In d e r leitenden G ruppe d e r Gemeinschaft d e r In fu so rien des L itoralgebietes is t n u r Lacry-
mariaolor ein echtes R a u b in fu so r; dagegen bleiben die w ah ren B a k te rio p h ag en u n d Detrito-
p h agen in dieser Gruppe gänzlich aus. Die leitende Gruppe d e r In fu so rien des L itoralgebietes,
welche die m a ssenhaften F o rm en dieses Biotopes einschließt, besteht also vornehmlich
au s pflanzenfressenden Formen.
In der V e rtik a lv e rte ilu n g der L eitformen, sowie d e r üb rig en , diese Gemeinschaft b ildenden
In fu so rien a rten , wird irg en d ein deutlich ausgesprochener Zusammenhang m it der
V e rte ilu n g d e r d re i Hauptzonen d e r Algen im L ito ra lg eb ie t n ic h t beobachtet; diese Fo rm en
kommen in meh r oder weniger gleichem Maße in allen d re i Zonen vor. I n einem etwas
grö ß e ren Maße entwickeln sie sich in der Ulothrixzone u n d u n te r d en Didymosphaenien.
Dieses F eh len ein e r d eutlichen E in te ilu n g in Zonen hei den m a s sen h a ft vorkommenden
Infu so rien fo rm en des L itoralgebietes k a n n man m it demselben F eh len ein e r Z onalv e rte ilu
n g hei ih re r wichtigsten N ah ru n g , den Diatomeen, in Z usammenhang brin g en , wovon
schon oben die Rede war.
Abgesehen von den oben g en an n ten leitenden Formen, e rn ä h r t sich noch eine ganze
Re ihe von In fu so rien des L itoralgebietes ausschließlich oder vornehmlich von Algen, und
dabei v o r allen Dingen von verschiedenen Diatomeen. Das sind z. B. Urotricha globosa,
Prorodon teres, Plagiopogon coleps, Nassula ambigua, Nassula gutturata, Nassula vesi-
culosa, Frontonia leucas, Ophryoglena flava, Cristigera phoenix, Strombidiumturbo, Strom-
bidium viride, Euplotes harpa u. v. a.
Im P lan k to n des Litoralgebietes, besonders an d e r Wassergrenze, w urde zuweilen eine
bedeutende E n tw ick lu n g von F lag e lla ten , besonders Glenodinium, beobachtet, die den
Rau b in fu so rien als N a h ru n g dienen.
Die F a u n a des L itoralgehietes besteht in ih rem mikroskopischen Teil hauptsä ch lich
au s den zahlreichen In fu so rien ; abgesehen davon kommen in g e rin g e r Z ahl Rota to rien ,
H a rp a c tic id en u n d Ostracoden v o r, die in der E rn ä h ru n g d e r In fu so rien keine Rolle spielen.
Die R au b in fu so rien e rn ä h re n sich somit, abgesehen von den F lag e lla ten , noch von
an d e ren Infuso rien . Abgesehen von d e r oben g en an n ten Lacrymaria olor, die eine massenh
a fte E ntw ick lu n g e rre ic h t, kommen von Raubformen im L itoralgehiete Lacrymaria
coronata, Coleps hirtus, Amphileptus claparedii, die sich b e inahe ausschließlich von Vor-
ticellinae-Köpfchen e rn äh ren , Didinium nasutum, Lionotus folium, Lionotus lamella, Lio-
notus diaphanus, Dileptus anser u n d eine Reihe von Sukto rien , die in der L iste dieser
Gemeinschaft g e n an n t sind, vor.
D e r Algenfilz en th ä lt a u ß e r den lebenden F o rm e n eine große Menge von abgestorben
en Tie ren, die in ihm stecken bleiben u n d sich h ie r ansammeln; u n te r ihn en kommen
auch to te große Gammariden vor. Diese Re ste werden ebenfalls von einigen In fu so rien au sgenutzt,
die zuweilen in seh r g ro ß e r Zahl u n te r das Ch itinschild gelangen u n d ih re n Leib
m it F e ttin k lu sio n en vollstopfen, die aus den K a d a v e rn dieser Kreb se stammen. Diese N ah ru
n g wird z. B. von Holophrya simplex, Holophrya discolor, Holophrya nigricans, Prorodon
teres, Lembadion bullinum ausgenutzt.
W ir fan d en im In n e re n d e r sich zersetzenden k reb sa rtig en T ie re häufig A n sammlungen
irg en d eines F lag e lla ten , d e r von uns n ic h t n ä h e r bestimmt wurde; er h a tte eine abgeru
n d e te F orm, einen Durchmesser von 20—25 u n d w a r meh r oder weniger in ten siv
blau g e fä rb t.
Diese F lag e lla ten d ienten ebenfalls a ls N ah ru n g fü r die oben genan n ten Infu so rien ,
die sich ebenso wie diese letz te ren von Gammaridenre sten ernäh ren .
Leider fehlen in den Tagebüchern d e r E x p ed itio n Angaben üb e r den Gehalt a n suspend
ie rten u n d gelösten Stoffen im W a sse r des L itoralgebietes; diese Stoffe spie len, wie bek
a n n t, eine große Rolle in d e r E rn ä h ru n g v ie le r In fu so rien . Unzweifelhaft is t ab e r im
seichten u n d reichlich bewohnten L ito ra lg eb ie te eine viel g rößere Menge von organischen
Stoffen en th a lten als im W a sse r des Pelagialgebietes, das sich d u rch seh r g e rin g e Oxydierb
a rk e it auszeichnet (s. S. 227 f.).
Die im L ito ra lg eb ie t beobachtete reich lich e E ntw ick lu n g ein e r ganzen Re ihe von
P e ritric h e n , d a ru n te r au ch d e r E pibio n ten a u f den Gammariden, h ä n g t haup tsä ch lich m it
d e r genügenden Menge von D e tritu sn a h ru n g zusammen. A n einigen P u n k te n der K ü s te des
Baikalsees, z. B. in d e r L ip p e Muschinaj, in d e r L ip p e Dawscha, a n d e r , In se l Listwen-
nitsch n y , an d e r L andzunge R y ty i, wurde von uns im J u n i—J u li des J a h re s 1928 eine
s ta rk e E n tw ic k lu n g von Vorticella nebulifera beobachtet; die Draparnaldia-Büschel w aren
von einem ununte rb ro ch en en Anflug dieses In fu so rs bedeckt. Von E pibio n ten an Gammarid
e n kommen im L ito ra lg eb ie te Cothurnia crystallina, Lagenophrys ampulla u n d besonders
Spirochona gemmipara zuweilen bis 500 Stück a n einem K iemenblatte vor. Der Peri-
s tom ia la p p a ra t dieser In fu so rien ist vornehmlich zu r Aufn ahme von feinen suspendierten
D e tritu sp a rtik e ln u n d B a k te rien e ingerichtet. Auch kleine Diatomeenarten w urden von uns
in den Verdauun g sv ak u o len dieser P e ritric h e n k o n sta tie rt, ab e r in g e rin g e re r Zahl und
se ltener a ls Detritusansammlungen.
Die Z ahl der im L ito ra lg eb ie t des Baika lsees vorkommenden B a k te rien is t ebenfa
lls n ic h t a u fg ek lä rt. Ebenso wie in bezug a u f den Gehalt a n organischen Stoffen, k an n
m an m it g ro ß e r Wah rsch e in lich k e it vermu ten , daß die Z ahl d e r B ak te rien , die eine so
große Rolle in d e r E rn ä h ru n g vie le r In fu so rien spielen, im L ito ra lg eb ie t viel g rö ß e r sein
muß als im P elagialgebiet, in welchem die B a k te rien , p ra k tisc h genommen, fehlen (s.S. 238).
E in in d ire k te r Hinweis a u f diesen grö ß e ren Gehalt an B a k te rien im L ito ra lg eb ie t ist
d e r Umstand, daß u n te r den In fu so rien d e r U fergemeinschaft eine Re ihe von typischen
B a k te rio p h ag en vorkommt; in d e r pelagischen Gemeinschaft des Baikalsees fehlen ab e r
diese Fo rm en gänzlich. Das sind z. B.: Mesodinium pulex, Paramaecium caudatum, Lembadion
bullinum, Cinetochilum margaritaceum, Pleuronema chrysalis, Halteria grandi-
nella, Carchesium lachmannii, Epistylis plicatilis u. a.
Be i der M a n n ig fa ltig k e it d e r N a h ru n g im L ito ra lg eh ie t is t es seh r n a tü rlic h , daß u n te
r den In fu so rien d e r in Rede stehenden Gemeinschaft a u ß e r den oben g en an n ten F o rmen,
die sich von einem bestimmten F u tte r e rn äh ren , d. h. abgesehen von den Mono- und
Stenophagen, au ch zahlreiche E u ry p h a g e n Vorkommen, welche in meh r oder m in d e r gleichem
Maße alle N ah ru n g sso rten annehmen, die im L ito ra lg eb ie t v o rh an d en sind. Solche
F o rm en sin d z. B. Coleps hirtus, Paramaecium bursaria, Stentor coeruleus, St. polymor-
phus, St. niger, St. multiformis, St. igneus, Euplotes charon, As. turrita u n d einige andere.
A u f G rund des oben Gesagten k a n n das L ito ra lg eb ie t des Baikalsees a ls eines von den
re ich sten in diesem Wasserbecken in bezug a u f die M a n n ig fa ltig k e it u n d den Re ichtum
an N ah ru n g sm itte ln fü r In fu so rien u n d ebenso fü r die übrigen T ie re bezeichnet werden;
diese M a n n ig fa ltig k e it w ird haup tsä ch lich d u rch den q u a n tita tiv e n u n d q u a lita tiv e n
R e ichtum d e r L ito ra lflo ra bedingt, die als H au p tn ah ru n g sq u e lle dient. In dieser Beziehung
u n terscheiden sich die Lehensbedingungen im L ito ra lg eb ie t wesentlich von den Beding
ungen des offenen Baikalsees m it seinen q u a n tita tiv sp ä rlich en u n d q u a lita tiv ä u ß e rs t
sp ä rlich en N ah ru n g sv o rrä ten .