30). E in an deres Beispiel ste llt die höchst e ig en a rtig e Pelagosa-
Echse (Lacerta sicula pelagosae) m it ih re r lich tg rü n e n G ru n d fa rb e u n d tiefschwarzer
Zeichnung d a r: d e r allgemeine F a rb e in d ru c k , den dieses Geschöpf h e rv o rru ft, zeigt eine
weitgehende Ü bereinstimmung m it d e r e igentümlich g rü n silb e rn en Vegetationsdecke, die
diese In se l übe rz ieh t ( Le h r s , 1912, S. 202, 205).
E s g ib t auch ausgesprochen melanistische Inselechsen, die ebenfalls eine re c h t d eu tliche
Ü b ereinstimmung ih r e r F a rb k le id e r m it dem Boden, a u f dem sie leben, e rkennen