Grundgesetz“ I h e r i n g s (1927, S. 199), das auch ganz besonders fü r Rep tilien gilt, in
seinem vollen Umfange anerkennen. E s la u te t: „Die Mittel u n d Wege fü r die V e rb re itu n g
a lle r T ie re entsprechen den Vorgängen, welche die d irek te Beobachtung u n s kennen leh rt.
T ran sp o rten von lebenden Land- u n d Süßw a sse rtie ren ü b e r meilenweite Wasserflächen
u nd b re ite Meeresarme d u rch Orkane, Eisberge, Treibholz usw. kommt in W irk lic h k e it
keine g roße Bedeutung zu, eine Rolle spielen sie n u r in d e r P h a n ta s ie jen e r Forsch e r, fü r
welche die Konstanz d e r K o n tin en te u n d d e r g roßen Meerestiefen ein Axiom is t.“
4. Insulare Endemismen und Reliktenformen.
Ih re E ig e n a rt v e rd a n k t die in su la re T ie rwelt v o r allem dem R e ichtum a n e n d e m i s
c h e n Formen. Die A u sbildung der in su la ren Endemismen b e ru h t a u f se lbständiger W e ite
ren tw ick lu n g d e r von d e r Au sgangspopulation abgesonderten In d iv id u e n ein e r A rt. In-
digene Inselfo rmen können sich entweder ausbilden, indem sie sich ra sch e r differenzieren
u n d dabei au ffä llig e re V a ria tio n en erzeugen als ih re a u f dem F e stlan d e zurückgebliebenen
Stämme; oder ab e r um gekehrt: d u rch ein m eh r kon se rv a tiv e s V e rh a lten . Zwa r pflegen
a u f ganz ju ngen In se ln indigene Ra ssen oder A rte n so g u t wie immer zu fehlen; ih re
Menge ste ig e rt sich ab e r m it dem A lte r der Inseln, u n d a u f ganz a lten E ilan d e n können
sich u n te r Umständen nahezu a lle F aunenkomponenten ausschließlich aus Endemismen
zusammensetzen, was besonders deutlich auch in d e r H e rp e to fau n a zum Ausd ru ck kommt.
F ü r diese E rs ch e in u n g seien zu n ä ch st einige Beispiele genannt.
In se iner zoogeographisch wie ökologisch bemerkenswerten A rb e it üb e r die Rep tilien
d e r In se ln u n d K ü s te n des Aral-Sees kommt A l e n i t z i n (1876) zum E rgebnis, d aß die
H e rp e to fau n a der A ra l-In se ln k e in e rle i Endemismen aufweist: die In se ln g ehörten noch
in jü n g s te r Verg an g en h e it zum F e stlan d e u n d ih re R e p tilien haben sich in d e r k u rz en Zeit
noch n ich t zu differenzieren vermocht. Auch die große tunesische In se l D je rb a is t zweifellos
ganz ju n g en E n tsteh u n g sd a tum s: dementsprechend hab en d o rt weder E s c h e r i c h
(1896, S. 277) noch ich u n te r den R e p tilien irgendwelche Endemismen festgestellt. A u f
den E - ebenfalls noch seh r ju n g en — b ritisch en In se ln beginnen dagegen offenbar auch
u n te r den te rre s tris ch en K a ltb lü tle rn die endemischen Fo rm en sich eben aüszubilden. Die
ä lte ren dalmatinischen E ilan d e werden b ereits von z ahlreichen endemischen Echsenrassen,
die in re c h t m a rk a n te r Weise von den k o n tin en ta len diverg ie ren , bewohnt. A u f den noch
ä lte re n Ba le a ren , a u f M ad e ira u n d den K a n a re n gehören schon sämtliche Echsen d e r G a ttu
n g Lacerta zu endemischen A rten . Diese in su la re Differenzierung k a n n sich ab e r a u f
noch höhere systematische K a teg o rien erstrecken, wenn n u r die In se ln ein genügend hohes
A lte r haben. So sind z. B. sämtliche Eidechsen Neuseelands — wie schon L u c a s & F r o s t
(1896, S. 264) hervorgehoben h aben « endemisch u n d alle von au stra lisch en Formen
spezifisch verschieden (n u r Gymnodactylus arnouxii is t vielleicht a ls Suhspecies au fzu fa ssen);
auß e rd em is t ab e r u n te r den neuseeländischen H a ftz eh e rn eine indigene Ga ttu n g
(Naultinus) zu r Ausbildung gelangt, die S im Zusammenhänge m it dem k ü h len K lim a —
v iv ip a r ist. Auch Neukaledonien, ebenfalls eine sehr a lte Insel, zeichnet sich d u rch endemische
Genera u n te r den H a ftz eh e rn aus. J a selbst endemische F am ilien u n d soga r Ordn
ungen können a u f ganz a lte n In se ln a u f tre ten ; sie sind a lle rd in g s zumeist n ich t a u f in su
la re Weiterdiffe ren z ie ru n g zu rückzuführen, sonde rn a u f den in su la ren Konservatismus.
Zu den generellen, auch schon von D a r w i n (1859) ganz r ic h tig e rk an n ten Beziehungen
d e r Inselendemismen zu den K o n tin en ta lfau n en scheint die Tatsache, daß au f
In se ln n ic h t selten solche A rten , G attungen und höhere systematische K a teg o rien v o rkommen,
deren Verwan d te a u f dem F e stlan d e fehlen, zunächst in einem W id e rsp ru ch zu
stehen. Indessen muß man sich vergegenwärtigen, daß in su la re Endemismen sich nich t
etwa ausschließlich d u rch eine immer zunehmende Divergenz ausbilden; vie lm eh r k an n
zu ih re r E n ts teh u n g schon ganz einfach die V e rn ich tu n g ih re r Stammformen a u f dem
Festlan d e fü h ren . Gerade a u f Inseln vermögen sich ja besonders häufig solche Geschöpfe
zu erh a lten , die a u f den K o n tin en ten im Kampfe ums Dasein — etwa m it neu a u f tre te n den
Stämmen — a llm äh lich u n te rlieg en u n d d an n völlig aussterben. D e ra rtig e in su la re
R e l i k t e n d e m i s m e n sind n u n von ganz besondere r Wich tig k e it, weil sie ja u n te r gewissen
Um ständen einen fa s t ebenso guten Begriff von dem allgemeinen F a u n e n c h a ra k te
r d e r F e stlä n d e r in v e rgangenen E rd p e rio d en zu geben imstan d e sind wie fossile T ie rreste.
Das hei weitem be rü hm te ste Beispiel eines In se lre lik te s au s d e r Klasse d e r R e p tilien
is t bek an n tlich die Brückenechse (Sphenodon punctatus), die einzige noch lebende A r t
der Ordnung d e r Rhynchocephalia, die sich bis in die Gegenwa rt n u r noch a u f einigen
kleinen E ilan d e n bei Neuseeland e rh a lte n h a t; ab e r noch in histo risch e r Zeit bewohnte
dieses „lebende Fossil“ wahrsche inlich ganz Neuseeland. W äh ren d m an f rü h e r das A lte r
d e r Brückenechse - ^ m a n h ie lt sie fü r eine Verwan d te d e r p rim itiv e n Rep tilien d e r P e rm zeit
(Palaeohatteria, Protorosaurus) — zu hoch eingeschätzt h a t, s te h t n u nm eh r fest, daß
ih re n ächsten V e rwandten imm e rh in noch au s der T ria sz e it stammen u n d auch a u f dem
Fe stlan d e d e r n ördlichen H albkugel v e rb re ite t waren.
Ganz ähnliche in su la re Reliktendemismen sind namen tlich u n te r den niederen syste matischen
Gruppen bei R e p tilien re c h t häufig. Endemische F am ilien re lik te werden z. B.
d u rch die so n de rbaren geckonena rtigen U ro p la tid en a u f M adagaska r u n d die höchst eigentümliche
S ch ildkröte Carettochelys inscnlpta a u f Neuguinea, die eine eigene F am ilie der
Ca rettochelyiden bildet, re p rä s e n tie rt. Als Beispiele fü r G a ttu n g sre lik te seien folgende gen
an n t: u n te r den Ig u an id en Brachylophus (Fidji- u n d Tonga-Inseln), Oplurus u n d Chala-
rodon (Madaga skar), Sator (San ta Cruz-, S an Diego- u n d /Ceralbo-Inseln, Kalifornien),
u n te r den Helodermatiden Lanthanotus (Borneo), u n te r X a n tu s iid e n Cricolepis (Cuba),
u n te r Scinciden Macroscincus (Kapverden) u n d Corucia (Solomonen), u n te r den Boiden
Casarea und Bolyeria (Round-Insel, Mau ritiu s) usw. W ahrscheinlich ste llt au ch die eigentümliche
Barkudia insularis — ein fußloser V e rtre te r d e r Scinciden einen solchen Re-
liktendemismus d a r; diese G a ttu n g is t nämlich bishe r n u r a u f B a rk u d a , ein e r In se l im
nordindischen Chilka-See, g efunden worden. D a au ß e r Barkudia d o rt n u r eine re c h t a rm e
He rp e to fau n a ( A n n a n d a l e 1917, S. 21; 1921, S. 331) nachgewiesen worden ist, die sich
au s w e itverbre iteten, n ich t besonders differenzierten A rten zusammensetzt, scheint es sich
um eine noch ganz jun g e In se l zu handeln; offenbar is t also Barkudia a u f dem Festlan d e
e rst in a lle r jü n g s te r Zeit verschwunden.
U n te r den a r tlic h e n Reliktendemismen der In se ln sind am bekanntesten die schw a rzen
Riesenschildkröten d e r G a ttu n g Testudo, die g egenwä rtig n u r in zwei weit v oneinan
d e r g e tren n ten Inselgebieten Vorkommen: a u f den Galapagos einerseits u n d a u f den
Maskarenen, A ld ab ra u n d Seychellen andererseits. Mit d e r in te re ssan ten F ra g e , wie diese
Geschöpfe nach den abgelegenen In se ln g e lan g t sind, werden w ir uns e rst im an d e ren Zusammenhänge
zu befassen haben. H ie r sei n u r festgestellt, daß diese schwerfälligen Tie re
in vergangenen P e rio d en d e r E rdgeschichte au f den F e stlän d e rn re c h t weit v e rb re ite t
waren; wäh ren d sie ab e r do rt, vielleicht d u rch Rau b tie re , au sg e ro tte t worden sind, haben
sie sich a u f einigen In se ln a ls R e lik te bis in die Gegenwart erh a lten . Aus d e r Ordnung
der Eidechsen s te llt d e r riesige Komodo-Waran, Varanus komodoensis, von d e r kleinen