W ir nehmen dazu die T em p e ra tu ran g ab en fü r den offenen B a ika lsee a u s den Tageb
üchern d e r E xped itio n f ü r A n fan g J u n i bis A n fan g J u l i 1926 u n d die Angaben fü r die
Uferzone vornehmlich au s u n se ren Tagebüchern aus derselben P e rio d e fü r die T agesstunden.
_________
T ° 1
Datum
An d e r Wa ssergrenze Im offenen B aikalsee
5. VI. 8.00 3.33
10. VI. — 3.60
14. VI. 5.30 3.60
15. VI. 4.20 3.90
16. VI. 8.20 3.70
17. VI. 6.90 —
19. VI. 4.60 —
20. VI. 12.80 —
21. VI. 6.20 —
22. VI. 15.60 —
24. VI. 4.90 4.21
27. VI. 11.60 4.32
29. VI. 14.50 4.30
6. VII. 20.70 9.90
W äh ren d der P e rio d e vom 19. VI. bis zum 27. V I. w u rd e also d re im a l in d e r U fe rzone
ein Übersch re iten d e r T em p e ra tu rg ren z en , welche fü r die pelagischen In fu so rien n o rm
a l sind, beobachtet, wobei Grenzen e rre ic h t wurden, die von diesen In fu so rien n ic h t e r tra
g e n werden.
Im L au fe eines Monats wurden an den U fe rn T emperatu rschwan k u n g en von 4,60° bis
20,70° (d .h . die Amplitude w a r 16,10°), im P e lag ia lg eb ie t ab e r von 3,33° bis 9,40° (d.h.
die Amplitude w a r 6,37°) beobachtet. D e r V e rlau f der T em p e ra tu r Veränderungen w a r im
Pelag ia lg eb ie t allm äh lich e r, während am U fe r die T em p e ra tu r sich sprungweise v e rän d e rte .
Abgesehen davon is t d e r Umstan d von g ro ß e r Bedeutung, daß im Pelagialgebiet, selbst
w äh ren d d e r E rw ä rm u n g sp e rio d en d e r oberen Wasserschichten u n d wäh ren d d e r E n tw ic k lu
n g des P h y to p lan k to n s, welche von sta rk en täg lich en u n d n ich t täg lich en Schwankungen
des Regimes begleitet werden, die pelagische In fu so rien fau n a au s dem P la n k to n nich t
u nbed in g t schwindet, sonde rn in die tie fe r liegenden sta tisch en Schichten übergehen kan n ;
deshalb weist die ganze Gemeinschaft auch wäh ren d der einzelnen Ja h re s z e ite n eine große
B e stän d ig k e it au f: solche leitende Formen, wie die Maritu ja pelagica, Mucophrya pelagica,
Sulcigera comosa, Prorodon morula, Longitricha flava, Tintinnidium fluviatile f. cylin-
driea, Ophryoglena pelagica u. a., schwinden eigentlich niemals aus dem P lan k to n ; sie ä n d
e rn n u r entsprechend ih re v e rtik a le V erteilung, auch fü r eine k u rz e P e rio d e von IV2 2
Monaten. Also eine von den Ursachen, welche die pelagischen Infu so rien wäh ren d bestimmte
r Ja h re sp e rio d en d a ra n h in d e rt, sich bis an die U fe r zu v e rb re iten und sich daselbst zu
entwickeln, is t die k u rz e D au e r d e r Perio d en m it fü r diese In fu so rien e rträg lich en Bedingungen
im Ufergebiete.
Schließlich möchten w ir a u f die Möglichkeit noch ein e r U rsache hinweisen, welche
uns, vom allgemeinen ökologischen S ta n d p u n k t aus, seh r wichtig fü r die in Rede stehende
E rsch e in u n g zu sein scheint u n d welcher im S ch rifttum unseres Wissens seh r wenig A u fmerk
sam k e it geschenkt wurde.
Unsere Beobachtungen an einigen pelagischen In fu so rie n a rte n des Baikalsees fü h ren
u n s zu d e r Annahme, daß in dieser Gruppe Formen Vorkommen, welche während der
Sommerperioden die Uferzone des Sees n ic h t deshalb meiden, weil sie a n die E rtra g u n g
d e r extremsten Grenzen n ic h t an g ep aß t sind, welche von den H a u p tfa k to re n des Mediums
in diesem Gebiete e rre ic h t werden können (da diese F o rm en keinesfalls stenök sind), und
auch n ich t deshalb, weil d e r R a um fak to r, dessen ökologische Bedeutung sehr u n k la r ist,
fü r sie eine p o sitiv e Bedeutung h a t, sonde rn deshalb, weil sie den sta rk en u n d raschen
Wechsel n ich t e rtra g e n können, der fü r die Uferzone im Zusammenhang m it d e r V egetation,
d e r E rw ä rm u n g , dem Wogen d e r B ran d u n g u n d dgl. ch a rak te ristisch ist, wenn auch
die Grenzen, in welchen die H a u p tfa k to re n des hydrologischen U ferregimes schwanken,
üb e r ih re spezifischen Grenzen n ic h t hinausgehen.
Didinium nasutum, ein seh r gewöhnliches u n d weit v e rb re ite te s In fu so r, is t ein gutes
Beispiel d a fü r. Nach den Angaben des S ch rifttum s is t D. nasutum im P e lag ia lg eb ie t vieler
großen u n d tie fen Seen v e rb re ite t, weshalb es von einigen V e rfa ss e rn zu den eupelagischen
Fo rm en g e ste llt wird. Abgesehen davon kommt D. nasutum au ch in k leinen re in en Becken
vo r, in denen von P e lag ia lg eb ie t keine Rede sein kan n . Dieses In fu so r wurde wäh ren d a lle r
Ja h re s z e iten beobachtet. D. nasutum is t im B a ika lsee weit v e rb re ite t u n d kommt daselbst
u n te r den verschiedensten Bedingungen vor. Die g rö ß te E n tw ick lu n g e rre ic h t es im P la n k ton
d e r pelagischen Gebiete des Hauptbaikalsees, d e r g ro ß en tie fen B uchten u n d d e r offenen
Buchten. F e rn e r kommt dieses In fu so r im P la n k to n d e r g roßen Seichtgewässer —
Nördliches u n d Selenginsches Seichtwasser — vor, deren Bedingungen, im Vergleich m it
dem offenen Baikalsee, dan k dem Vorhandense in g e rin g e r Tiefen u n d dem Zuströmen
von warmem Flu ßw a sse r, wesentlich v e rä n d e rt sind. Abgesehen davon w urde D. nasutum
in ein e r g e rin g en Menge im P la n k to n des östlichen Teils des A ngorsky Ssor angetroffen,
bei ein e r T em p e ra tu r von 20—22°, u n d schließlich wurden einzelne E x em p la re mehrmals
a n den von Algen bewachsenen U fe rn gefunden.
Dieser weiten V e rb re itu n g in ho rizo n ta le r R ich tu n g entsprechen au ch die weiten Temp
e ra tu rg ren z en , in welchen diese A r t im Ba ika lsee beobachtet wurde: von 0° bis 22° (insbesondere
im P e lag ia lg eb ie t des Baikalsees von 0° bis 14,4°). D. nasutum is t somit eine
e u r y t h e r m e F o r m in dem Sinne, in welchem diese Bezeichnung von der Mehrzahl
d e r V e rfa sse r g eb rau ch t wird , d. h. eine A rt, welche in weiten T em p e ra tu rsc h ran k en lebt;
in seiner h o rizontalen V e rb re itu n g von den k a lte n Gewässern des P elagialgebietes bis zu
den e rw ä rm te n Gewässern d e r seichten Gebiete, weist D. nasutum eine g e rin g e d irek te
Abh än g ig k e it von den T em p e ra tu rb ed in g u n g en auf. Davon zeugt, wie es scheint, auch
seine V e rte ilu n g nach den Ja h re s z e iten : D. nasutum kommt im P e lag ia lg eb ie t des B a ik a lsees
im L au fe des ganzen J a h re s in g ro ß e r Menge vor.
Wen n w ir u n s ab e r d e r v e rtik a le n V e rte ilu n g dieser In fu so rien in den verschiedenen
oben g en an n ten Seebezirken zuwenden, so beobachten w ir eine in te re ssan te , g e rad e en tgegengesetzte
E rsch e in u n g : nämlich au s dem Vergleich des v e rtik a le n V erlaufes d e r h y d ro logischen
H a u p tfa k to re n einerseits u n d d e r v e rtik a le n V e rte ilu n g von D. nasutum andere
rs e its ersehen wir, daß die v e rtik a le V e rte ilu n g dieses In fu so rs in hohem Maße g erade
d urch den T em p e ra tu rfa k to r bedingt wird. I n allen F ä llen , in welchen D.nasutum von der
Oberfläche bis zu den Tiefen, oder, in den se ichteren Teilen, bis zu den Bodenschichten
v e rb re ite t ist, wird p a ra lle l auch eine unbedeutende u n d gleichmäßige V e rän d e ru n g der
T em p e ra tu r in d e r V e rtik a le , sowie gewöhnlich auch d e r ü b rig en F a k to re n beobachtet.
An d e re rse its w ird eine d e ra rtig e gleichmäßige V e rte ilu n g des D. nasutum von den
oberflächlichen bis zu den tiefen Schichten n ic h t beobachtet, wenn die T em p e ra tu r in der
Zoolosica. Heft 83. 30